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Chronik und Quellen
1940
Januar 1940

Einsatz des jüdischen Vermögens

Am 23. Januar 1940 erlässt der Reichswirtschaftsminister folgenden Runderlass:

RdErl. d. RWiM. vom 23.1.1940
betreffend

Einsatz des jüdischen Vermögens.
(Zweite Durchf.-VO. zur VO. über den Einsatz des jüdischen Vermögens vom 18.1.1940, RGBl. I S. 188)

Für die Anwendung der Vorschriften der Zweiten Durchf.-VO. zur VO. über den Einsatz des jüdischen Vermögens ordne ich im Einvernehmen mit dem StdF., dem RMdJ., dem RFM. und dem RJM. folgendes an.

I. Einziehung der Ausgleichszahlungen

1. (1) Durch § 1 der Zweiten Durchf.-VO. zur VO. über den Einsatz des jüdischen Vermögens wird die Einziehung (Erhebung und Beitreibung) von Geldleistungen, die als Auflagen gemäß § 15 Abs. 1 der VO. über den Einsatz des jüdischen Vermögens¹) zugunsten des Reichs festgesetzt werden, zur Entlastung der Genehmigungsbehörden und der Reichshauptkasse und zur Erleichterung der Zahlungskontrolle und Beitreibung allgemein den Finanzämtern übertragen.

(2) Die Festsetzung der Ausgleichszahlungen erfolgt unverändert gemäß Abschn. IV des Ersten Durchf.-Erl. v. 6.2.1939 (MBIWi. S. 229; RMBIIV. S. 265) seitens der Verw.-Behörden in dem Genehmigungsbescheid. Darin ist künftig neben den anderen Merkmalen (Betrag, Zahlungsfrist usw.) noch anzugeben, an welches Finanzamt die Zahlung zu leisten ist. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 ist dies allgemein das für den Wohnsitz des Zahlungspflichtigen zuständige Finanzamt. Diesem ist eine beglaubigte Abschrift des Genehmigungsbescheides zuzuleiten.

(3) Über Ersatz- und Stundungsanträge entscheidet das Finanzamt, und zwar über Ersatzanträge im Einvernehmen mit der Genehmigungsbehörde. Die Einziehung (Erhebung und Beitreibung) soll auch in den Fällen durch die Finanzämter erfolgen, in denen bereits vor Inkrafttreten der Zweiten Durchf.-VO. die Festsetzung einer Ausgleichsabgabe vorgenommen, aber Zahlung noch nicht geleistet ist. Ist erst ein Teil gezahlt, so ist die Einziehung des Restbetrages ebenfalls dem Finanzamt zu überlassen. In diesen Fällen haben die höheren Verw.-Behörden unverzüglich die zuständigen Finanzämter von den noch ausstehenden Ausgleichszahlungen unter Beifügung einer beglaubigten Abschrift des Genehmigungsbescheides und Mitteilung etwaiger Stundungs- und Teilzahlungsbewilligungen zu unterrichten. Gleichzeitig ist dem Zahlungspflichtigen entsprechende Mitteilung zu machen. Zu diesem Zweck haben die Genehmigungsbehörden sämtliche Fälle, in denen sie bisher Ausgleichszahlungen verfügt haben, daraufhin nachzuprüfen, ob die Zahlungen ordnungsgemäß geleistet worden sind, und dafür zu sorgen, daß die bisher geleisteten Zahlungen in jedem Falle durch entsprechende Belege in den Entjudungsakten nachzuweisen sind.

(4) Die Finanzämter werden von dem RFM. mit näherer Weisung versehen.

2. Die Durchführung sonstiger Auflagen, die nicht in Geldleistungen bestehen, kann seitens der Genehmigungsbehörden nach den bestehenden landesrechtlichen Vorschriften im Verwaltungszwangsverfahren herbeigeführt werden.

II. Bindung des jüdischen Veräußerers an den Vertrag auch bei Genehmigung unter Auflagen

In § 2 der Zweiten Durchf.-VO. wird bestimmt, daß der jüdische Veräußerer bei einer Genehmigung unter Auflagen, insbesondere bei Herabsetzung eines überhöhten Kaufpreises, nicht berechtigt ist, deswegen vom Vertrag zurückzutreten, sondern an den Vertrag gebunden bleibt. Eine solche gesetzliche Bindung war notwendig, um zu vermeiden, daß die Verw.-Behörden mit unnötigen weiteren Genehmigungsverfahren belastet werden oder die Zwangsentjudung durchführen müssen, um im Enderfolg dasselbe Ergebnis zu erzielen, das bereits in dem auf den ersten Antrag hin erteilten Genehmigungsbescheid vorliegt.

III. Änderung der Zuständigkeit für die Genehmigung von Grundstücksgeschäften

1. (1) Nach den §§ 8 und 17 der VO. über den Einsatz des jüdischen Vermögens bedürfen Verfügungen über Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte durch Juden sowie die entsprechenden Verpflichtungsgeschäfte der Genehmigung durch die höhere Verw.-Behörde.

(2) Zur Vereinfachung der Verwaltung im Sinne des Erlasses des Führers und Reichskanzlers v. 28.8.1939 (RGBl. I S. 1535) wird durch § 3 der Durchf.-VO. die Zu-

ständigkeit zur Genehmigung dieser Grundstücksgeschäfte nunmehr allgemein den unteren Verw.-Behörden übertragen. Dann wird erreicht, daß in der Regel die Behörden, die bisher schon für die Erteilung von Genehmigungen nach dem Wohnsiedlungsgesetz²) nach preisrechtlichen Bestimmungen oder nach der Grundstücksverkehrsbek.³) zuständig waren, nunmehr auch für die Erteilung von Genehmigungen bei der Veräußerung jüdischen Grundbesitzes zuständig sind. Beschwerdeinstanz ist künftig die höhere Verw.-Behörde. Meine bisherige Zuständigkeit als Beschwerdeinstanz nach § 19 der VO. über den Einsatz des jüdischen Vermögens fällt damit im Genehmigungsverfahren bei Grundstücksgeschäften von Juden künftig fort. Unb[..] bleiben die Fälle, in denen bei Inkrafttreten der Zweiten Durchf.-VO. die höhere Verw.-Behörde bereits in erster Instanz entschieden hat. In solchen Fällen sind etwaige Beschwerden mir noch zur Entscheidung vorzulegen. Andererseits entscheidet die höhere Verw.-Behörde wie künftig allgemein auch bei bereits zurückliegender erstinstanzlicher Entscheidung dann als Beschwerdeinstanz, wenn bisher schon nach § 2 Abs. 1 der Ersten Durchf.-VO. v. 16.1.1939 (RGBl. I S. 37) die Zuständigkeit erster Instanz auf die untere Verw.-Behörde übertragen worden war.

2. (1) Die Neuregelung der Zuständigkeiten erstreckt sich nicht auf die Genehmigung der Veräußerung eines Gewerbebetriebes nach § 1 der Anordnung auf Grund der VO. über die Anmeldung des Vermögens von Juden v. 26.4.1938⁴). Für diese Genehmigungen bleibt die Zuständigkeit der höheren Verw.-Behörde und meine Zuständigkeit als Beschwerdeinstanz bestehen.

(2) Die Neuregelung erstreckt sich auch nicht auf land- und forstwirtschaftliches Vermögen. Hier bleiben nach § 4 Abs. 1 die bisherigen Zuständigkeiten der oberen Siedlungsbehörde und der höheren Forstbehörde sowie des RMfEuL. und des RForstM. (§ 17 Abs. 3 und § 20 Abs. 1 der VO. über den Einsatz des jüdischen Vermögens) unverändert.

(3) In den Fällen, in denen ein Betriebsgrundstück zusammen mit einem Gewerbebetrieb veräußert werden soll, ist die bisherige einheitliche Zuständigkeit der höheren Verw.-Behörde ebenfalls beibehalten worden (§ 4 Abs. 2). Der Vereinfachung halber ist dabei bestimmt, daß in diesen Fällen die Genehmigung nach § 1 der Anordnung v. 26.4.1938 die Genehmigung nach den §§ 8 und 9 Abs. 1 der Einsatz-VO. ersetzt.

(4) Die Übertragung der Zuständigkeit auf die untere Verw.-Behörde erstreckt sich im übrigen nur auf die Erteilung von Genehmigungen nach § 8 der Einsatz-VO. Für die Durchführung einer Zwangsentjudung gemäß § 6 der Einsatz-VO. verbleibt es bei der bisherigen Zuständigkeit der höheren Verw.-Behörde; jedoch ist für die Erteilung der Genehmigung eines Kaufvertrages, den ein nach § 6 in Verbindung mit § 2 der Einsatz-VO. eingesetzter Treuhänder abgeschlossen hat, gemäß § 3 die untere Verw.-Behörde zuständig.

3. (1) Für das Genehmigungsverfahren bei den unteren Verw.-Behörden gelten die Vorschriften des Ersten Durchf.-Erl. zur VO. über den Einsatz des jüdischen Vermögens v. 6.2.1939 (MBiWi. S. 229; RMBliV. S. 263), insbesondere die Abschn. III, IV und V. Hinsichtlich der Preisbemessung verweise ich auf meinen RdErl. v. 23.10.1939 - III I. 23081/39 (nicht veröffentl.). Soweit noch nicht geschehen, ist dieser RdErl. den unteren Verw.-Behörden seitens der höheren Verw.-Behörden beschleunigt zu übermitteln.

(2) Für die Entscheidungen in dem Genehmigungsverfahren ist grundsätzlich zu beachten, daß ein allgemeines politisches und volkswirtschaftliches Interesse daran besteht, die weitere Entjudung des nicht landwirtschaftlich oder forstlich genutzten Grundbesitzes auf der Grundlage freiwilliger Veräußerungsverträge zu fördern.

(3) Die Genehmigung für einen eingereichten Kaufvertrag wird daher in der Regel nur dann zu versagen sein, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, daß der Käufer nicht würdig ist, das Grundstück zu erwerben, oder wenn ein öffentliches Interesse (z. B. dringender Raumbedarf von Behörden oder Parteidienststellen) an dem Erwerb des Grundstücks besteht. Ausnahmsweise kann die Genehmigung für einen eingereichten Kaufvertrag auch im Interesse eines anderen Bewerbers versagt werden, wenn durch die Erteilung der Genehmigung lebenswichtige Interessen dieses anderen Bewerbers verletzt werden würden. In solchen Fällen wird jedoch in der Regel dem letzteren die Übernahme der dem ersten Bewerber entstandenen üblichen Kosten aufzuerlegen sein.

4. (1) In Fällen, in denen Gemeinden oder Gemeindeverbände als Bewerber um jüdische Grundstücke beteiligt sind, haben die unteren Verw.-Behörden, sofern es sich um Entscheidungen in eigener Sache handelt, vor Versagung oder Erteilung einer Genehmigung der höheren Verw.-Behörde zu berichten.

(2) Über Fälle von grundsätzlicher oder besonderer Bedeutung oder bei Vorliegen von Zweifeln über die Auslegung der Entjudungsvorschriften sollen die unteren Verw.-Behörden der höheren Verw.-Behörde vor ihrer Entscheidung berichten. In gleicher Weise ersuche ich die höheren Verw.-Behörden, in Fällen, in denen wegen besonderer Bedeutung meine Entscheidung angebracht erscheint, mir zu berichten.

5. Den StdF. habe ich gebeten, die Parteidienststellen von der Änderung der Zuständigkeiten zu unterrichten.

¹) Vgl. RGBl. 1938 I S. 1709.
²) Vgl. RGBl. 1933 I S. 569; 1938 I S. 1246.
³) Vgl. RGBl. 1937 I S. 35.
⁴) Vgl. RGBl. 1938 I S. 416.

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