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Chronik und Quellen
1943
Dezember 1943

Dezember 1943

Im Dezember 1943 befanden sich insgesamt 43 Staaten im Kriegszustand mit dem Deutschen Reich, von denen fünf (Irak, Bolivien, Iran, Italien und Kolumbien) im abgelaufenen Jahr dazugekommen waren. Und sie konnten sich, wie die Ereignisse auf den Kriegsschauplätzen zeigten, b ereits zu den Siegern zählen.

So war der gesamte Dezember an der Ostfront wie der Vormonat durch immer neue Vorstöße und Angriffe der Roten Armee geprägt. Am 4. des Monats trat sie westlich von Kritschew zu einem Angriff gegen die 9. deutsche Armee, zwei Tage später zu einer Attacke auf die Nahtstelle zwischen der 1. Panzerarmee und der 8. Armee im großen Dnjepr-Bogen an. Es folgten weitere Offensiven, wie schließlich jene vom 24. Dezember, als an der Straße zwischen Kiew und Schitomir die 4. deutsche Panzerarmee angegriffen und ein Durchbruch auf einer Breite von 30 Kilometern erzielt wurde. Angesichts einer solch deprimierenden Entwicklung entschloss sich Generalfeldmarschall Erich von Manstein am 29. Dezember aus eigener Verantwortung zur Zurücknahme der deutschen Truppen von der Front im Dnjepr-Bogen und zu ihrer Verlegung an die bedrohte Front südwestlich von Kiew. Das alles half jedoch wenig, denn bereits einen Tag später wurden auch die deutschen Linien in der Ukraine auf breiter Front von der Roten Armee durchbrochen.

Bei einem Angriffsversuch auf einen alliierten Geleitzug im Nordmeer wurde am 2. Weihnachtstag mit der „Scharnhorst“ eines der schwersten verbliebenen Schiffe der deutschen Marine versenkt. Mehr als 1.800 Seeleute fanden hierbei den Tod.

Am 22. Dezember wurde auf der Grundlage eines Führerbefehls beim Oberkommando der deutschen Wehrmacht ein NS-Führungsstab eingerichtet, der der politischen Erziehung der Offiziere dienen sollte. Mit dieser Maßnahme sollte eine verstärkte „politisch-weltanschauliche Führung und Erziehung der Truppe“ im Sinne der NS-Ideologie gewährleistet werden, weshalb künftig „NS-Führungsoffiziere“ die bisher für die „wehrgeistige Führung“ zuständigen Wehrmachtsoffiziere ablösten.

Auch der Dezember war von zahlreichen schweren Luftangriffen geprägt. In der Nacht zum 3. Dezember war wieder einmal Berlin das Ziel englischer Bomber, die darauffolgende Nacht Leipzig, wo 1.182 Menschen umkamen. US-amerikanische Flugzeuge griffen am 11. Dezember Emden an und ließen zwei Tage später ihren bis dahin größten Tagesangriff auf Kiel, Bremen und Hamburg folgen. Am 16. Dezember wurde erneut Berlin bombardiert, am 20. Augsburg und Bremen, am 21. Frankfurt am Main, wiederum nur 24 Stunden später der Raum Rheine- Münster- Osnabrück. Selbst Weihnachten wurde nicht mehr ausgespart. In den Nächten zum 24. und zum 30. Dezember wurde wiederum die Reichshauptstadt angegriffen. Eine Attacke der US-Luftwaffe am 30. auf Mannheim und Ludwigshafen beschloss den Luftkrieg für das Jahr 1943.

Am 23. Dezember beauftragte Adolf Hitler Albert Speer mit dem Wiederaufbau der durch Luftangriffe zerstörten deutschen Städte. Speer betonte öffentlichkeitswirksam, dass hierbei der Wohnungsbau im Mittelpunkt stehen würde, während die seitens des NS-Regimes vor Kriegsbeginn favorisierte Errichtung öffentlicher Bauten zurückstehen solle. Allein für das erste Jahr nach dem – natürlich gewonnenen – Krieg war demnach der Bau von bis zu zwei Millionen Wohnungen vorgesehen.

Über dessen Auswirkungen und etwaigen Erfolge gab es sicherlich geteilte Meinungen. Als am 14. Dezember in Berlin die Leiter der Reichspropagandaämter tagten, formulierte deren Vorgesetzter Goebbels seine Sicht der Dinge und betonte, dass durch die fortdauernden schweren alliierten „Terrorangriffe“ die Widerstandskraft der deutschen Bevölkerung nur gestärkt werden könne.

Auch sonst wurden zu öffentlichen Anlässen die allseits bekannten Floskeln bemüht. Als am 5. Dezember in allen Gauen der NSDAP Feierstunden unter dem Motto „Frau und Mutter“ stattfanden, benannte Oberbefehlsleiter Erich Hilgenfeldt im Rahmen der zentralen Reichsfeier in Würzburg die nach seiner Auffassung „zwei Formen letzter Einsatzbereitschaft“, nämlich „Soldatentum und Mutterschaft“.

Während solche Propagandaaktionen kaum noch auf öffentliches Interesse stießen, machten sich immer neue Engpässe sehr viel realer bemerkbar. Am 10. Dezember wurde etwa bekanntgegeben, dass zwischen dem 15. Dezember und dem 3. Januar 1944 jeder private Reiseverkehr untersagt sei, sofern es keine kriegswichtigen Gründe gebe – gerade zu den Feiertagen für viele eine sicherlich sehr betrübliche Einschränkung. Wegen der Lederknappheit wurde am 20. Dezember nun auch die Herstellung von Schuhen im Reichsgebiet neu geregelt. Dabei musste allerdings auch festgestellt werden, dass sich die Herstellung von Schuhen aus Ersatzmaterialien wie Schilf und Stroh bis dahin nicht bewährt hatten. Und selbst das Weihnachtsfest wurde in den Dienst der Ressourcenschonung gestellt: Das deutsche „Ernährungshilfswerk“ forderte nämlich am 1. Weihnachtstag dazu auf, sämtliche Küchenabfälle und Speisereste abzuliefern.

An Heiligabend wandte sich auch Propagandaminister Goebbels mit einer Ansprache zum „deutschesten unter den deutschen Festen“ an die Bevölkerung. Weihnachten, so leitete er seine Ansprache ein, sei für Millionen Menschen zwischenzeitlich zum „Fest der Getrennten“ geworden, wobei das deutsche Volk unter den Bedingungen des Krieges „hart und unsentimental“ geworden sei. Im Mittelpunkt allen Wollens, Denkens und Fühlens müsse aber der deutsche Sieg stehen. „Wer fragt angesichts eines solchen Zieles nach den manchmal mehr als bescheidenen Umständen, unter denen wir in diesem Jahr das Weihnachtsfest begehen müssen?“ In gewohnt pathetischer Form fuhr er fort: „Der feste Glaube an den kommenden Sieg ist die Waffe unserer Herzen, die niemals wanken. Leid hat unsere Kraft gestählt und Schmerz und Sorge unser nationales Schicksal geadelt.“

Auch Adolf Hitler präsentierte in seinem alljährlichen Aufruf zum Jahreswechsel wieder die bekannten Durchhalteparolen und versuchte dabei, Siegeszuversicht zu verbreiten: „Im Übrigen wird die Stunde der Vergeltung kommen“, teilte er mit und drohte an, die NS-Führung sei entschlossen, „diesen Kampf mit dem äußersten Fanatismus und bis zur letzten Konsequenz zu führen“. Die Menschen hingegen sehnten sich immer stärker nach Frieden, ohne dabei den Krieg allerdings bereits verloren zu geben. Man hoffte allgemein weiterhin auf einen deutschen Sieg, der das Ergebnis eines „Kompromissfriedens“ sein könnte – eine Vorstellung, die Hitler rigoros ablehnte.

Dabei wird vielen wohl nach und nach zu Bewusstsein gekommen sein, was nach einem verlorenen Krieg drohen könnte. Ein Exempel wurde in dieser Hinsicht am 19. Dezember im sowjetischen Charkow statuiert, wo man drei tags zuvor zum Tode verurteilte Deutsche, denen Massentötungen an russischen Zivilisten zur Last gelegt wurden, vor 40.000 Zuschauern öffentlich hinrichtete. Deren Entlastungsversuch, sie hätten auf Befehl gehandelt, erfuhr dabei keine Berücksichtigung. Die sowjetische Presse machte den Vorfall groß auf und betonte, dass jeder Deutsche, dem ein Kriegsverbrechen nachgewiesen würde, eine entsprechende Bestrafung zu erwarten habe. Bei den Westalliierten, die angesichts der aufgedeckten Verbrechen erschüttert waren, stieß das Verfahren auf große Aufmerksamkeit, während die Vorwürfe in Berlin als unbegründet abgetan und zur Vergeltung ähnliche Gerichtsverfahren gegen alliierte Kriegsgefangene angedroht wurden.

 

Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung

Am 18. Dezember ordnete das Reichssicherheitshauptamt an, dass jüdische Ehepartner aus nicht mehr bestehenden Mischehen, die bislang vom Tragen des „Judensterns“ befreit gewesen waren, ebenso wie „Geltungsjuden“ nach Theresienstadt deportiert werden sollten.

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