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Chronik und Quellen
1940
März 1940

März 1940

Dass der Krieg trotz aller Ruhe seit dem Sieg über Polen noch längst nicht beendet war, wurde der Bevölkerung auch im März wieder vor Augen geführt. So wurde am 17. des Monats zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit der deutschen Kriegswirtschaft ein eigenes Ministerium für Bewaffnung und Munition eingerichtet und Fritz Todt mit dessen Leitung betraut. Einen Tag später trafen Adolf Hitler und der italienische Duce Benito Mussolini zu einer Unterredung auf dem Brenner zusammen – der ersten während des Krieges. Bei diesem Anlass erklärte Mussolini Italiens grundsätzliche Bereitschaft, an Deutschlands Seite in den Krieg einzutreten – auch das ein deutlicher Hinweis darauf, dass beide Diktatoren noch bedeutend weitgehendere Ziele verfolgten.

Bereits am 10. März hatte Hitler in einer Rede anlässlich des Heldengedenktags im Berliner Zeughaus erklärt, der „von den kapitalistischen Machthabern Frankreichs und Englands aufgezwungene Krieg“ müsse „zum glorreichen Sieg der deutschen Geschichte werden“. Vier Tage später rief Hermann Göring als Beauftragter für den Vierjahresplan die Bevölkerung dann zu einer freiwilligen Spende von Kupfer, Bronze, Messing, Zinn und anderen Metallen auf. Alle entbehrlich erscheinenden Gegenstände aus Metall sollten in einem Akt „nationaler Opferbereitschaft“ und zugleich als Geschenk zu Hitlers 51. Geburtstag am 20. April für die Rüstungsproduktion abgegeben werden. Tatsächlich stellte daraufhin fast jeder deutsche Haushalt Metall zur Verfügung.

Den Kriegszielen und den damit verknüpften Bestimmungen hatte sich jeder unterzuordnen, und wer das nicht tat, dem drohten immer härtere Strafen. So verfügte das Kölner Arbeitsgericht am 5. März die fristlose Entlassung eines Arbeiters, weil der sich geweigert hatte, am Luftschutzdienst teilzunehmen.

Noch weitaus härter wurde mit jenen umgegangen, die in stetig wachsender Zahl zur Arbeit im Reichsgebiet gezwungen wurden. So erließ das Reichssicherheitshauptamt am 8. März umfangreiche Bestimmungen zur Regelung von Arbeits- und Lebensbedingungen für polnische Zivilarbeiter, die sogenannten „Polenerlasse“. Die insgesamt zehn Dokumente sahen nicht nur eine deutliche Kennzeichnung der Zwangsarbeiter durch das „Polenabzeichen“ vor, sondern schrieben weitere rigorose Beschränkungen hinsichtlich ihrer Bewegungsfreiheit und ihrer Rechte fest. Zugleich wurde jegliche Kontaktaufnahme mit der deutschen Bevölkerung verboten. Das galt insbesondere für „geschlechtliche Beziehungen“, die mit hohen Strafen bis hin zu Todesurteilen sanktioniert werden konnten.

Zumindest Teile der NS-Führung versuchten auch die Rolle der Kirche erheblich einzuschränken. Per Verordnung löste etwa der NSDAP-Gauleiter Arthur Greiser am 14. März – allerdings ohne jegliche Abstimmung mit Kirchenminister Kerrl - die deutsche evangelische Kirche im Reichsgau Wartheland (Posen) im staatlichen Sinne auf und degradierte die Kirchen damit zu religiösen Gemeinschaften im Sinne von Vereinen. Neue Mitglieder wurden laut Verordnung künftig nun nicht mehr in die Kirche hineingeboren, sondern konnten erst bei Erlangung der Volljährigkeit eintreten. Das eigenmächtige Vorgehen des Gauleiters löste reichsweite Proteste von Kirchenvertretern, aber auch von staatlichen Stellen aus. Dennoch wurde die Anordnung Greisers, der von Heinrich Himmler und Martin Bormann unterstützt wurde, nicht zurückgenommen.

Zugleich versuchte das Regime aber auch, sich nach außen hin stärker intellektuell zu geben. Hierzu erschien am 15. März mit Reichspropagandaminister Joseph Goebbels als Herausgeber die erste Nummer der auf gehobenere Kreise zielenden Wochenzeitschrift „Das Reich“. Das sich plakativer Polemik enthaltende Blatt sollte Auflagen von bis zu 1,5 Millionen Exemplaren erzielen.

 

Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung

Am 11. März wurde beschlossen, dass Angehörige der jüdischen Bevölkerung im Zuge ihrer weiteren Diskriminierung künftig eigene, mit einem „J“ gekennzeichnete Lebensmittelkarten erhalten. Die Grundrationen für Normalverbraucher und auch spezielle Zuteilungen für Kinder wurden zwar nicht gekürzt, allerdings waren sie künftig aus der Verteilung nicht rationierter Lebensmittel - etwa Hühner und Fisch - ausgeschlossen.

Am 23. März dürften viele potenziell Betroffene - leider nur kurzzeitig - aufgeatmet haben, denn Hermann Göring untersagte weitere Transporte von Juden aus dem Reichsgebiet. Weil sich nämlich die Regierung des „Generalgouvernements“ unter Hans Frank immer massiver gegen weitere Abschiebungen in ihr Hoheitsgebiet zur Wehr setzte, musste der Plan eines „Judenreservats“ im Raum Lublin aufgegeben werden. Der tiefere Grund für das Scheitern dieses ersten Versuchs, Jüdinnen und Juden massenhaft in den Osten abzuschieben, scheiterte in erster Linie aber daran, dass über die Zukunft des „Generalgouvernements“ noch keine Klarheit herrschte. Überall in den nun unter deutscher Kontrolle stehenden Gebieten drängten die neuen regionalen NS-Machthaber darauf, „ihre“ Juden möglichst bald „loszuwerden“, ohne das bereits feststand, wie und wohin das geschehen sollte.

Als Beispiel für solches Streben kann der Oberbürgermeister der bis September 1939 polnischen, danach „eingedeutschten“ Stadt Sosnowitz in Ostoberschlesien gelten, der am 21. März erklärte, dass die „Evakuierung“ der im lokalen Getto lebenden Juden möglichst noch 1940, spätestens aber im Jahr darauf abgeschlossen sein würde. Danach sei dieses Gebiet dann „eine menschenleere Gegend“.

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