Berichte nach Verhängung der Ausgangssperre

Am 5. September 1942 wird im Getto Litzmannstadt eine Ausgangssperre verhängt, deren Auswirkungen in folgenden Berichten von Dawid Sierakowiak und Jakub Poznanski festgehalten sind:

"Sie [Sierakowiaks Mutter]küßte jeden von uns zum Abschied, griff nach der Tasche mit ihrem Brot und den paar Kartoffeln, die ich sie mitzunehmen zwang, und ging rasch ihrem so schrecklichen Schicksal entgegen. Ich brachte nicht die Willenskraft auf, ihr aus dem Fenster nachzusehen oder in Tränen auszubrechen. Wie versteinert saß ich da, ging und sprach ich. Wieder und wieder packten mich nervöse Krämpfe an Herz, Hand, Mund und Kehle, so daß ich glaubte, mir zerspringe das Herz. Doch es zersprang nicht, nein, es gestattet mir, zu essen, zu denken, zu reden und mich schlafen zu legen."

"Es ist schwer, die Szenen, die sich im Getto abgespielt haben, zu beschreiben. Die Menschen rannten herum wie Wahnsinnige, zogen von einer Straße in die nächste, um der Aussiedlung zu entgehen. Viele Kinder und Alte retteten sich, aber das vorgesehene Kontingent wurde dann mit vielen Menschen aufgefüllt, die arbeitsfähig waren."

Am nächsten Tag, den 6. September 1942, notierte Dawid Sierakowiak in sein Tagebuch:

"Manchmal schnürt und krampft sich mir so das Herz zusammen, daß mir ist, als versänke ich gleich im Wahnsinn oder im Delirium. Und doch kann ich mich innerlich nicht von Mama abwenden, plötzlich befinde ich mich wie zweigeteilt, in ihrem Hirn und ihrem Körper. Die Stunde ihrer Aussiedlung rückt näher, und von nirgendwo kommt Rettung. Zwar hat es am Abend etwas gedonnert und geblitzt, und es regnete sogar, doch das brachte uns keine Linderung in unserer Pein. Selbst der allergrößte Regen besänftigt nicht das völlig gebrochene Herz, nichts kann die unendliche Leere in der Seele, in Hirn, Herz und Sinn ausfüllen, die entsteht, wenn man den liebsten Menschen verloren hat, der sein eigenes Leben liebt wie ..."

An dieser Stelle bricht das Heft ab.