Brief aus Düsseldorf nach New York
Das Ehepaar Malsch aus Düsseldorf schreibt am 24. August 1938 an Sohn Willy in New York über Auswanderungsbemühungen und ein drohendes Berufsverbot:
Mein geliebter Willy!
Gestern schrieben wir Dir mit der Europa einen Brief, und heute morgen kam Dein 1. Brief mit der Normandie an, den wir Dir sofort mit einer Karte mit der Deutschland bestätigten. Heute sandten wir Dir auch durch Drucksache die gewünschten Umschläge + Geschäftsbogen. Ich überlege mir nun den ganzen Tag, wie wir bald zu Dir kommen können, es muß unbedingt noch etwas geschehen, im großen ganzen gehst Du eigentlich sehr wenig auf alle unsere Fragen ein, obschon wir bestimmt überzeugt sind, daß Du in unserer Sache viel unternimmst. Wir wissen nicht, was nach dem 30. September werden soll. Schreibe also auch umgehend an Franklin. Korns müssen am 23. Sept. in St. sein. Was haben Füller denn jetzt für Bedenken? Was sagten sie denn eigentlich zu unserem Brief? Du hast doch sicher mit ihnen darüber gesprochen. Lieb’ Männele, tue mir einen Gefallen und schreibe uns deutlicher, das Ungewisse macht einen ganz krank. Was sagt Onkel denn zu alledem? Der 1. Papa meinte, Stuttgart würde an Onkel dort antworten, weil er auch geschrieben hätte, es kann aber bestimmt noch lange dauern, denn in St. ist nichts eilig, nur uns eilt es sehr. Man ist manchmal ganz kopflos. Ich hoffe, Du verstehst mich nicht falsch und kannst Dich in unsere jetzige Lage versetzen. Auf jeden Fall gib uns gleich eine recht ausführliche Nachricht. Sonst haben wir Dir ja gestern bereits alles Nennenswerte mitgeteilt. Hoffentlich hat die Hitze dort inzwischen etwas nachgelassen. Kommst Du öfter mit Martin zusammen? So, für heute wäre weiter nichts zu berichten, und gib sofort Antwort. Herzlichste Grüße und Küsse immer Deine Dich sehr liebende Mutter.
Dem l. Onkel + Tante herzliche Grüße.
Mein lieber Willy, die Lage, vor der wir stehen, ist schnell erklärt. Am 30. Sept. hört für j[üdische] Vertreter jede Reisetätigkeit auf, nicht einmal eine Stadtreise ist mehr möglich. Selbst das, was wir selbst hersteilen würden, dürften wir nicht selbst verkaufen. Aber auch zu einer solchen Tätigkeit gehört erst eine behördliche Genehmigung, + es gehören Firmen dazu, die von j. Herstellern kaufen! Selbst in einer handwerklichen Tätigkeit muss man bei der D. A.T. sein! Somit ist jedes Verdienen abgeschnitten. Keiner weiß, was werden soll! Wir stehen glatt vor dem Nichts! Wir können nichts arbeiten, weil wir nichts arbeiten dürfen. Wovon leben? Du wirst also verstehen, daß wir fort müssen. Und dazu brauchen wir eben noch eine Hilfe. Onkel Eugen kennt doch die Lambertsche Familie. Du hast die Sacks herausgefunden, sieh mal zu, ob Du die L. nicht finden kannst. Es müssen alle Hebel in Bewegung gesetzt werden. Gern schrieben wir Dir etwas Erfreulicheres, aber all unser Denken ist ja nur - fort, fort, so rasch als möglich. Die neuen Zeitungen, die wir Dir kommenden Sonntag senden, werden Dir ja alles berichten. Dieser Brief soll noch zur Deutschland.
Allen herzl. Grüße + Dir viele herzl. Küsse Dein Dich liebender
Papa