März 1941
Der Krieg nahm wieder Fahrt auf. Die 12. deutsche Armee rückte - mit Zustimmung der Regierung in Sofia - am Morgen des 2. März von Rumänien aus in Bulgarien ein. Die Besetzung diente als Vorbereitung für einen Angriff auf Griechenland, wobei die gesamte Balkanregion nach dem Scheitern der Angriffe auf Großbritannien und angesichts der dort zutage tretenden militärischen Schwäche des Bündnispartners Italien für das NS-Regime von besonderer strategischer Bedeutung war.
Der März brachte hinsichtlich des Seekriegs negative und positive Nachrichten und bewirkte in der deutschen Öffentlichkeit entsprechend schwankende Gefühle. Nachdem am 8. März das U-Boot des als Kriegshelden verehrten Kapitänleutnant Günther Prien im Atlantik versenkt worden war, liefen am 22. des Monats die Schlachtschiffe „Scharnhorst“ und „Gneisenau“ nach Abschluss ihrer überaus erfolgreichen Atlantikunternehmung in Brest ein. Seit ihrem Auslaufen am 2. Februar hatten sie 22 Schiffe mit zusammen rund 116 000 Bruttoregistertonnen versenkt.
Das Deutsche Afrika-Korps unter dem Befehl von Erwin Rommel eroberte am 24. März die Stadt El Agheila. Eine knappe Woche später begann am 30. März eine Offensive gegen die Briten, in deren Verlauf die deutschen Truppen bis zum 13. April mit Ausnahme der Festung Tobruk die gesamte nordafrikanische Cyrenaika einnahmen.
Am 30. März kündigte Hitler in einer geheimen Rede vor über 200 Befehlshabern der Wehrmacht in der Berliner Reichskanzlei einen rassenideologischen Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion an, der sich nicht mehr an kriegsrechtliche Normen gebunden fühlen sollte.
Der Luftkrieg nahm auch im März einen fast schon gewohnten Verlauf. Während deutsche Luftwaffeneinheiten am 12. März einen Angriff auf den britischen Hafen Liverpool-Birkenhead flogen, bombardierten britische Bomberstaffeln Hamburg und Bremen. Drei Tage später griff die deutsche Luftwaffe mit 203 Flugzeugen Glasgow und mit 117 Maschinen das britische Stahlzentrum Sheffield an; nahezu gleichzeitig führten 45 britische Bomber einen Angriff auf das Ruhrgebiet durch. Am 22. März schließlich unternahm die deutsche Luftwaffe einen schweren Bombenangriff auf die britische Hafenstadt Plymouth.
Obwohl nichts konkret darauf hindeutete, kündigte Adolf Hitler am 16. März in einer Rede anlässlich des Heldengedenktages den bevorstehenden Zusammenbruch Großbritanniens an. Zugleich forderte er dazu auf, das „Heldentum der deutschen Soldaten“ in Form monumentaler Kriegerdenkmäler zu ehren. „Ganz gleich, auf welcher Erde und welchem Meer und Luftraum deutsche Soldaten kämpfen, sie werden wissen, dass dieser Kampf das Schicksal, die Freiheit und die Zukunft unseres Volkes entscheidet für immer!“
Das hatte zunächst aber mit immer neuen kriegsbedingten Einschränkungen zu kämpfen. Am 25. März berichtete der Sicherheitsdienst der SS über eine gravierende Verschlechterung der medizinischen Versorgung im Deutschen Reich und sprach in diesem Zusammenhang von „besorgniserregenden Zuständen“. Die Ursache lag auf der Hand: Es wurden immer mehr Ärzte zur Wehrmacht eingezogen.
Nahezu „friedensmäßig“ erschien hingegen, dass am 2. März in Leipzig die sechstägige Frühjahrsmesse mit mehr als 6.000 Unternehmen aus 20 Ländern eröffnet wurde.
Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung
Am 3. März regelte das Reichserziehungsministerium den Schulbesuch jüdischer Kinder und Jugendlicher. Sie hatten ihre Schulpflicht grundsätzlich in den von der Reichsvereinigung unterhaltenen Schulen zu erfüllen, wobei die Schulen in größeren Orten zu konzentrieren und alle Zwergschulen aufzulösen waren. Genehmigungen für Privatunterricht sollte nicht mehr erteilt werden.
Gemäß einem Erlass des Präsidenten der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung vom 7. März sollten alle arbeitsfähigen Juden „beschleunigt zum Arbeitseinsatz gebracht“ werden. Dadurch wurden Jüdinnen und Juden unter erschwerenden und diskriminierenden Bedingungen - gruppenweiser Einsatz, getrennt von der übrigen Bevölkerung; Unterbringung in Lagern - zur Zwangsarbeit herangezogen.
Am 20. März erklärte Adolf Eichmann vor Vertretern des Propagandaministeriums, Reinhard Heydrich sei „vom Führer mit der endgültigen Judenevakuierung“ aus Berlin beauftragt worden, weil es nicht angehe, „daß die Hauptstadt des nat.-soz. Reiches auch heute noch eine derartige hohe Zahl Juden beherberge“. Allerdings werde das nicht sofort geschehen können, „da das Generalgouvernement momentan keine Juden oder Polen aufnehmen könne“.
Tags zuvor hatte eine im Innenministerium tagende Diskussionsrunde den Entwurf eines Rundschreibens erstellt, laut dem von Hitler verfügt werden sollte, Jüdinnen und Juden bei einer „Wohnsitzverlegung“ ins Ausland automatisch die Staatsangehörigkeit abzuerkennen. Ihr gesamtes Vermögen sollte an das Reich fallen. Umgesetzt wurde das Vorhaben dann allerdings erst mit der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941.
Auch hinsichtlich der jüdischen Wohnsitze im Reichsgebiet brachte der Monat neue Anweisungen. Das Reichssicherheitshauptamt wies die Reichsvereinigung der Juden am 29. März nämlich an, ihm eine vollständige Liste aller jüdischen Wohnungen in „arischen“ Häusern zu übermitteln, in der neben Namen und Adressen auch die Zimmerzahl angeben werden muss.
Auf anderem Gebiet wurde die fortschreitende Ausplünderung weitaus schneller ausgeweitet. Am 5. März erweiterte das Reichssicherheitshauptamt nämlich die Möglichkeiten, das Umzugsgut jüdischer Auswanderer zu versteigern. Die Gestapostellen waren nunmehr legitimiert, jüdisches Umzugsgut kurzerhand zu beschlagnahmen und unmittelbar zu versteigern, wenn „eine Versteigerung aus volkswirtschaftlichen Gründen geboten“ schien. Hierzu musste ein Ausbürgerungsverfahren noch nicht einmal eingeleitet sein.
Darüber hinaus versuchte das NS-Regime mit angesichts der Kriegsverhältnisse erstaunlicher Akribie jeden Gedanken an jüdische Einflüsse aus dem öffentlichen Leben und damit aus dem Bewusstsein der Bevölkerung zu tilgen. Am 27. März wurde eine Verordnung über „entjudete“ Gewerbebetriebe erlassen. Danach musste künftig jeder, der einen jüdischen Gewerbebetrieb übernommen hatte und bislang den Namen des früheren jüdischen Inhabers oder Gesellschafters weitergeführt hatte, diese Bezeichnung innerhalb von vier Monaten aus dem Firmennamen tilgen oder ein neues Unternehmen gründen.
Am 12. März stellte Eichmann gegenüber dem Auswärtigen Amt fest, dass „die Auswanderung von Juden aus dem Reichsgebiet über Lissabon nach USA in den letzten Wochen durch Lockerung der Bestimmungen für die Erteilung von USA-Visa erheblich zugenommen“ habe. Diese Entwicklung stimmte durchaus mit den Wünschen zumindest einiger NS-Größen überein. So ergänzte Eichmann, Göring wünsche „auch während der Krieges im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten eine verstärkte Judenabwanderung“.
Heinrich Himmler hingegen baute den Internierungs- und Vernichtungsapparat im Osten kontinuierlich weiter aus. Am 1. März besuchte er - in Begleitung von Vertretern des IG-Farben-Konzerns - erstmals das Konzentrationslager Auschwitz und ordnet an, es so auszubauen, dass es 30.000 Häftlinge fasst, auf dem Gebiet des benachbarten Dorfes Birkenau ein weiteres Lager für 100.000 Kriegsgefangene zu errichten und den IG-Farben- 10.000 Häftlinge für den Bau der geplanten Werksanlagen in Dwory bei Auschwitz zur Verfügung zu stellen.
Im März wurden im ehemaligen Polen zahlreiche neue Gettos eingerichtet. So in Radom, wo die Internierung der jüdischen Bevölkerung in zwei getrennten Bereichen - einem großen im Stadtzentrum und einem kleinen im Vorort Glinice - bis zum 7. April 1941 abgeschlossen war. In Lublin wurde ein Getto mit über 34.000 Einwohnern gebildet, die dessen Gebiet ohne Passierschein nicht mehr verlassen durften. In Krakau hatte der Chef des dortigen Verwaltungsdistrikts die Einrichtung einer „jüdischen Wohnsiedlung“ am 3. März angeordnet. Bis zum 20. des Monats mussten alle jüdischen Einwohner dorthin umgezogen sein; am gleichen Tag wurde das Gelände mit Mauer und Stacheldraht abgeriegelt.. Danach waren dort 15.000 Menschen zusammengepfercht, wo vorher gerade 3.000 gelebt hatten. Auch in Belchatow, südwestlich von Lodz, entstand ebenso ein Getto wie am 31. März in Kielce, wohin bereits zuvor mehrere tausend Juden aus benachbarten Kleinstädten und aus dem „Warthegau“ deportiert worden waren.