Menü
Chronik und Quellen
1944
Oktober 1944

Oktober 1944

Am Morgen des 4. Oktober landeten britische Verbände an der Küste des Peloponnes und befreiten die griechische Hafenstadt Patras. Gut zwei Wochen später wurde am 20. Oktober die jugoslawische Hauptstadt Belgrad von der Roten Armee und jugoslawischen Truppen erobert. Am 13. Oktober mussten die deutschen Truppen auch das lettische Riga räumen und sich nach Kurland zurückziehen. Bereits drei Tage später stießen sowjetische Truppen am 16. auf einer Breite von 140 Kilometern mit dem Ziel Königsberg auf ostpreußisches Gebiet vor. Am 18. Oktober drang die Rote Armee über die Karpaten auch in die Tschechoslowakei ein.

Unter solch bedrohlichen Vorzeichen entschlossen sich immer mehr Deutsche zur Flucht nach Westen, um so der Rache der Sowjets und der Bewohner der zuvor besetzten Gebiete zu entgehen. Was für die ehemaligen deutschen Eroberer und Besatzer zu erwarten stand, hatte sich am 20. Oktober im ostpreußischen Nemmersdorf gezeigt, wo zahlreiche Deutsche durch sowjetische Soldaten ermordet worden waren.

Am 21. Oktober wurde nach mehrtägigen erbitterten Kämpfen Aachen als erste deutsche Großstadt von US-amerikanischen Panzerverbänden erobert. Neben strategischen Vorteilen kam diesem Sieg für die Alliierten ein hoher symbolischer Wert zu, denn damit war eine große Bresche in den angeblich so unüberwindbaren „Westwall“ und damit in die gesamte Reichsverteidigung geschlagen worden.

Anfang Oktober begannen die alliierten Luftstreitkräfte mit der systematischen Bombardierung des Rhein- und Ruhrgebiets als Ballungsraum und „Waffenschmiede“ des Deutschen Reiches. Allein fünf schwere Angriffe mussten zwischen dem 6. und 24. Oktober die Ruhrgebietsstädte Duisburg (14. und 15.10.), Dortmund (6.10. mit 1.015 Toten) und Essen (22. und 22.10.) über sich ergehen lassen, wobei allein auf Essen mehr als 8.000 Tonnen an Bomben abgeworfen wurden. Aber auch andere Städte und Regionen blieben Angriffsziele, wie etwa Hamburg, wo die US-Luftflotte am 25. fast 1.700 Tonnen Bomben auf Treibstofflager warf. Seinen Höhepunkt erreichte der Bombenkrieg in diesem Monat mit zwei Angriffsserien am 14., 15. und 17. sowie 28., 30. und 31. Oktober auch in Köln. Rund 6.000 Flugzeuge erschienen zu diesen Anlässen über der Stadt und brachten geschätzt 2.000 Menschen den Tod. Aber auch kleinere Städte wurden nun immer häufiger zum Ziel der Bomberverbände. Am 18. Oktober 1944 wurde Bonn von seinem weitaus schwersten Angriff des gesamten Krieges getroffen, dem 300 Menschen zum Opfer fielen, während rund 1.000 verletzt und 20.000 obdachlos wurden. Im Rahmen dieser Luftoffensive setzten die Alliierten am 8. Oktober erstmals neuartige „Propagandabomben“ ein, von denen jede 80.000 Zeitungen im Kleinformat enthielt, die auf einem Gebiet von zehn km² verstreut wurden.

Anlässlich des Erntedankfestes wandte sich Landwirtschaftsminister Herbert Backe am 1. Oktober in einer Rundfunkansprache an die Bevölkerung und gab eine Senkung der wöchentlichen Brotration um 200 Gramm auf 2.225 Gramm zum 16. des Monats bekannt. Außerdem wurde die Butterration für vier Wochen kurzerhand von 500 auf 250 Gramm halbiert. Als Ausgleich sollte eine kurzzeitige Erhöhung der Fleischrationen dienen, was aber alles andere als ein gutes Zeichen war, denn das Fleisch stammte von Schweinen und Rindern, die geschlachtet werden mussten, weil schlicht die Futtermittel für deren weitere Zucht fehlten. Diese Engpässe rührten insbesondere daher, dass man im Reichsgebiet nach dem schnellen Vormarsch der Kriegsgegner nicht mehr auf die Nahrungsressourcen der besetzten Gebiete zurückgreifen konnte, sondern allein auf Selbsterzeugnisse angewiesen war. Mehrablieferung der Erzeuger und äußerste Sparsamkeit der Verbraucher, so mahnte der Minister daher, sei „eine Frage der Haltung des Volkes“. Hier sah er offenbar noch Verbesserungspotential, denn er forderte, dass diese Haltung „noch straffer, noch verantwortungsvoller, noch fanatischer“ werden müsse. In diesen Kontext war auch die Aufforderung an sämtliche Haushalte vom 18. Oktober zu sehen, mit Beginn der Winterperiode Gas, Strom und Kohlen zu sparen und den Privatbedarf um mindestens weitere 20 Prozent zu senken. Unterstützt wurde dieser Appell reichsweit durch die in zahllosen Zeitungsannoncen, Flugblätter und Plakaten abgebildete Karikatur des „Kohlenklau“.

Das „Reichskommissariat für Altmaterialverwertung“ erließ ebenfalls am 1. Oktober eine Verordnung, die den Bezug von Papierwaren neu regelte: Die Abgabe von einem Kilogramm Altpapier berechtigte künftig zum Kauf von fünf Bögen Briefpapier mit Umschlägen oder fünf Kilogramm Packpapier. Die zunehmenden Engpässe dominierten auch im weiteren Verlauf des Monats das tägliche Leben. So erließ die „Produktionsstelle für Metallwaren und verwandte Industriezweige“ ein generelles Verbot für die Herstellung von Musikinstrumenten und Schallplatten.

Am 4. Oktober hielt Propagandaminister Joseph Goebbels eine Rede zur aktuellen Kriegslage, die nichts Gutes verhieß. Goebbels erklärte nämlich, dass jedes einzelne deutsche Haus künftig einer „Festung“ zu gleichen habe, wenn es dem Gegner, der bis dahin erst „winzige Bruchstücke deutschen Gebietes“ besetzt halte, zeitweilig gelingen sollte, hier oder dort auf den Boden des Vaterlandes vorzudringen. Und wie immer, bediente sich der NS-Oberpropagandist pathetischer Floskeln: Ein „Wall von Leibern“ werde dem „verhassten Feind“ in einem solchen Fall Einhalt gebieten.

Als Goebbels am 27. Oktober eine weitere, über Rundfunk verbreitete Rede zur militärischen Lage hielt, ließ er die Bevölkerung wissen, dass es zu den Grundsätzen des deutschen Volkes zähle, dem Vaterland „das Blut, die Ruhe und das ganze Sein zu opfern“. Dies seien die Tugenden derer, die den letzten Sieg davontragen würden. – Ob ihm die Mehrheit der Bevölkerung in solchen Ausführungen noch folgte, war wohl mehr als zweifelhaft.

 

Baum wird geladen...