November 1940
Mit Blick auf eine Fortführung des Krieges brachte der Monat nach außen hin keine Klarheit. Als der sowjetische Außenminister Wjatscheslaw M. Molotow am 12. November auf Einladung der deutschen Reichsregierung nach Berlin kam, wurden die deutschen Hoffnungen, die Sowjetunion zu einem Beitritt in einen gegen Großbritannien gerichteten „gewaltigen Kontinentalblock“ zu bewegen, enttäuscht. Als eher kosmetische Stärkung gelang es am 20. November aber immerhin, Ungarn zum Eintritt in das Bündnis zu bewegen.
Seinen Fortgang nahm hingegen der Luftkrieg. Durch einen deutschen Luftangriff wurde in der Nacht zum 15. November das Zentrum der britischen Stadt Coventry durch 500 Bomber schwer verwüstet. Von den 75.000 Gebäuden der Stadt wurden rund 65.000 schwer in Mitleidenschaft gezogen und 568 Zivilisten getötet. Die deutsche Propaganda kreiert in diesem Zusammenhang den zynischen Begriff vom „Coventrisieren“. Als „Vergeltung“ für britische Angriffe auf Hamburg, Bremen und Kiel flog die deutsche Luftwaffe dann am 20. November einen schweren Angriff auf Birmingham. Im Verlauf des Monats folgten weitere Luftattacken, etwa auf Southampton am 23. oder auf Plymouth und Liverpool am 28. November. Die Briten ihrerseits warfen - etwa am 20. November im östlichen Holstein - Flugblätter ab, deren mit „Abrechnung“ überschriebener Text sich mit dem Ausspruch von Reichsmarschall Hermann Göring am 9. August 1939 in Essen befasste. Göring hatte dort großmundig bekundet: „Wir werden das Ruhrgebiet auch nicht einer einzigen Bombe feindlicher Flieger aussetzen!“ – Die Realität im Herbst 1940 sah gänzlich anders aus.
Das NS-Regime gab sich aber – zumindest nach außen – weiterhin unbeeindruckt und selbstbewusst. So erklärte Joseph Goebbels am 5. November auf einer Kundgebung in Prag, dass das Deutsche Reich mit seinen 90 Millionen Menschen gemeinsam mit dem faschistischen Italien künftig „das Gesicht Europas neu formen“ könne. Hierbei maß er der von ihm verantworteten Propaganda eine erhebliche Bedeutung bei. Die sollte auch dadurch gesteigert werden, dass am 21. November die vier im Deutschen Reich gezeigten Wochenschauen (Deulig, Fox, Tobis und Ufa) zur „Deutschen Wochenschau“ zusammengefasst wurden, die der persönlichen Kontrolle durch Goebbels unterstellt wurde. Die Zahl der für jede Ausgabe der bis zu 45 Minuten langen Wochenschau verfügbaren Kopien wurde zugleich von 500 auf 1.000 erhöht.
Zum Zuständigkeitsbereich des Propagandaministers zählte auch Film und Kino. Dort wurde am 28. November der pseudodokumentarische, antisemitische Film „Der ewige Jude“ in Berlin uraufgeführt. Die unter Mitarbeit von Fritz Hippler, dem Leiter der Filmabteilung im Reichspropagandaministerium, entstandene Produktion erhielt das Prädikat „staatspolitisch und künstlerisch wertvoll“. Mit solchen Machwerken sollte in der Bevölkerung die Akzeptanz der an Radikalität zunehmenden antisemitischen Aktionen erhöht werden. Das zeigte sich im November insbesondere in Warschau, wo deutsche Polizeikräfte am 15. den jüdischen Wohnbezirk in Warschau hermetisch abriegelten und so rund 400.000 Juden auf engstem Raum ein schlossen, die dort unter menschenunwürdigen Verhältnissen leben und sterben mussten. Damit entstand nach Lodz im April des Jahres ein zweites Großgetto auf einer Fläche von 4.000 mal 2.500 Metern, die später von einer 16 Kilometer langen und drei Meter hohen Ziegelsteinmauer umschlossen werden sollte.
Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung
Adolf Hitler erneuerte am 8. November anlässlich seiner Rede zum 17. Jahrestag des nach ihm benannten Putsches in München den Aufruf zum „Kampf gegen das Judentum“. Das „allmächtige Judentum“ habe dem Deutschen Reich „den Krieg angesagt“, weshalb er selbst „immer die Auffassung vertreten“ habe, „dass die Stunde kommen wird, in der wir dieses Volk aus unseren Reihen entfernen werden. Das ist dies eine Auffassung, die mich auch heute noch beherrscht, nachdem wir in Deutschland gesiegt haben“.
Am folgenden Tag forderte das Reichssicherheitshauptamt seine Mitarbeiter auf, sich um Wohnungen von Juden zu bewerben. „Zur Behebung des vorhandenen Wohnungsbedarfs der Sicherheitspolizei und des SD sind gemäß einer Vereinbarung zwischen dem Generalbauinspekteur und dem Chef der Sicherheitspolizei und des SD eine Anzahl Judenwohnungen zur Verfügung gestellt worden.“ Die würden nun nach Bedarf verteilt.
Am 13. November ordnete Heinrich Himmlers für alle Angehörigen der Polizei den Besuch von Vorführungen des Films „Jud Süß“ an. Hierzu wurden die staatlichen Polizeiverwaltungen angewiesen, mit den örtlichen Filmtheaterbesitzern Sondervorstellungen für all jene Angehörigen der Ordnungs- und Sicherheitspolizei zu vereinbaren, die den Film bis dahin noch nicht gesehen hatten. Als eine Art Ergänzung zu diesem antisemitischen Machwerk wurde Ende des Monats dann im Berliner Ufa-Palast am Zoo der sich „dokumentarisch“ gebende Propagandafilm „Der ewige Jude“ uraufgeführt.