Ausschaltung von Juden aus der Wirtschaft
In einem Schnellbrief des Reichswirtschaftsministers über die Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben heißt es am 18. November 1938:
Betrifft: Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem Deutschen Wirtschaftsleben. Vom 12. November 1938. (RGBl. I, S. 1580).
I.1.) Durch die Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben vom 12. November 1938 scheiden die Juden vom 1. Januar 1939 ab als Unternehmer aus dem Einzelhandel, dem Handwerk und dem Marktverkehr endgültig aus. Soweit jüdische Einzelhandelsgeschäfte und Handwerksbetriebe infolge der Ereignisse am 8., 9. und 10. November geschlossen worden sind, sollen sie als jüdische Gewerbebetriebe grundsätzlich nicht wieder eröffnet werden. Ich ersuche dies schon aus polizeilichen Gründen zur Verhütung weiterer Ausschreitungen zu verhindern. Eine Wiedereröffnung soll nur erfolgen, wenn die Überführung in nichtjüdische Hand gesichert ist. Eine solche Überführung soll mit Rücksicht auf die im Einzelhandel stehende Übersetzung unter verschärfter Anwendung des Runderlasses vom 5. Juli 1938 - III. Jd. 2818/38 - nur ausnahmsweise genehmigt werden, wenn die Weiterführung des Geschäfts aus allgemeinen volkswirtschaftlichen Gründen, insbesondere mit Rücksicht auf die Versorgung der Bevölkerung, erwünscht erscheint.
In allen Fällen ist jedoch darauf hinzuwirken, daß der jüdische Geschäftsinhaber seinen Betrieb ordnungsmäßig abwickelt, seine Verpflichtungen, insbesondere gegenüber der Gefolgschaft, erfüllt und etwaige Schäden beseitigen läßt. Eine Einsetzung von kommissarischen Verwaltern kommt regelmäßig nicht in Frage. Stößt die Verwertung vorhandener Warenläger auf Schwierigkeiten, so ist sofort die von mir mit Weisung versehene Wirtschaftsgruppe Einzelhandel zur Behebung der Schwierigkeiten heranzuziehen.
2.) Auch jüdische Gaststätten ersuche ich in gleicher Weise geschlossen zu halten.
3.) Die Genehmigungsverfahren auf Grund der Anordnung des Beauftragten für den Vierjahresplan vom 26. August 1938 - RGB1.I, S. 415 - und des Einzelhandelsschutzgesetzes sind bei den Gewerbebetrieben, die von dem Verbot des § 1 der Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben betroffen werden, mit allen Mitteln zu beschleunigen.
Dabei ist in allen Fällen zunächst die Vorfrage zu prüfen, ob überhaupt ein volkswirtschaftliches Interesse für die Aufrechterhaltung des fraglichen Betriebes unter nichtjüdischer Leitung besteht. Wird diese Frage verneint, so ist die Ablehnung ohne weitere Prüfung der Person des Erwerbers zu verfügen.
Zur Beschleunigung des Geschäftsverkehrs ersuche ich weiter, die Genehmigungsanträge mit den anzuhörenden Stellen in gemeinsamen Besprechungen zu erörtern, und zeitraubenden Schriftverkehr möglichst einzuschränken.
Die bisherigen materiellen Grundsätze für die Beurteilung der Genehmigungsverträge bleiben im übrigen aufrechterhalten. Es ist jedoch allgemein darauf zu achten, daß jüdisch klingende Firmenbezeichnungen verschwinden, wenn nicht in Ausnahmefällen besondere Exportinteressen die Weiterführung der früheren Firma mit einem Nachfolgezusatz für eine Übergangszeit rechtfertigen.
4.) Die Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben vom 12. November 1938 umfaßt, wie aus der Fassung des § 1 klar hervorgeht, alle Juden, auch soweit sie eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzen. Bei auffretenden Schwierigkeiten ist mir zu berichten. Insbesondere ist mir vor Schließung von Betrieben in allen Fällen zu berichten, bei denen es sich um Staatsangehörige der U.S.A., des britischen Reiches oder Frankreichs handelt.
II. Jüdische Großhandels- und Fabrikationsbetriebe werden durch die Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben vom 12. November 1938 vorläufig nicht betroffen. Bei der Durchführung der laufenden Entjudungsgeschäfte ist sorgfältig darauf zu achten, daß deutsche Exportinteressen, soweit irgend möglich, berücksichtigt werden. Ist bei solchen Großhandels- und Fabrikationsbetrieben, deren Erhaltung im allgemeinen volkswirtschaftlichen Interesse liegt, die ordnungsgemäße Geschäftsführung durch den jüdischen Geschäftsinhaber nicht mehr möglich, so ersuche ich daraufhinzuwirken, daß ein fachlich geeignetes Mitglied der Gefolgschaft des Unternehmens durch den Juden zur Weiterführung der Geschäfte und zur Einleitung erforderlich werdender Verhandlungen zur Überführung in nichtjüdischen Besitz bevollmächtigt wird. Ich behalte mir etwaige weitere Anordnungen wegen Einsetzung besonderer bevollmächtigter Verwalter in Ausnahmefällen vor.
Ich ersuche, die für die Genehmigung nach der Anordnung vom 26. April 1938 und nach dem Gesetz zum Schutz des Einzelhandels zuständigen Behörden entsprechend zu unterrichten.