Übernahme der Schulkosten?
Das Reichserziehungsministerium initiiert am 1. Dezember 1938 eine Diskussion darüber, wie die Kosten für separate jüdische Schulen der Reichsvertretung aufgebürdet werden können:
Über die Regelung des Schulwesens für die Juden ist heute unter Vorsitz des Herrn Ministerialdirektor Dr. Holfelder mit Vertretern des Stellvertreters des Führers, des Preuß. Ministerpräsidenten, des Reichsministers des Innern, des Auswärtigen Amts und der Geheimen Staatspolizei eingehend verhandelt worden. Das Ergebnis der Besprechung läßt sich etwa folgendermaßen zusammenfassen:
1. Öffentliche jüdische Schulen dürfen nicht mehr bestehen. Es kann in Zukunft der öffentlichen Hand nicht mehr zugemutet werden, Judenschulen zu unterhalten. Soweit Synagogen Träger von Judenschulen waren, haben die Synagogen das Öffentlichkeitsrecht auf Grund des Gesetzes über die Rechtsstellung der jüdischen Kultusverbände verloren.
2. Die Schulpflicht für Juden soll bestehen bleiben, Analphabeten sind stets eine Gefahr für eine Gemeinschaft. Dazu kommt, daß der Auswanderung von Analphabeten Schwierigkeiten bereitet werden.
3. Von der Schulpflicht zu unterscheiden ist die Beschulungspflicht. Eine Beschulungspflicht für Juden besteht rechtlich nicht. Trotzdem wird der Staat aus politischen Gründen dafür sorgen, daß die jüdischen Kinder beschult werden.
4. Die Beschulungspflicht soll einer zu errichtenden Reichsvereinigung der Juden übertragen werden. In dieser Reichsvereinigung werden voraussichtlich sämtliche jüdischen Organisationen irgendwelcher Art zusammengefaßt werden. Diese Reichsvereinigung wird Beiträge erheben können, um die ihr obliegenden Aufgaben zu erfüllen. Bei diesen Aufgaben stehen an der Spitze die Auswanderung und die Fürsorge für die in Deutschland verbleibenden Juden. Das Judentum in Deutschland ist ganz besonders stark überaltert. 65 % der Juden sollen über 50 Jahre alt sein, die Auswanderung wird daher im wesentlichen für jüngere Juden in Frage kommen. Unter dem Sammelbegriff „Auswanderung“ werden auch die Ausgaben gebracht werden können, die für das jüdische Schulwesen erforderlich werden.
5. Im Rahmen der Reichsvereinigung werden auch die vielen jüdischen Stiftungen, deren Kapital sich im Rahmen des Erziehungsministeriums auf etwa 4 Millionen RM beläuft, eingebracht werden. Sie werden zu einer einzigen Stiftung zusammenzufassen sein, die Zinsen werden für Zwecke der Reichsvereinigung verbraucht werden können.
6. Die beamteten jüdischen Lehrer werden zur Ruhe gesetzt. Das Ruhegehalt wird der letzte Besoldungsträger, bei Volksschulen also die Landesschulkasse zu zahlen haben.
7. Die ausländischen Juden sind grundsätzlich wie inländische Juden zu behandeln. Der Vertreter des Auswärtigen Amtes wies darauf hin, daß wir im Interesse des Auslands bisher einen Unterschied gemacht hätten, daß dieser Unterschied aber in Zukunft wegfallen müsse. Das Ausland werde Verständnis für die deutsche Maßnahme aufbringen müssen. Wenn es das nicht tue, so könne das Geschrei des Auslandes bei der Durchführung der Maßnahme auch nicht größer werden, als es zur Zeit schon sei. Es sei deshalb besser, jetzt gleich ganze Arbeit zu leisten, als diese Maßnahme in Etappen durchzuführen. Ministerialdirektor Dr. Flolfelder fügte dem bei, daß es den ausländischen Juden im allgemeinen kaum zugemutet werden könne, dauernden Anfeindungen von deutschen Schülern ausgesetzt zu sein, wenn sie eine deutsche Schule besuchen.
8. Es bestehen zur Zeit 18 jüdische höhere Schulen. Ob diese Zahl auch in Zukunft erforderlich sein wird, wird im einzelnen noch beraten werden müssen. Die bestehenden Schulen werden jedenfalls nur im Rahmen und in der Trägerschaft der kommenden Reichsvereinigung der Juden aufrechterhalten werden können.
9. Bei der Berufsschule wird eine Beschulungspflicht des Staates oder der Gemeinden oder anderer öffentlich rechtlicher Träger gleichfalls nicht anerkannt; Juden werden daher von Schulträgern zur Berufsschule nicht herangezogen werden. Wieweit die Reichsvereinigung Berufsschulen errichtet, mag sie selber prüfen. Ein Bedürfnis wird, wenn überhaupt, nur für ungelernte Arbeiter bestehen, da nach dem kommenden Berufsausbildungsgesetz ein Jude nicht Lehrling sein kann.
10. Auf dem Gebiete der Lehrerbildung bestehen zur Zeit 2 Anstalten - in Berlin und in Würzburg. Die Frage ihres Weiterbestehens ist von minderer Wichtigkeit, die Verhältnisse werden abgewartet werden können. Man wird vielleicht dazu kommen, die beiden Schulen, die aus jüdisch-religiösen Gründen getrennt bestanden haben, zusammenzulegen, vielleicht wird man auch in Zukunft nur Schulungskurse für Juden zulassen, da die vorhandenen Juden auf Jahre hinaus das Unterrichtsbedürfnis jüdischer Schüler decken werden.
11. Schulische Veranstaltungen berufsbildender Art werden nur im Rahmen der Reichsvereinigung der Juden zugestanden werden können. Die Durchführung solcher Kurse wird nicht unerheblich davon abhängen, ob die Reichsvereinigung Mittel für diese Zwecke übrigbehält.
12. Es besteht keine Möglichkeit, einen Teil der von den Juden aufzubringenden Milliarde Kontribution (vgl. Verordnung über Sühneleistung der Juden deutscher Staatsangehörigkeit vom 12.11.38 - RGBl. I S. 1579) für Zwecke des jüdischen Schulwesens abzuziehen. Nach Angaben von Herrn Ministerialrat Richter ist diese 1 Milliarde durch die Anforderungen fast aller Fachminister und anderer Stellen bereits mehrfach „überzeichnet“.