Rundschreiben des argentinischen Außenministers an alle Botschaften
Das argentinische Außenministerium weist am 12. Juli 1938 alle Botschafter an, Personen, die in ihren Herkunftsländern unerwünscht sind, keine Visa zu erteilen:
Sehr geehrter Herr Botschafter,
die Regierung bereitet gegenwärtig eine Novellierung des Gesetzes 817 vor, um die Einwanderung den Grenzen anzupassen, die die wirtschaftlichen und sozialen Erfordernisse des Landes setzen. In Verbindung mit diesem Vorhaben wird es nötig sein, auch die kürzlich in bilateralen Abkommen eingegangenen Verpflichtungen bezüglich der Aufnahme ausländischer Landwirte zu berücksichtigen sowie weitere Verpflichtungen, die sich aus unserer Beteiligung an Konferenzen und an internationalen Organisationen, die momentan an einer generellen Lösung arbeiten, ergeben können. Es wird daher mitgeteilt, dass vorerst eine rigorose Einwanderungskontrolle notwendig ist und alle Mittel der Selektion auszureizen sind, um zu verhindern, dass sich die Zuwandererströme ungeregelt über unser Land ergießen. Dabei sollte die endgültige Regelung antizipiert werden, die die Regierung erlassen wird, um die verschiedenen Aspekte dieses Problems in Einklang zu bringen.
Deshalb wird Eure Exzellenz gebeten, den Konsulaten in Ihrem Zuständigkeitsbereich mitzuteilen, dass von jetzt an die Erteilung von Visa für den Zuzug von Ausländern jedweder Kategorie in die Republik Argentinien generell den hauptamtlichen Konsuln Vorbehalten ist, außer es liegt eine ausdrückliche Genehmigung des Außenministeriums zugunsten bestimmter Vizekonsuln oder Honorarkonsuln vor.
Zudem wird Eure Exzellenz streng vertraulich gebeten, nur den hauptamtlichen Konsuln im jeweiligen Zuständigkeitsbereich die folgenden Anweisungen zu übermitteln:
„Vorbehaltlich der sonstigen Verfügungen über Auswahl der Einreisenden und vorbehaltlich eines Sondererlasses des Außenministeriums müssen die Konsuln das Erteilen von Visa - selbst Touristen- oder Transitvisa - für alle Personen ablehnen, von denen begründet anzunehmen ist, dass sie ihr Herkunftsland verlassen haben oder verlassen wollen, weil sie dort unerwünscht sind oder ausgewiesen wurden, unabhängig vom Grund ihrer Ausweisung. Das Außenministerium hofft, dass das Pflichtbewusstsein und das gute Urteilsvermögen des Herrn Konsul die formelle Auskunft ersetzen werden, die nicht in allen Fällen zu erhalten sein wird; denn darin beweist sich die Befähigung des Beamten für seine Aufgabe. In jedem Zweifelsfall ist das Außenministerium zu konsultieren, desgleichen bei jeder Person, deren Aufnahme hierzulande der Herr Konsul für nicht ratsam erachtet. Diese Anweisungen sind streng geheim und dürfen in keinem Fall der Öffentlichkeit oder den Behörden des Landes, in dem er sein Amt ausübt, bekannt werden. Alle vorherigen Verfügungen sind aufgehoben, sofern sie der vorliegenden widersprechen. Die Herren Konsuln werden gebeten, den Eingang des vorliegenden Rundschreibens direkt beim Ministerium für Auswärtige Beziehungen zu bestätigen.“
In Erwartung der Empfangsbestätigung dieses Rundschreibens durch Eure Exzellenz
verbleibe ich
hochachtungsvoll