Bericht des Ortsbürgermeisters
Ebenfalls am 15. November 1938 übermittelte der Ruppichterother Amtsbürgermeister dem Landrat in Siegburg folgenden Bericht über die Geschehnisse am 10. November 1938:
Der Amtsbürgermeister Schönenberg, den 15. November 1938.
von Ruppichteroth
Tgb. Nr. II.
An
den Landrat des Siegkreises
in Siegburg.
Betrifft: Judenaktion am 10. November 1938.
Verfügung vom telef. Anruf vom 14.11.1938.
Am 10. November 1938 etwa 7,35 Uhr teilte Gend. Meister Laddach fernmündlich mit, dass in der Synagoge in Ruppichteroth ein Brand ausgebrochen sei. Er habe die Feuerwehr alarmiert. Ich habe Laddach die Anweisung für die Feuerwehr, die Wehr habe dafür zu sorgen, dass durch den Brand der Synagoge die Nachbarhäuser unter keinen Umständen in Mitleidenschaft gezogen werden, sodass die Wehr ihr Hauptaugenmerk auf die Nachbargebäude zu legen habe. Kurz darauf rief der Brandmeister Willach Löschzug Ruppichteroth an und habe ich denselben Befehl wiederholt.
Gegen 8,05 Uhr rief Gend. Meister Laddach erneut an und erklärte, es seien einige ihm ungekannte Herrn bei ihm, welche erklärten der SS anzugehören. Sie hätten den Befehl des höheren Polizeiführers West, Obergruppenführer, Polizeirpräsident Weitzel, die Synagoge zu zerstören. Da er die Leute, die in Zivil seien, nicht kenne, habe er ihre Legitimation verlangt. Die Leute hätten ihn darauf angefahren und Laddach habe mit polizeilicher Festnahme gedroht, solange bis sie sich sich legitimierten, da Laddach einen Tarnung
vermutete. Es soll nun eine Auseinandersetzung zwischen Laddach und dem Sturmführer Schlauderer aus Gummersbach stattgefunden haben. Dieserhalb nehme ich Bezug auf den der dortigen Stelle eingereichten Bericht des Gend.Meisters Laddach. Später soll sich der Sturmführer Schlauderer legitimiert haben. Laddach bezweckte mit seinem Anruf, ob der hiesigen Stelle etwas von einem Befehl der Zerstörung der Synagoge bekannt sei. Ich habe Laddach erklärt, dass vom Landratsamt dieserhalb nichts durchgegeben worden sei und der hiesigen Stelle von einem derartigen Befehl nichts bekannt sei. Ich würde sofort den Herrn Landrat dieserhalb anrufen. Er solle den Leuten sagen, sie möchten sich in Ruppichteroth aufhalten und würden, sobald ich Nachricht vom Herrn Landrat hätte, informiert, ebenso Laddach. Daraufhin kam der Sturmführer Schlauderer an den Apparat und erklärte mir, dass er obigen Befehl habe und diesen auszuführen habe. Er sei von den Gendarm daran gehindert worden, der ihn verhaftet habe. Ich habe Schlauderer erklärt, dass er nicht verhaftet sei, er solle sich legitimieren und warten, da ich meine vorgesetzte Dienstbehörde anrufen wolle, um Klarheit zu schaffen. Ich erklärte ihm weiter, dass er, wenn er den Befehl des höheren Polizeiführers West, Obergruppenführer Weitzel, welcher mir nicht bekannt sei, ausführe, ja auch die Verantwortung trage. Gegen 8,15 Uhr habe ich versucht, den Herrn Landrat fernmündlich zu erreichen, was mir nicht gelungen ist. Ich wurde mit Herrn Oberinspektor Meyer zurückverbunden. Herrn Oberinspektor Meyer war von der Aktion nichts bekannt. Er erklärte mir, die Leute sollen vorläufig verhaftet werden. Ich habe Herrn Oberinspektor Meyer erklärt, dass ich die Leute nicht verhaften würde, sondern den Auftrage gegeben hätte, dass dieselben in Ruppichteroth verbleiben sollten, bis ich Nachricht vom Herrn Landrat hätte. Dies wurde etwa 8,25 Uhr Laddach weitergegeben. Etwa 8,50 Uhr hat Herr Oberinspektor Meyer angerufen und mitgeteilt, dass die Aktion von oben angeordnet sei und die Polizei sollte die Leute in Ruhe lassen und sich nicht weiter drum kümmern. Ich habe nun versucht den Gend.Meister Laddach zu erreichen was mir gegen etwa 9,00 Uhr gelang. Laddach befand sich bei den Leuten, die sich im Erholungsheim der Landesversicherungsanstalt in Ruppichteroth aufhielten. Ich habe ihm die Anordnung der vorgesetzten Behörde mitgeteilt. Laddach hat den Leuten diese Anordnung bekannt gegeben. Die Feuerwehr hat zwischenzeitlich den Brand in der Synagoge gelöscht, um die Nachbargebäude nicht zu gefährden. Nunmehr ist die Synagoge von den SS. Männern erneut angezündet worden und habe ich auf Anruf von Hauptbrandmeister Altwicker, diesem den Auftrag gegeben, die Nachbargebäude unter allen Umständen zu schützen, evtl. eine Wasserwand zu ziehen, damit das Feuer nicht überspringen könne.
Die Synagoge gehe uns nichts an und es sei gut, dass dieser Schandfleck verschwinde. Da ich keine Beförderungsmöglichkeit zur Hand hatte, habe ich einen Reisenden mit seinem Auto angehalten. Dieser hat mich nach Ruppichteroth gebracht. An Ort und Stelle habe ich mit dem Sturmführer Schlauderer, der sich in Zivil befand, verhandelt, worüber ich am Schluß berichte. Die Synagoge war im Innern am Ausbrennen, ferner hatte sich das Feuer auf den Dachstuhl ausgedehnt und zwar an Front und linker Seite. Die Rabitzdecke der Synagoge habe ich mittels Brandhacken an verschiedenen Stellen durchstossen lassen, um feststellen zu können, welchen Umfang das Feuer im Dachstuhl hatte. Ferner habe ich aus demselben Grunde auf der rechten Dachstuhlseite von der Feuerwehr teilweise die Dachziegeln entfernen lassen. Das der Synagoge gegenüberliegende Haus des Schneidermeisters Otto, welches durch eine enge Strasse von der Synagoge getrennt liegt, habe ich unter Wasser gehalten. Nachdem ich mich überzeugt hatte, dass die Synagoge, die bis zum Dachstuhl ein Bruchsteinmauerwerk besteht, für ihre Zwecke nicht mehr verwandt werden konnte, habe ich im Einvernehmen mit Sturmführer Schlauderer der Feuerwehr den Befehl erteilt, Wasser in die Synagoge zu geben, um den Weiterbrand zu löschen, zumal der Wind in Richtung Haus Otto lag. Dem Hauptbrandmeister Altwicker, sind alsdann von mir bezgl. der Behandlung des Brandobjektes die erforderlichen Anweisungen gegeben worden. Bei meiner Ankunft habe ich die Brandstelle von Neugierigen wie von den anwesenden Juden räumen lassen. Die Synagoge steht auf dem Eigentum des Juden Gustav Gärtner. Ich habe dem Gärtner an der Brandstelle die mündliche Verfügung gegeben, dass die Synagoge polizeilich geschlossen sei, ein Betreten derselben durch ihn oder andere Personen unter schwerer Strafe stehe. Die Juden haben die Kultgeräte auf Anordnung der SS in das Erholungsheim bringen müssen. Ferner haben dieselben die Brandhacken heranholen müssen und ein Jude hat den Stern Sions, der an der Front des Gebäudes in Stein gemeißelt war, durch Meißel und Hammer entfernen müssen. Sturmführer Schlauderer richtete bei meinem Zusammentreffen mit ihm die Frage an mich, ob er verhaftet sei. Ich habe ihm geantwortet, dass er nicht verhaftet sei, er befinde sich ja vollkommen frei. Ich habe nunmehr dem Sturmführer Schlauderer und einigen SS. Männern erklärt, dass die Häuser, in denen die Juden noch wohnten, vor einigen Wochen durchweg an Arier übergangen seien. Beschädigt wurde kein Haus. Nur ein paar Fensterscheiben an dem Hause Nathan sind durch Steinwurf kaput gegangen, von welcher Seite ist unbekannt. Ferner solle ein Radiogerät bei dem Juden Heß entzwei geschlagen worden sein, weil die junge Frau Hess einen SS.-Mann beloben haben soll, da sie auf eine Frage ob der Apparat noch funktioniere wider besseres Wissen gesagt haben soll, der Apparat sei kaput. Sturmführer Schlauderer erklärte mir, sie wollten nun nach Schönenberg
um das sogenannte Jüdische Übernachtungsheim „Bröltalhaus” in Flammen aufgehen zu lassen. Ich habe Schlauderer darauf hingewiesen, dass an diesem Hause die Partei wie auch die Gemeine ein Interesse habe, da wir hofften, dass dieses in unseren Besitz übergehe und wir dasselbe für Parteizwecke oder HJ. verwenden wollten, er möge daher nichts beschädigen. Schlauderer sagte mir, es ist gut, dass ich Bescheid weiß, es wird nichts beschädigt. Es ist auch nichts beschädigt worden. Nur die Jüdischen Schriften wurden verbrannt. Die in diesem Hause vorhandenen Lebensmittel wurden durch die SS. dem Bürgermeisteramt zugeführt. Ich habe diese sichergestellt. Ein Betrag von 407,- RM wurde ebenfalls seitens der SS. beschlagnahmt. Dieserhalb habe ich dem Sturmführer Schlauderer den Rat gegeben, das Geld auf der Spar- und Darlehnskasse Ruppichteroth in Schönenberg auf ein Sparbuch einzuzahlen und dieses Sparbuch der Polizeiverwaltung abzuliefern, damit man später der SS. nichts nachsagen könne. Dies ist auch geschehen und ist das Sparbuch sichergestellt.
Schlauderer und seine Leute waren über die Auseinandersetzung mit Gend.Meister Laddach erregt. Ich haben ihnen vor Augen geführt, dass der hiesigen Stelle wie auch dem Gend.Meister Laddach nichts von der Aktion bekannt gewesen sei und Laddach somit als Beamter der Ordnungspolizei seine Pflicht getan habe, die ihm durch seine Dienstvorschriften gewiesen sei, zumal die SS. Männer ihm ja vollkommen unbekannt gewesen seien, da sie aus Gummersbach wären.
Der Befehl zur Festnahme der Juden erfolgte am 10.11.1938, 11,50 Uhr vormittags, fernmündlich durch Herrn Reg.Insp. Esser und zwar:
1.) Beschädigungen der Häuser und Geschäfte sind mit Holz zu verkleiden,
2.) Sämtliche männliche Juden im Alter von 18 bis einschließlich 50. Lebensjahr sind zu verhaften.
3.) Nach Verhaftung Gestapo. anrufen und von Verhaftung in Kenntnis setzen, diese ordnet an,
wohin die Juden transportiert werden sollen.
Ausführungsmeldung an Herrn Landrat.
Ich habe sofort den Gend.Meister Laddach beauftragt, die Juden Walter Nathan, Willy Gärtner, Harry Regensburger und Oskar Hess alle in Ruppichteroth zu verhaften und im Polizeigefängnis in Schönenberg einzusperren. Polizeihauptwachtmeister Schmitt erhielt den Auftrag den Juden Georg Simson in Schönenberg zu verhaften. Die Juden waren zum Teil nicht anwesend: Willy Gärtner musste aus einem Steinbruch bei Nümbrecht, wo er in Arbeit stand, durch Laddach geholt werden. Nathan kam von Kassel, traf in Schönenberg ein und wurde von Pol. Hptw. Schmitt verhaftet. Simson wurde von den SS. Männern, die sich im Heim bei ihm befanden, mitgebracht. Nachdem die Juden verhaftet waren, habe ich die Gestapo.
Köln angerufen. Hier wurde mir mitgeteilt, die Juden auf schnellstem Wege der Stapo. vorzuführen. Dieselben wurden mittels Kraftwagen gegen 14,00 Uhr nach Köln und von dort nach Brauweiler weitertransportiert.
Sichergestellt wurde:
1 Opelwagen mit Wäsche pp, welcher dem Nathan gehört, 60 Platten Palmin und Oel,
407,15 RM, welcher Betrag dem Simson, resp. dem Heim gehört.
Hierzu möchte ich bemerken, dass das Sparbuch folgenden Vermerk trägt, welcher von dem Otto Loevenich Ruppichteroth bei Einlage des Betrages angeordnet wurde: „Verfügungsberechtigt Herr Otto Loevenich in Ruppichteroth.” Da die Polizeiverwaltung verfügungsberechtigt ist, habe ich angeordnet, dass dieser Sperrvermerk gelöscht wurde, da Loevenich in dem Gedanken lebte, dass das Geld für die SS. verwandt werden sollte. Da die Ehefrau des Georg Simson vollkommen mittellos ist, werde ich derselben heute einen Betrag von 50,- RM aushändigen, damit die öffentliche Wohlfahrtsfürsorge nicht einzugreifen braucht.
Die Meldung über die Verhaftung und dem Abtransport der 5 Juden habe ich am 10. November 1938 etwa 3,55 Uhr nachmittags Herr Reg. Insp. Esser persönlich überreicht. Von einem fernmündlichen Anruf meinerseits an das Landratsamt am 10.11.1938, nach 11,50 Uhr ist mir nichts bekannt.