Überfälle auf Juden
Die Jüdische Zentralstelle Stuttgart protokolliert am 22. Dezember 1938 Überfälle auf Juden in Bad Mergentheim:
I
In der Nacht vom 15. auf [den] 16. Dezember 1938 ist ein Lärm vor dem Hause des Gustav Oppenheimer in Bad Mergentheim entstanden. Der Hauseigentümer, der Arier ist, wurde aufgefordert, die Haustür zu öffnen, widrigenfalls man sich gewaltsam Eintritt verschaffen würde. Es sind dann 2 Leute in das Haus und in die Wohnung des Gustav Oppenheimer eingedrungen. Sie haben in allen Zimmern nach ihm gesehen, ihn aber nicht gefunden. Frau Lina Oppenheimer erklärte auf Befragen, dass ihr Mann nicht im Hause sei. Es wurde ihr gesagt: „Wenn er darin ist, ist der Judenmensch erledigt.“ Auch wurden ihr und ihrem Kind einige Ohrfeigen verabreicht.
Oppenheimer fühlt sich nun seither nicht mehr sicher in Mergentheim; er hält sich deshalb zunächst nicht mehr dort auf.
Es wird gewünscht, dass die Namen der Täter nicht genannt werden, weil sonst deren Rache befürchtet wird.
II
In derselben Nacht sind dann Leute auch in die Wohnung des Hirsch Westheimer eingedrungen. Westheimer selbst ist zur Zeit in einem auswärtigen Krankenhaus. Man suchte wohl nicht ihn, sondern Isi Westheimer, der sich aber damals noch im Konzentrationslager Dachau befand.
III
Die Eheleute Oppenheimer hatten vor etwa 3 Wochen Möbel für den Betrag von 28 RM verkauft. Sofort hernach wurde Frau Oppenheimer auf die Kreisleitung bestellt und musste das Geld wieder zurückbringen, weil der Verkauf nicht gutgeheissen wurde. Sie erklärte, dass sie den Betrag zur Bezahlung von Mietschulden benötige; hierauf wurde ihr gesagt, dass sie ja diese Mietschuld evtl. mit einem Möbelstück bezahlen könne, dass sie aber zuvor nochmals dorthin (zur Kreisleitung) kommen müsse.
Die vorstehende Schilderung erstatten wir auf Grund schriftlicher Mitteilungen und persönlicher Darlegungen.