Adolf Eichmannaus Wien an Herbert Hagen in Berlin
Eichmann berichtet seinem Freund und Vorgesetzten Herbert Hagen am 8. Mai 1938, wie er die Wiener Juden kontrolliert:
Lieber Herbert!
Heute will ich Dir wieder einmal ein Brieferl schreiben. Ich war jetzt bei allen U.-A. Habe den Bearbeitern einen Überblick über die Materie gegeben, der dankbar entgegengenommen wurde, da sie ja bisher keine Ahnung hatten. Ich hoffe, in kurzer Zeit im Besitze der Jüd. Jahrbücher sämtlicher angrenzender Staaten zu sein, die ich Dir dann zuschicke. Ich schätze sie als einen wesentlichen Behelf.
Sämtliche jüd. Organisat. in Öst. sind zur 8-tägigen Berichterstattung angehalten worden. Dieselben werden dem jeweiligen Sachbearbeiter [von] II112 übergeben (U.-A. u. O.-A.). Die Berichte haben in einen Situationsbericht und in einen Tätigkeitsbericht zu zerfallen. In Wien sind sie jeweils montags fällig, in der Provinz donnerstags jeder Woche. Ich hoffe, Dir die ersten Berichte gleich morgen mitschicken zu können.
Am Freitag n[ächster] Woche erscheint die erste Nummer der zionist. Rundschau. Ich habe mir die Manuskripte einsenden lassen und bin gerade bei der langweiligen Arbeit der Zensur. Die Zeitung geht Euch selbstverständlich auch zu. Es wird gewissermaßen „meine“ Zeitung [werden].
Jedenfalls habe ich die Herrschaften auf den Trab gebracht, was Du mir glauben kannst. Sie arbeiten dzt. auch schon sehr fleißig. Ich habe von der Kultusgemeinde und dem Zion. Landesverband eine Auswanderungszahl von 20.000 mittellosen Juden für die Zeit vom 1.IV.38-1.V.39 verlangt, was sie mir auch zusagten einhalten zu wollen.
Für Dienstag habe ich mir Ass. Lange ins Amt gebeten. Ich werde ihm einen dementsprechenden Einführungsvortrag halten, denn er kennt sich auf II112 noch sehr wenig aus. Aber er ist ein prima Kerl.
Morgen kontrolliere ich wieder den Laden der Kultusgemeinde und der Zionisten. Dies mache ich jede Woche mindestens einmal. Ich habe sie hier vollständig in der Hand, sie trauen sich keinen Schritt, ohne vorherige Rückfrage bei mir zu machen. So ist es auch in Ordnung wegen der besseren Kontrollmöglichkeit.
Die Gründung einer 4. jüd. polit. Spitzenorganisation (ähnlich dem „Hilfsverein“) können wir uns ersparen, denn ich habe der Kultusgemeinde aufgetragen, innerhalb dieser Gemeinde ein Zentralauswanderungsamt auch für alle außerpalästinensischen Länder zu schaffen. Die vorbereitenden Arbeiten hierfür sind bereits im Gange.
In ganz großen Zügen ist die Lage der Dinge jetzt folgende:
Arisierung, Juden in d. Wirtschaft usw. behandelt lt. Erlass Gauleiter Bürkel. Das weitaus schwierigere Kapitel, diese Juden zur Auswanderung zu bringen, ist Aufgabe des SD. Auf diese Auswanderung wurde ja jetzt auch nach Reorganisierung der Kultusgemeinde und des zion. Landesverb. f. Ö. deren Arbeit ausgerichtet.
Ich hoffe, Dich hiermit wieder kurz auf dem Laufenden gehalten zu haben.
Ich selbst komme, glaube ich, als Abteil, [ltr.] auf einen U.A., nachdem die Sache in Wien läuft und ein eingearbeiteter Referent] hier ist. Weißt Du, es tut mir ehrlich leid, daß ich wahrscheinlich von der Arbeit, die ich gerne machte und in der ich gewissermaßen jetzt schon seit Jahr und Tag „zu Hause“ war, Weggehen muß, aber Du wirst ja selbst verstehen, daß ich mit meinen 32 Jahren nicht gerne „zurückgehe“. Unser Chef ist ein ganz ausgezeichneter Vorgesetzter, der für solche Dinge Verständnis hat.
Grüße an alle Kameraden von II 112.
Euer alter Adolf
Bestätige mir bitte jeweils kurz den Erhalt meiner Briefe.