Menü
Chronik und Quellen
1939
Dezember 1939

Vierteljahresbericht der Auswandererstelle Köln

Anfang 1940 übermittelt der Oberpräsident der Rheinprovinz folgenden Vierteljhresbericht der Öffentlichen Auswanderungsstelle in Köln für den Zeitraum Oktober bis Dezember 1939:

(…) Die Judenauswanderung ist durch die Zeitverhältnisse in mancherlei Hinsicht erschwert. Durch gute Fühlungnahme mit den verschiedensten Dienststellen gelang es uns aber, die Judenauswanderung in der gewünschten Weise zu fördern; u. a. waren wir bei der Beschaffung von Papieren behilflich. So hatten z. B. Juden nach vorgenommenem Wohnsitzwechsel häufig Schwierigkeiten, Führungszeugnisse, steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigungen, Geburts-, Heirats- und ähnliche Urkunden seitens der früher für sie zuständigen Behörden zu erhalten. In der Regel waren die Antragsteller zu einem Konsulat zur Visumerteilung vorgeladen und standen bereits kurz vor dem Vorladungstermin, ohne indessen die zur Erlangung des Passes notwendigen Papiere zu besitzen. Durch unser Eingreifen war dann die Einhaltung des Termines möglich.

Wiederholt konnten wir die Wahrnehmung machen, daß Paß- und andere Dienststellen der Auffassung waren, die Judenauswanderung ließe sich infolge der Zeitverhältnisse nicht durchführen, sodaß sie aus diesem Grunde Schwierigkeiten machten.

Ein weiteres Hemmnis für die Judenauswanderung ist in der für die verschiedensten Länder außerordentlich schwierig gewordenen Visumbeschaffung zu erblicken. In vielen Fällen ist eine Visumerteilung auch für nichtfeindliche Länder in Deutschland unmöglich, kann jedoch durch einzelne Konsulate im Ausland, u. U. durch besondere Verhältnisse bedingt, vorgenommen werden.

 

- 10 -

Visumbeschaffung erfolgte in der Berichtszeit besonders häufig durch den bekannten Palestine & Orient Lloyd (POL), der allerdings seine Gebühren erhöht hat. Visa für Chile kosten nunmehr 165 $ pro Permit und Person im Ausland zuzügl. 250 RM pro Person im Inland zahlbar. Für Venezuela sind zu entrichten: 500 $ pro Familie im Ausland und 250 RM pro Person im Inland. Da wir von dritter Seite darauf aufmerksam gemacht wurden, daß die Verhältnisse bei dem POL sich seit dem Frühjahr wesentlich geändert haben sollen, fragten wir bei der Reichsstelle dieserhalb an, die mitteilte, obwohl die im Ausland aufzubringenden Kosten für die Visabeschaffung sich erhöht hätten, sollten wir Interessenten weiterhin an den POL verweisen, da keine andere Organisation bekannt sei, die ebenso zuverlässig und billiger als der POL arbeite.

In der Beschaffung von Visen für Chile und Venezuela betätigte sich ferner das Reisebüro Jos. Hartmann, Köln, Hohe Straße, das 250 RM pro Person als Vermittlungsgebühr berechnet.

Als Unterlagen für die Paßbescheinigungen wurden neben Bescheinigungen der vorgenannten Reisebüros auch solche von den verschiedensten Konsulaten im Ausland beigebracht, bei denen Verwandte oder Bekannte der Auswanderungswilligen für diese das Visum nachgesucht hatten. So wurden z. B. Visumzusagen des Chilenischen Konsulates Rotterdam und der Konsulate von Thailande (Siam) und Liberia in Antwerpen beigebracht.

Die meisten Visen für Chile wurden aber im Inland erteilt, und zwar von den Konsulaten in Bremen und Berlin, die, ähnlich wie die USA-Konsulate, besondere formularmäßige Vorladungsschreiben ergehen ließen. Von den Visumzusagen anderer Konsulate in Deutschland ist eine des Belgischen Generalkonsulates in Köln vom 18.10.39 bemerkenswert, die folgendermaßen lautete:

„Das Belgische Generalkonsulat ist nunmehr in der Lage, Ihnen ein Visum für drei Monate zwecks vorläufiger Niederlassung in Belgien auszustellen (Höchstdauer sechs Monate).

Zu diesem Zwecke sind folgende Unterlagen beizubringen:
Ihr Reisepaß, mit deutschem Ausreisesichtvermerk versehen,

eine schriftliche Erklärung, wonach Sie sich verpflichten, in Belgien keinerlei Erwerbstätigkeit auszuüben,

Gebühren mit RM 48,- pro Paß,

dieses Schreiben zurück.

Bei schriftlicher Erledigung ist noch ein Freiumschlag für die Rücksendung des Passes beizufügen.

 

- 11 -

Das Visum muß innerhalb eines Monats ab heute eingeholt und die Einreise nach Belgien innerhalb drei Monaten nach Ausstellungsdatum des Visums erfolgt sein, andernfalls diese Genehmigung verfällt.”

Auch von einigen anderen belgischen Konsulaten lagen Bescheinigungen vor, in denen teils gegen Nachweis entsprechender Bürgschaft und Depot das Visum per sofort in Aussicht gestellt wurde. Es handelte sich bei diesen Fällen in der Regel um vorübergehenden Aufenthalt bis zur endgültigen Weiterwanderung in ein überseeisches Zielland. Häufig nimmt Belgien die Stelle eines Durchgangslandes für die Ver. Staaten von Amerika ein.

Als Durchgangsland für Palästina traten vereinzelt Schweden und Dänemark auf, wobei es sich aber stets um Kinder und Jugendliche handelte, die dort eine weitere Ausbildung erfahren sollen.

Für die Südafrikanische Union wurde noch im Dezember ein Permit aus August vorgelegt, gleichzeitig auch ein Schreiben des Jüdischen Hilfsvereins, in dem dieser mitteilte, daß er voraussichtlich in der Lage sei, Inhabern von in einem bestimmten Zeitraum ausgestellten Permits zu einem Visum zu verhelfen und ihnen Passagen nach Südafrika zu beschaffen.

Eine jüdische Krankenschwester, die mit Mühe und Not das südafrikanische Permit kurz nach Kriegsausbruch erhalten hatte, wandte sich wegen Visumbeschaffung und Passagebelegung an ein italienisches Reisebüro. Dort riet man ihr, mit einem italienischen Schiff nach Nordafrika zu reisen und dort einen von Holland kommenden Dampfer der Holland-Ostasien-(Indien)Linie zu besteigen, der über das Kap der Guten Hoffnung fährt. Diese Dampfer nähmen eine beschränkte Anzahl von Passagieren nach Südafrika mit. Die Visumbeschaffung sollte in diesem Fall bei der südafrikanischen Vertretung in Holland erfolgen.

Indirekt eine Unterbindung erfuhr die Judenauswanderung durch die infolge des Krieges eingeführte allgemeine Telegrammsperre nach dem Ausland. Die durch den Kriegsausbruch manchmal bedingte Änderung des Ziellandes erfordert vielfach neue Bürgschaften, die unverzügliche Gestellung geldlicher Sicherheiten in den verschiedensten Ländern, wofür meist in den Ver. Staaten lebende Verwandte in Anspruch genommen werden müssen. Da die briefliche Erledigung zu viel Zeit in Anspruch nimmt, ist telegrafische Erledigung solcher Fälle notwendig. Wir sind deshalb an geeigneter Stelle vorstellig geworden, um Abhilfe zu schaffen. Als Ergebnis erhielten wir von der Reichsstelle für das Auswanderungswesen folgenden Bescheid:

 

- 12 -

„Wegen Telegrammaufgabe nach dem Ausland bitte ich, anfragende auswanderungswillige Juden, soweit sich ihre Anliegen auf die technische Durchführung ihrer Auswanderung beschränken, an die Reichsvereinigung der Juden Deutschlands, Abt. Wanderung, Berlin N 4, Artilleriestr. 31, zu verweisen. Von dort wird das Weitere in dringenden Fällen veranlaßt werden.”

Einige Male wurde die Auswanderung jüdischer Familien durch den Umstand erschwert, daß schulpflichtige Kinder im benachbarten Ausland weilten und mit den Eltern zusammen von einem Konsulat in Deutschland zur Visumerteilung vorgeladen waren, oder, soweit die Visen bereits erteilt waren, mit diesen die Auswanderung von Deutschland aus nach Übersee antreten sollten, jedoch keine Möglichkeit zur Einreise bezw. Durchreise Deutschlands für diese Kinder gegeben war. So hatte eine vierköpfige jüdische Familie beispielsweise das Chile-Visum erhalten und stand kurz vor der Ausreise, die über Italien vor sich gehen sollte. Der zwölfjährige Sohn war seinerzeit zum Schulbesuch nach England ausgereist, weilte nun aber bei Verwandten in Holland und konnte seitens des zuständigen deutschen Konsulates dort keinen Geleitschein zur Durchreise durch Deutschland erhalten. Wir meldeten die Angelegenheit der Reichsstelle und baten, über das Auswärtige Amt das zuständige Deutsche Konsulat in Holland zur Erteilung der Durchreisegenehmigung für den Jungen zu veranlassen. Zwischenzeitlich erfuhren wir von den Eltern, die sich mit dem Konsulat telefonisch in Verbindung gesetzt hatten, das Konsulat wäre gewillt, die Einreisegenehmigung zu geben, wenn eine Unbedenklichkeitsbescheinigung der hiesigen Polizeibehörde beigebracht würde, wonach die Weiterwanderung gesichert sei. Auf unsere gutachtliche Befürwortung wurde dann auch die Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt und dem Konsulat zugesandt, wonach dieses die Durchreise durch Deutschland genehmigte. Erfreulicherweise können wir vermerken, daß von unserem ersten Eingreifen an bis zur Wiederausreise des Jungen eine Frist von nur fünf Tagen liegt. -

Palästina-Interessenten haben Anfang Dezember Bescheinigung folgenden Inhalts von der Internationalen Spedition Erich Beyers Köln, Kaiser Wilhelm Ring 48, vorgelegt:

„Gemäß unserem heutigen telefonischen Abschluß buchen wir für Sie folgende Passage nach Palästina und Zar:
Ausreise von jugoslawischem Hafen mit erstklassigem Passagierdampfer gegen Ende Dezember.

Die Abwicklung des Transportes liegt in Händen unserer Wiener Geschäftsfreunde. Die Passageunterlagen werden in den nächsten Tagen an folgende Person ausgehändigt, nachdem Papiere und Buchung genehmigt sind:
Herrn ........................”

 

- 13 -

Die in diesen Bescheinigungen erwähnten Geschäftsfreunde sind das Hanseatische Reisebüro, Inh. Heinrich Schlie, Wien, das Transporte für illegale Einwanderung in Palästina zusammenstellen wollte. Der Unterzeichnete hat die Angelegenheit anlässlich seines letzten Aufenthaltes in Berlin (7.-9. Dezember) mit der Reichsstelle für das Auswanderungswesen besprochen und nach seiner Rückkehr nach Köln einen Vertreter der Spedition Beyers auf die Beratungsstelle gebeten. Es erschien der Produrist Kowalczuk, dem die Beantwortung bestimmter Fragen dringend empfohlen wurde, so z. B., ob die Spedition Beyers die Erlaubnis zur Buchung von Auswanderer-Schiffs-Passagen zur illegalen Einwanderung in Palästina besitzt, mit welcher Schiffahrtslinie, welchen Schiffen und ab welchem Hafen die Ausreise vor sich gehen solle. Ferner solle der Ankunftshafen in Palästina und die Organisation angegeben werden, die sich dort der Reisenden annähme. Ehe diese Fragen nicht geklärt seien, könnten wir Bescheinigungen der Spedition Beyers als Unterlage für die Paßbescheinigungen nicht anerkennen. Kowalczuk versprach, die gewünschten Unterlagen in den ersten Tagen hereinzureichen. Er sandte indessen lediglich ein Schreiben, in dem er die Unterredung schriftlich bestätigte, das eine Liste der von Beyers vorgemerkten Familien und Einzelpersonen (insgesamt 35 Namen) enthielt und worin erklärt wurde, daß es sich in allen diesen Fällen nur um Vorbuchungen für die Passage nach Palästina handele. Beyers habe die Auswanderer hierüber auch nie im Unklaren gelassen. Eine endgültige Anmeldung nach Wien zwecks Teilnahme an den Transporten sei bisher nicht erfolgt und könne erst nach Entrichtung der Passagekosten und Einreichung der Unterlagen geschehen. Bisher habe aber nur ein Kunde eine Anzahlung von RM 200 geleistet. Die auch mit diesem Schreiben erhaltenen Unterlagen haben wir bisher nicht erhalten. Nach inzwischen hier eingegangenen Nachrichten ist größte Zurückhaltung gegenüber den Werbungsversuchen des Hanseatischen Reisebüros und seinen Helfern geboten.

In der Berichtszeit wurde einmal auch der Wunsch nach Rückwanderung in den zum heutigen Russisch-Polen gehörigen Geburtsort Rozniatow eines Juden laut, der dort noch Landbesitz hat, den er bewirtschaften will. Da hier nichts Näheres wegen der Einreisemöglichkeit in dieses Gebiet bekannt war, fragten wir bei der Reichsstelle an, die mitteilte, daß Gesuche zur Rückwanderung in die von russischen Truppen besetzten, ehemals polnischen Gebiete an die Konsular-Abteilung der Botschaft der U.d.S.S.R., Berlin W 8, Unter den Linden 7, zu richten sind.

 

- 14 -

Ein Kapitel für sich bilden die christlichen Nichtarier, die rassemäßig Juden sind und den Behörden gegenüber als solche gelten, von den jüdischen Stammesbrüdern aber nicht anerkannt werden und daher auch keine Hilfe von jüdischer Seite zu erwarten haben. Katholischen Nichtarier nimmt sich der St. Raphaelsverein an, evangelischer bestimmte evangelische Stellen. Es war uns möglich, für eine Anzahl Nichtarier christlichen Glaubens Paßbefürwortungen auszustellen, da die Auswanderung in absehbarer Zeit gesichert erschien.

Ein Einfluß katholischer Stellen hinsichtlich Betreuung und Schaffung von Auswanderungsmöglichkeiten für katholische Nichtarier scheint wesentlich größer zu sein als der entsprechender evangelischer Stellen zu Gunsten evangelischer Nichtarier, wie wir an den hier vorgekommenen Fällen zahlenmäßig feststellen konnten.

--------

In ihrer Eigenschaft als Gutachter in Paßangelegenheiten jüdischer Auswanderer hat die Auswandererberatungsstelle gemäß Erlaß des Herrn Reichsminister des Innern vom 16.11.37 691 Paßbescheinigungen zur Erlangung von deutschen Reisepässen und deutschen Fremdenpässen ausgestellt, die sich nach Zielländern und Monaten folgendermaßen verteilen:

Zielland                                 Okt.                 Nov.               Dez.               Sa.  

Vereinigte Staaten               70                     91                   57              218
Chile                                         40                   61                   55               156
Palästina                                 15                     32                   12                 59
Argentinien                          20                     11                     5                 36
Belgien                                       9                     23                     3                 35
Venezuela                                 5                   13                   13                 31
Brasilien                                   7                     13                   13                 33
Niederlande                             6                       4                     4                14
Bolivien                                     4                       1                     9                 14
Liberia                                       5                       5                     1                 11
Philippinen                            7                       3                     -                   10
Haiti                                           8                       -                       -                   8
Mexiko                                     3                    4                       -                   7
Shanghai                                   -                       6                       -                   6
Panama                                     -                       -                      5                   5
Schweden                               1                       2                     2                   5
Luxemburg                               -                       3                     2                   5
Dominikan. Republik           -                       5                     -                     5
Paraguay                                 -                       5                     -                     5
Australien                               -                      4                     -                     4
Uruguay                                   2                     -                       2                     4
Italien                                       -                       3                     -                     3
Schweiz                                   1                       1                     1                     3
Norwegen                               -                       1                     1                     2
England                                2                       -                       -                     2
Thailande (Siam)                 -                       2                     -                     2
Südafrikan. Union               -                      -                     2                     2
Kolumbien                             -                       2                     -                       2
Peru                                       -                       2                    -                       2
Dänemark, Irland              2                       -                       -                       2    
                                           207                   297                 187                 691

 

- 15 -

Anträge auf Erlangung von Devisenbescheinigungen wurden nur in ganz geringem Umfange gestellt. In fünf Fällen haben wir entsprechende Gutachten für die Devisenstelle ausgefertigt und zwar:

                                                                                                            davon an Juden
im Oktober       4 Gutachten über RM 14.855                 3 Gutacht. über RM 13.450
     November     - Gutachten über RM -----                       - Gutacht. über RM ---
     Dezember    1 Gutachten über RM   3.336                 - Gutacht. über RM ---            
                           5 Gutachten über RM 18.191                 3 Gutacht. über RM 13.450

Ein Vergleich mit dem Vorvierteljahr, das noch 44 Gutachten im Werte von RM 515.385 aufweist, ist schlecht angängig, da damals ganz andere Voraussetzungen vorlagen.

Die Palästina-Gutachten, die früher zahlen- und wertmäßig am stärksten vertreten waren, sind in der Berichtszeit bis auf einen Sonderfall ganz in Wegfall gekommen. In diesem Fall handelt es sich um eine Jüdin, die im August 1939 Witwe geworden ist und deren verstorbener Ehemann im Oktober 1935 ein Palästina-Gutachten in Höhe von RM 80.000 von uns erhalten hatte. Die Witwe beantragt nun, daß Lp 1.000 im Rahmen des seinerzeit ihrem Mann erteilten Genehmigungsbescheides auf ihren Namen überschrieben werden, damit sie die Einwanderung in Palästina vornehmen kann. Sie will sich dort an der Siedlung eines Neffen beteiligen. Erwähnenswert ist, daß dieser 1000 Lp-Transfer heute etwa RM 60.000 kostet.

Die anderen beiden für Juden ausgefertigten Gutachten betrafen Sachwerte, und zwar gebrauchtes Handwerkszeug für einen Schreinereibetrieb und gebrauchte Näh- und Zuschneidemaschinen für Gardinennäherei. In beiden Fällen waren die Ver. Staaten das Ziel der Auswanderung. Die begutachteten Summen beliefen sich auf RM 150.- bezw. RM 800.-.

Bei den Ariern handelte es sich um eine junge Krankenschwester, die - aus dem Aachener Grenzgebiet beheimatet - einen holländischen Staatsangehörigen heiratet und die Genehmigung zur Mitnahme von Aussteuergut im Werte von RM 905.-, außerdem RM 500.- zum Transfer über die Deutsche Golddiskontbank beantragte. Der künftige Ehemann ist Garagenbesitzer und Vertreter namhafter deutscher Automobilwerke.

Das letzte Gutachten erhielt ein belgischer Staatsangehöriger, ebenfalls Arier, der in seine Heimat rückwandert. Als Inhaber einer Motorrad-Reparatur-Werkstätte wollte er Werkzeuge, drei Motorräder (belgische Marken, die, da Ersatzteilbeschaffung in Deutschland nicht möglich, hier unverkäuflich sind) und einen alten BMW-Wagen im Gegenwerte von RM 3.336.- ausführen.

------

 

- 16 -

Der sich als Devisenschieber und Visavermittler betätigende Dr. Bieroth, den Haag (s. Schreiben der Reichsstelle B 1320 vom 21.9.39) ist hier nicht aufgetreten.

----

Die Stadt Köln, die früher regelmäßig die Jahresberichte der Auswandererberatungsstelle im Statistischen Jahrbuch der Hansestadt Köln aufnahm, mußte aus Ersparnisgründen seit 1934 auf einen Beitrag der Auswandererberatungsstelle verzichten. Erst in diesem Jahre war es wieder möglich, einen Bericht der Auswandererberatungsstelle aufzunehmen, der dann auch in Zusammenfassung der Jahre 1934/39 von uns gegeben wurde. -

Am 2.10.39 gaben wir ein Rundschreiben an die Paßstellen in unserem Betreuungsgebiet heraus, das wir diesen über die zuständigen Regierungspräsidenten zustellten.

In diesem Rundschreiben wurde gebeten, alle auswanderungswilligen Paßantragsteller der Beratungsstelle unverzüglich zu melden, gleichzeitig auch der Begriff „Auswanderer” im Sinne der Auswandererberatung noch einmal erklärt.

Weiter enthielt das Rundschreiben einen Hinweis auf den Erlaß des Herrn Reichs- und Preuß. Minister des Innern vom 16.11.1937 = Pol SV 6-2252/37-453-12 = und die den Amtsstellen sich hieraus ergebende Meldepflicht. Schließlich brachten wir in Erinnerung, daß die Auswandererberatungsstelle nach wie vor die Vermittlung von Nachforschungen nach vermißten Personen im Ausland übernimmt und des weiteren in Fällen von Ausreisesichtvermerksanträgen von Reichsangehörigen, die die Wiederausreise in ihr Gastland antreten wollen, gutachtlich Stellung nimmt. -

In der Verordnung über den Paß- und Sichtvermerkszwang und den Ausweiszwang vom 10.9.39 sind als Paß- und Sichtvermerksbehörden die Kreispolizeistellen (Landratsämter) genannt. Hierdurch ist eine Verschiebung in dem Verfahren zur Ausstellung von deutschen Reisepässen entstanden, indem die Stellen, die bisher zur Paßausstellung befugt waren, nur noch Annahmestelle für die Paßanträge und vereinzelt auch Aushändigungsstelle für die Pässe sind. Mehrere Anfragen bisheriger Paßstellen und Landratsämter geben uns Veranlassung, zu dem bisherigen, von den Regierungspräsidenten gegebenen Erlassen Richtlinien herauszugeben. Die auf den bisherigen Paßstellen vorliegenden Fragebogen werden bei der Paßbeantragung auf diesen Stellen nach wie vor ausgefüllt und uns zur Bearbeitung zugesandt. Unsere Stellungnahme oder Paßbefürwortung geht dann der zuständigen Kreispolizeibehörde direkt zu.

 

- 17 -

Der Fall eines uns bekannten jüdischen Akademikers und ehemaligen Stadtdirektors gab uns Veranlassung zu einem Rundschreiben an die Regierungspräsidenten, in dem wir baten, uns bei Anträgen auf Wohnsitzverlegung von Ruhegeldempfängern nach dem Ausland und Weiterzahlung des Ruhegeldes durch staatliche und kommunale Stellen als Gutachter zuzuziehen. Der Antrag des erwähnten ehemaligen Stadtdirektors auf Wohnsitzverlegung nach Palästina war von der zuständigen Stadtverwaltung abschlägig beschieden worden mit der Begründung, daß die Regierung dieses angeordnet habe. Rückfragen ergaben, daß die Ablehnung des Antrages lediglich deshalb erfolgte, weil nach Meinung des Sachbearbeiters eine Einwanderung in Palästina infolge des Krieges unmöglich wäre. Wir erreichten, daß die Angelegenheit neu bearbeitet und unsere Stellungnahme eingeholt wurde, sowie uns künftighin derartige Anträge grundsätzlich zur Stellungnahme vorgelegt werden.

-----

Es besteht Veranlassung, auf folgendes hinzuweisen:
Nach unseren bisherigen Feststellungen sind sämtliche amerikanischen Bürger, die sich in Deutschland aufhalten, durch das zuständige amerikanische Konsulat aufgefordert wurden, diesem ihre Pässe vorzulegen. Hierbei wurden in diese Pässe Eintragungen vorgenommen, wonach der Paß seine Gültigkeit verliert, wenn der Paßinhaber nicht innerhalb einer bestimmten Frist in die Ver. Staaten zurückgekehrt ist. Das letzte hier bekannt gewordene Datum für die Rückkehr ist der 15. März 1940.

Eine amerikanische Bürgerin, die während des Weltkrieges in Deutschland geblieben war, hatte durch gleiche Maßnahmen ihre amerikanische Staatsangehörigkeit verloren, eben weil sie dem Ausreisegebot ihres Konsulates nicht Folge geleistet hatte. Nach dem Weltkrieg hat es jahrelanger Bemühungen bedurft, bis sie die amerikanische Staatsangehörigkeit zurückerlangte. Um sich nicht noch einmal der Gefahr des Verlustes der Staatsangehörigkeit auszusetzen, will sie dieses Mal in die Ver. Staaten zurückkehren. Sie beantragte bei uns die Erstattung eines Kapital-Gutachtens, um die für die Bezahlung der Passage notwendigen Devisen zur Verfügung zu haben.

Diese Feststellungen werden deshalb in diesem Bericht gegeben, um den mit den Paßangelegenheiten betrauten Beamten an einem Beispiel zu zeigen, welch wichtigen Angaben wir auch von Ausländern erhalten können, wodurch uns die Erfüllung der durch die Zeitverhältnisse bedingten besonderen Aufgaben möglich wird.

---

 

- 18 -

Eine im Oktober 1939 durchgeführte statistische Erhebung über die Glaubensjuden im Altreich und Sudetengau hatte das nachstehend mitgeteilte Hauptergebnis:

1. Erfaßt wurden im Altreich einschl. Sudetengau über 185.000 Personen, und zwar über 77.000 Männer und annähernd 108.000 Frauen, im wesentlichen Glaubensjuden. Da, insbesondere in den Großstädten, nicht alle Juden von den Fragebogen erreicht werden konnten, und einschl. nicht dem jüdischen Religionsbekenntnis angehörigen Nichtarier dürfte sich die Gesamtheit der Juden im Sinne der Nürnberger Gesetze auf rund 240.000 belaufen. Die auf Berlin entfallende Zahl dürfte 95.000 betragen.

2. Zu den Bezirken, in denen nach der Stadt Berlin die meisten Juden leben, gehören Köln (Rheinland, Westfalen) und Frankfurt a/Main (Hessen und Hessen-Nassau). Die nächste Gruppe umfaßt Hamburg (Hansestädte, Schleswig-Holstein, Mecklenburg, Hannover und Braunschweig), Breslau (Schlesien), München (Bayern) und Stuttgart (Baden, Württemberg und Pfalz). Die dritte Gruppe wird durch Leipzig (Provinz Sachsen, Thüringen, Sachsen und Sudetengau) gebildet und die geringsten Zahlen weisen schließlich die Bezirke Königsberg (Ostpreußen) und Berlin - ohne Stadt Berlin - (Brandenburg und Pommern) auf.

Die Erhebung hat erwünschtes Material auch für die Frage geliefert, ob und inwieweit es in Betracht kommt, die in zum Teil ganz geringer Zahl zerstreut wohnenden Juden in den Zusammenhang größerer Gemeinden zu bringen. Es wohnen nämlich weniger als 10 % der Gesamtzahl in zusammen 1800 Orten, während über 90 % ihren Wohnsitz in 200 Orten haben.

3. Für die Glaubensjuden dürfte sich der Überschuß der Sterbefälle über die Geburten in diesen Jahren auf etwa 36.000 bis 38.000 belaufen. Ausgewandert sind also in dieser Zeit aus dem Altreich annähernd eine viertel Million Juden. Allein im Jahre 1938 und 1939 dürften nicht weniger als 100.000 Juden Deutschland verlassen haben.

Nach dieser Erhebung ergaben sich für die Rheinprovinz und Westfalen 10.280 männliche und 13.342 weibliche, zusammen also 23.622 Personen. Zahlenmäßig kommt dieser Bezirk sofort hinter Berlin und er macht 12,75 % des Gesamtstandes der Juden im Altreich einschl. Sudetengau aus.

Nach unseren Erfahrungen müssen wir in unserem Betreuungsgebiet noch eine erhebliche Anzahl Personen hinzurechnen, um auf die endgültige Zahl der nach den Nürnberger Gesetzen als Juden zu rechnenden bezw. zu Behandelnden zu kommen. Es   handelt sich hierbei um jüdische Freidenker, getaufte Juden und deutschblütige Frauen, die mit Juden kinderlos verheiratet sind. Es dürften deshalb zu den 23.622 Personen noch einige tausend hinzuzurechnen sein.

Kettniß, Leiter der
Auswandererberatungsstelle.

 

Zahl der Fragesteller nach Zielländern geordnet:

Vereinigte Staaten                 308   (344)*
Chile                                           192   (130)
sonstige Anfragen                     95       (98)
Palästina                                     86     (116)
Brasilien                                       51       (68)  
Belgien                                         50       (42)
Argentinien                                 47       (33)
Niederlande                               41     (143)
Venezuela                                36         (4)
Bolivien                                       20       (20)
Philippinen                                 17         (4)
Mexiko                                       15       (18)
Dominikan. Republik             14         (4)
Shanghai                                     13       (96)
Großbritannien                         13     (856)
Liberia                                         11         (3)
Uruguay                                     11       (15)
Ausland                                    11       (52)
Italien                                         10         (5)
Schweden                                     9       (18)
Panama                                         9         --
Luxemburg                                8       (35)
Paraguay                                     7         (1)
Schweiz                                       5         (13)
Australien                                   5         (35)
Peru                                             5          (5)
Böhmen-Mähren                       4           --
Ungarn                                         4           --
Norwegen                                   3           --
Spanien                                       3         (10)
Siam                                          3           (3)
Angola                                         3           --
Kolumbien                                 3           (5)
Irland                                           2           --
Finnland                                  2           --
Polen                                           2           --
China                                           2           (2)
Südafrikan. Union                     2           (2)
Dänemark                                   1          (9)
Frankreich                                 1         (36)
Portugal                                     1           --
Rumänien                                   1           (1)
Niederländisch Indien           1           --
Südwestafrika                         1           (2)    
                                 Sa.     1.128     (2292)

____________
*) Die eingeklammerten Zahlen beziehen sich auf das Vorvierteljahr.

 

Zahl der beratenen Personen:

Monat             mündlich       schriftlich      zusammen       hiervon Juden    

   Okt.                 219                 101                   320                       293
   Nov.                 288                 163                   451                       409
   Dez.                 162                 167                   329                       287            
                             669                 431                 1100                       989 = 89,9 %

Herkunftsland der Fragesteller:

Rheinprovinz                      862
Westfalen                           232
Stadt Berlin                               1
Oberbayern                           1
Hamburg                                   1
Mittel- u. Südeuropa           2
Nordamerika                          1  
                                          1100

Fragesteller nach der Berufszugehörigkeit:

Handels- und Versicherungsgewerbe         341
Industrie- und Bauwesen                               101
Häusliche Dienstboten                                     32
Freie Berufe                                                         31
Land- und Forstwirtschaft                               27
Gesundheitswesen                                             16
Lohnarbeit wechselnder Art                           10
Gastwirtschaft, Verkehrswesen                       7
Bergbau und Hüttenwesen                               -
Ohne Beruf und Berufsangabe                      535  
                                                                           1100

Baum wird geladen...