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Chronik und Quellen
1942
März 1942

Benutzung der Verkehrsmittel

Am 24. März 1942 teilt das Reichsinnenministerium per Schnellbrief Folgendes mit:

Der Reichsminister des Innern                           Berlin, den 24. März 1942
Pol. S IV B 4 b (940/41-6-) 1155/41-33-

Schnellbrief!

Betrifft: Benutzung der Verkehrsmittel durch Juden.

Bezug: Hiesige Runderlasse vom 15.9.1941 und 16.2.1942 -
            Pol.S. IV B 4 b - Nr. 940/41 -6-

Mit Rücksicht darauf, daß die Klagen über Unzuträglichkeiten bei der Benutzung örtlicher Verkehrsmittel (Straßenbahn, Untergrundbahn, Autobus, in Berlin auch S-Bahn usw.) durch Juden in steigendem Maße überhand nehmen, werden im Einvernehmen mit dem Reichsverkehrsminister und dem Reichspostminister unter insoweitiger Abänderung der bisherigen, insbesondere im obenbezeichneten Runderlaß, betreffend Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden, vom 15. September 1941 - Pol.S. IV B 4 b - Nr. 940/41 -6- getroffenen Regelung über die Benutzung von Verkehrsmitteln durch Juden innerhalb der Wohngemeinde folgende neuen Verkehrsbeschränkungen zur Beachtung bekanntgegeben:

1. Juden, die nach der Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden vom 1.9.1941 (RGBl. I S. 547) und den dazu ergangenen hiesigen Runderlassen vom 15.9.1941 und 16.2.1942 - Pol.S. IV B 4 b - Nr. 940/41 - 6 - zum Tragen des Judensterns verpflichtet sind, müssen in allen Fällen bei Fahrten innerhalb der Wohngemeinde eine polizeiliche Erlaubnisbescheinigung für die Benutzung des Verkehrsmittels nach anliegendem, neuen Muster B in verkleinerter Form bei sich führen. In besonderen Fällen, z. B. beim geschlossenen Arbeitseinsatz, kann einen Sammelerlaubnis erteilt werden.

2. Die bisherige ausschließliche Zuständigkeit der Ortspolizeibehörden für die Ausstellung dieser Erlaubnisbescheinigungen bleibt bestehen.

3. Erlaubniserteilungen kommen nur in Betracht:
a) beim Arbeitseinsatz (einschließlich der Beschäftigung bei den amtlich anerkannten jüdischen
   Organisationen), soweit durch eine amtliche Bescheinigung des zuständigen Arbeitsamtes eine
   Wegstrecke zur Arbeitsstätte (ohne Rückweg) von mindestens einer Stunde oder 7 km von seiten
   des Juden nachgewiesen wird (bei nachgewiesenermaßen ständig Kranken oder Gebrechlichen
   sowie Kriegsbeschädigten genügt eine entsprechend kürzere Wegstrecke),
b) an Schulkinder, wenn eine Wegstrecke zur Schule (ohne Rückweg) von mindestens einer Stunde
   oder 5 km durch Vorlage einer amtlichen Bescheinigung der zuständigen Schulaufsichtsbehörde
   unter Beweis gestellt wird (bei nachgewiesenermaßen ständig Kranken oder Gebrechlichen
   genügt eine entsprechend kürzere Strecke), und

c) an jüdische Rechtskonsulenten, Krankenbehandler und Hebammen, die ihre amtliche Bestallung
   oder Zulassung vorlegen.

4. In der Regel ist nur ein bestimmtes Verkehrsmittel (z. B. Straßenbahn) zur Benutzung freizugeben.

5. Die Erlaubnisbescheinigungen für die öffentlichen Verkehrsmittel sind zwecks Arbeits- und Papiereinsparung regelmäßig mit einer Gültigkeitsdauer von 1 Jahr auszustellen, soweit es sich nicht um die Genehmigung bestimmter einzelner Fahrten handelt. Nach Ablauf dieser Frist ist bei Vorliegen der Voraussetzungen auf Antrag eine neue Erlaubnisbescheinigung auszustellen, wobei von seiten des Juden die letzte Erlaubnisbescheinigung zurückzugeben ist. Die Juden sind darüber hinaus beim Wegfall der Voraussetzungen die zur Erlaubniserteilung geführt haben, ganz allgemein zur Rückgabe der Karte verpflichtet.

6. Die notwendige Anzahl von Erlaubnisbescheinigungen nach dem anliegenden Muster B ist spätestens bis zum 10.4.1942 von den Mittelbehörden der allgemeinen inneren Verwaltung beim Reichssicherheitshauptamt, Referat IV B 4, Berlin SW 11, Prinz Albrecht-Str. 8, anzufordern.

7. Verstöße gegen diese Anordnung sind durch die zuständigen Staatspolizei(leit)stellen mit Schutzhaft zu ahnden.

8. Diese Regelung tritt mit dem 1. Mai 1942 in Kraft. Entgegenstehende örtliche Regelungen gelten hiermit als aufgehoben.

9. Die evtl. Herausgabe einer näheren Regelung durch den Reichsverkehrsminister oder Reichspostminister bleibt vorbehalten.

10. Im übrigen bleiben die bisherigen Verbote, Einschränkungen, Vorschriften und Ausführungsbestimmungen gültig.

Die obigen Verkehrsbestimmungen sind den jüdischen Organisationen in den Reichsgauen Wien, Kärnten, Niederdonau, Oberdonau, Salzburg, Steiermark, Tirol und Vorarlberg, in den eingegliederten Ostgebieten (Danzig-Westpreußen, Wartheland, Ost-Oberschlesien, Süd-Ostpreußen mit Zichenau und Bezirk Bialystok) durch die zuständigen Staatspolizei(leit)stellen zur unbedingten Beachtung von seiten der Juden gekanntzugeben.

Zusatz für die Preußischen Regierungspräsidenten, pp.:

Ich ersuche um Bekanntgabe dieses Runderlasses an die untergeordneten Behörden, insbesondere an die Ortspolizeibehörden.

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