Druck auf jüdische Mieter
Am 15. November 1938 veröffentlicht die Norddeutsche Hausbesitzer-Zeitung einen Artikel, in dem die Forderung aufgestellt wird, jüdischen Mietern zu kündigen:
Hausgemeinschaft wird gefährdet, wenn Jude im Hause wohnt
Die Norddeutsche Hausbesitzer-Zeitung hat in letzter Zeit wiederholt Gerichtsurteilen Raum gegeben, wenn es sich um Klagen von Hauseigentümern gegen jüdische Mieter handelte. Verwiesen sei auf die entsprechenden Ausführungen in den Ausgaben Nr. 12,15 und 18/1938.
Am 20. Oktober d.J. hat das Amtsgericht in Neumünster (Akt.-Z. 4 C, 848/38) der Räumungsklage einer Hauseigentümerin gegen einen jüdischen Mieter stattgegeben. Dem beklagten Juden wird eine Räumungsfrist bis zum 15. Januar 1939 bewilligt. Die Gerichtskosten trägt die Klägerin. Ferner hat die Klägerin dem beklagten Juden die Umzugskosten innerhalb Neumünsters bis zum Höchstbetrage von RM 30,- zu ersetzen, weil die wirtschaftliche Lage der Hauseigentümerin günstiger sei als die des Beklagten. Der Beklagte ist Volljude. Das Gericht sagt in seinen Entscheidungsgründen u. a.:
Die Klage ist, soweit sie auf § 4 MSchG gestützt wird, begründet, da die Klägerin nach Sachlage ein so dringendes Interesse an der Erlangung des Mietraumes hat, daß auch bei Berücksichtigung der Verhältnisse des Mieters die Vorenthaltung eine schwere Unbilligkeit für die Klägerin darstellen würde. Ein dringendes Interesse gemäß § 4 MSchG, besteht nicht nur bei eigenem Bedarf, sondern auch bei Vorliegen anderer Gründe. Solche Gründe sind hier gegeben. Die reinliche Scheidung, die sich zwischen dem deutschen Volke und allen rassefremden Elementen auf allen Gebieten vollzogen hat, ist mit der wachsenden Aufklärung in der Judenfrage bis in die kleinste Zelle der Volksgemeinschaft eingedrungen. Der reinlichen Scheidung im großen mußte notwendig diese Scheidung auch in jeder kleinen Zelle des völkischen Zusammenlebens folgen. Auch die Hausgemeinschaft der in einem Hause zusammen wohnenden Volksgenossen stellt eine solche Zelle dar. Es ist Pflicht eines jeden Vermieters, dafür Sorge zu tragen, daß die Hausgemeinschaft zwischen den Hausbewohnern nicht durch irgendwelche Umstände, die zu beseitigen sind, gefährdet wird. Gefährdet wird die Hausgemeinschaft aber zweifellos, solange in dem Hause ein Jude wohnt. Jeder verantwortungsbewußte Volksgenosse wird es ablehnen, auf die Dauer mit einem Juden unter einem Dach zu wohnen. Er wird den unbedingten Wunsch haben, entweder mit deutschen Volksgenossen zusammen zu wohnen, oder aber sich eine andere Wohnung zu suchen. Daß dieser Wunsch bei jedem verantwortungsbewußten und rassebewußten Volksgenossen besteht, kann einem Zweifel nicht unterliegen. Im vorliegenden Falle insbesondere deshalb nicht, weil zu den neun Mietparteien des Hauses auch mehrere Parteigenossen gehören und ferner kürzlich ein Beamter in das Haus eingezogen ist, der zweifellos nicht eingezogen wäre, wenn er damit rechnen müßte, daß das Zusammenwohnen mit einem Juden ein Dauerzustand bleibt. Es ist Pflicht des Vermieters, diesen berechtigten Wünschen seiner Mieter nachzukommen und dadurch die Grundlage zu einem gedeihlichen Zusammenleben zwischen den Hausgenossen zu schaffen. Um diesem Verlangen nachkommen zu können, hat der Vermieter aber ein dringendes Interesse an der Erlangung und anderweitigen Vermietung der von dem Beklagten gemieteten Wohnung. Hinzu kommt aber weiterhin ein dringendes wirtschaftliches Interesse des Vermieters an der Erlangung der Wohnung. Die Klägerin muß damit rechnen, daß ihre übrigen Mieter, besonders die Parteigenossen, sich nach einer anderen Wohnung umsehen werden, wenn sie damit rechnen müssen, daß auf die Dauer ein Jude im Hause wohnen wird, und es wird der Klägerin auch schwer fallen, passende Ersatzmieter zu finden. Die Klägerin hat also, wenn sie den Beklagten weiter im Hause duldet, erhebliche Scherereien mit ihren Mietern und evtl. Schwierigkeiten beim Vermieten ihrer Wohnungen zu befürchten.