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Chronik und Quellen
1938
November 1938

Massenschließung jüdischer Geschäfte

Der „Berliner Lokal-Anzeiger“ berichtet am 16. November 1938 über die Schließung jüdischer Geschäfte und deren Ausgrenzung aus Baugenossenschaften:

Zwei Drittel der bisher jüdischen Geschäfte verschwinden

Obwohl in den letzten Jahren im Zuge der Arisierung ein großer Teil der jüdischen Positionen in der deutschen Wirtschaft bereits in arische Hände übergegangen ist, bleibt der Sektor, der heute noch als jüdisch bezeichnet werden muß, immer noch recht erheblich. Auf 8 Milliarden RM wird das jüdische Reinvermögen im Deutschen Reich auf Grund der vorläufigen Ergebnisse der im April d. J. angeordneten Inventarisierung des jüdischen Vermögens geschätzt. Natürlich ist das nur zu einem Teil Geschäftsvermögen, immerhin gibt diese Zahl doch einen ungefähren Begriff von der Größenordnung des jüdischen Anteils an der deutschen Wirtschaft.

Die am Sonnabend erlassene Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben strebt nun eine möglichst rasche Liquidierung dieser Reststellungen an, wobei aber Schädigungen der deutschen Gesamtwirtschaft vermieden werden sollen. Eine ordnungsmäßige Ueberführung der jüdischen Geschäfte in deutsche Hände ist also eine dringende Notwendigkeit. Den Juden liegt die ordnungsmäßige Abwicklung ihrer Geschäfte ob. Als vordringlich wird die Arisierung derjenigen Geschäfte angestrebt, in denen die Juden unmittelbar mit der breiten Masse der Verbraucherschaft Berührung haben, nämlich die jüdischen Betriebe des Einzelhandels und des Handwerks. Wenn es in der Verordnung heißt, daß der Betrieb von Einzelhandelsverkaufsstellen, Versandgeschäften usw. den Juden ab 1.1.1939 untersagt ist, so ist das so zu verstehen, daß die Geschäfte bis Ende dieses Jahres nicht fortgeführt, sondern lediglich abgewickelt werden sollen. Störungen des Marktes und der Wirtschaft sind dabei zu vermeiden. Ferner ist nicht daran gedacht, alle jüdischen Geschäfte in arischer Hand weiterbestehen zu lassen. Vielmehr ist damit zu rechnen, daß rund zwei Drittel der Geschäfte überhaupt nicht wieder aufgemacht werden und lediglich ein Drittel aufrechterhalten wird. Die Errichtung besonderer jüdischer Geschäfte für Juden kommt nicht in Frage. Die Juden werden ihren Bedarf beim deutschen Kaufmann decken müssen.

Zum § 3 der Verordnung über die Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben, welcher besagt, daß ein Jude nicht Mitglied einer Genossenschaft sein kann und jüdische Mitglieder von Genossenschaften zum 31.12.38 aus der Genossenschaft aus-scheiden, wird mitgeteilt, daß damit insbesondere der Zweck verfolgt wird, die Juden aus den Baugenossenschaften auszuschalten, durch deren Mitgliedschaft den Juden bisher ein Rechtsanspruch auf Wohngemeinschaft mit nichtjüdischen Menschen gegeben war. Den in Genossenschaftsbauten wohnenden Juden wird also nunmehr auch gekündigt werden können. Die Frage, wo die gekündigten Juden hinziehen sollen, ist noch ungeklärt, doch ist z. B. etwa an Zwangseinquartierung in jüdische Villen gedacht.

Was die Aufbringung der Kontributionszahlungen anlangt, so ist die Form der Aufbringung heute noch nicht geklärt. Es ist vielleicht an die Erhebung von Sondersteuern bzw. Sonderzuschlägen oder eine Vermögensabgabe gedacht, doch wird diese Frage erst in der nächsten Woche durch das Reichsfinanzministerium entschieden werden.

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