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Chronik und Quellen
1940
Januar 1940

Januar 1940

Der Jahresbeginn wurde propagandistisch gefeiert, wobei Adolf Hitler in seinem Neujahrsaufruf erklärte, dass „der Zusammenschluss des deutschen Volkes im Großdeutschen Reich“ der übrigen Welt weder etwas geraubt noch ihr geschadet habe. Propagandaminister Joseph Goebbels stellte in seiner Rundfunkansprache zum Jahresbeginn das Deutsche Reich als wiedererstarkte Großmacht dar. Das verflossene Jahr, so führte er aus, sei „das größte und stolzeste“ der NS-Regierungszeit gewesen. Der gegenwärtige Krieg werde „vom ganzen Volk geführt“ und sei ein Ringen „um unser nationales Leben“. Dabei gab sich Goebbels außerordentlich optimistisch: „Deutschland ist heute wirtschaftlich, militärisch und geistig bereit, dem Angriff seiner Gegner die Stirn zu bieten.“

So propagandistisch wie der Monat begonnen hatte, endete er: Anlässlich des siebten Jahrestages der NS-Machtübernahme hielt Hitler am 30. Januar eine einstündige Rede im Berliner Sportpalast, in der er die angebliche zwangsläufige Entwicklung zum Krieg schilderte: „1934 begann die deutsche Aufrüstung (…). 1935 führte ich die allgemeine Wehrpflicht ein, 1936 ließ ich das Rheinland besetzen, 1937 begann der Vierjahresplan anzulaufen, 1938 wurde die Ostmark und das Sudetenland dem Reich angegliedert und 1939 begannen wir das Reich abzuschirmen gegen jene Feinde, die sich unterdes bereits demaskiert hatten. Zum Schutz des Reiches sind die Maßnahmen von 1939 geschehen.“ – Vermutlich werden ihm zahlreiche Zuhörer geglaubt haben.

An der „Heimatfront“ hatte man ansonsten aber mit profaneren Problemen zu tun. Richard Walther Darre, Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft, erließ am 7. Januar Richtlinien zur Klassifizierung von „Selbstversorgern“, die fortan von Lebensmittelzuteilungen im Rahmen der Zwangsbewirtschaftung ausgenommen wurden. Zu dieser Gruppe wurden nicht nur Landwirte, sondern auch Kleintierhalter gezählt, die ihre Lebensmittel – etwa durch die Haltung von Hühnern - zum Teil selbst produzieren. Drei Tage später wurde in der SS-Zeitschrift „Schwarzes Korps“ gefordert, einen Teil von Lohn und Gehalt künftig in Form von Gutscheinen auszuzahlen, um auf diese Weise künftig überflüssige Kaufkraft abzuschöpfen und die latente Inflation zu verschleiern. Zunächst hatten die Menschen aber weitaus konkretere Probleme, denn im Zuge einer ganz Europa erfassenden Kältewelle – am 22. Januar sank das Thermometer auf bis zu -40 Grad - brachte erhebliche Transportprobleme und als Folge Versorgungsengpässe mit sich. Dagegen werden nur wenige realisiert haben, dass für Juden am 23. Januar die Bezugsrechte Bezug von Spinnstoffen, Schuhen und Ledermaterial völlig gesperrt und ihre Lebensmittelkarten mit einem „J“ gekennzeichnet wurden.

Auch andere Personengruppen erfuhren immer deutlicher eine sich an der NS-Ideologie orientierende rassistische Behandlung. Angesichts der arbeitsmarktpolitischen Engpässe forderte die Reichsregierung am 27. Januar von den Verantwortlichen im von der Wehrmacht besetzten „Generalgouvernement“ die Bereitstellung von mindestens einer weiteren Million Industrie- und Landarbeiter zum Arbeitseinsatz in Deutschland. Andererseits war man mit allen Mitteln bestrebt, Kontakte zwischen Deutschen und Polen zu unterbinden. So verurteilte das Sondergericht in Weimar am 9. Januar eine 19-jährige deutsche Frau zu zwei Jahren Zuchthaus und fünf Jahren Ehrverlust, weil sie entgegen der Verordnungen vom 25. November 1939 verbotenen Umgangs mit polnischen Kriegsgefangenen gehabt hatte.

Immer schärfere Restriktionen drohten auf einem weiteren Gebiet: Auf einer Mitarbeiterkonferenz im Reichspropagandaministerium in Berlin kritisierte nämlich Joseph Goebbels am 11. Januar die Strafen für das Abhören ausländischer Rundfunksender und die Weiterverbreitung dort gehörter Meldungen als zu milde und forderte exemplarische und damit abschreckende Urteile. Strafen und vier Jahren Gefängnis sollten daher künftig nicht mehr in der Presse veröffentlicht werden.

Im Deutschen Reich trat am 1. Januar die „Studentische Dienstpflicht“ in Kraft, die von diesem Zeitpunkt an während der ersten drei Semester in den Kameradschaften des Nationalsozialistischen Studentenbundes und den Dienstgemeinschaften der Deutschen Studentenschaft abgeleistet werden musste. Es sollte sich hierbei in erster Linie um kriegswirtschaftlich wichtige Arbeiten handeln.

Auf welche Reaktionen die am 30. Januar vom Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei Heinrich Himmler erhobene Forderung stieß, alle Männer der SS und Polizei sollten „möglichst noch während des Krieges Väter“ werden, ist nicht überliefert.

Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung

Das Jahr 1940 begann für die jüdische Bevölkerung, wie 1939 geendet hatte: Durch Erlass des Reichsministers für Landwirtschaft wurde am 3. Januar verfügt, dass ihr die „Sonderrationen“ für den Zuteilungszeitraum vom 15. Januar bis 4. Februar 1940 wie bereits im Dezember 1939 erneut gekürzt wurden und sie somit keine Zuteilungen von Fleisch und Gemüse erhielten.

Der Januar hielt noch weitere Einschränkungen bereit. Am 23. Januar 1940 verfügte das Reichswirtschaftsministeriums, dass Juden künftig weder Anspruch auf die Reichskleiderkarte noch auf Bezugsscheine für Spinnstoffwaren, Schuhe und Sohlenmaterial hätten. Ihre Versorgung mit diesen unverzichtbaren Dingen des täglichen Bedarfs musste künftig allein durch die Reichsvereinigung der Juden durchgeführt werden. Als Alternative blieb der Erwerb von bezugsscheinfreien „Altwaren“ erfolgen, die - sofern überhaupt verfügbar - für die zunehmend ausgebeutete jüdische Bevölkerung allerdings kaum erschwinglich waren. Nur in Ausnahmefällen konnten nun nur noch jene Juden, die schwere körperliche (Zwangs-) Arbeit leisten, Bezugsscheine für Kleidung erhalten.

Weitaus schlimmer betroffen waren - von Deutschland aus praktisch nicht sichtbar - die Jüdinnen und Juden in den von der Wehrmacht besetzten Teilen Polens. Als am 4. Januar unter dem Vorsitz von Adolf Eichmann eine Besprechung „wegen der Juden- und Polenevakuierung in allernächster Zukunft“ stattfand, kamen die Versammelten zu dem Ergebnis, dass für die eingegliederten Ostgebiete „die sofortige Judenevakuierung“ vorzusehen sei. Sie wurde laut Eichmann auf Anordnung Himmlers als „dringlich“ eingestuft und betraf laut Berechnungen der „Sachbearbeiter“ zunächst 350.000 Menschen. Betroffen waren außerdem rund 90.000 Polen aus dem „Warthegau“ und dem Gau Danzig, für die „sofortige Evakuierung“ beschlossen wurden, ohne das ein konkreter Termin genannt werden konnte. Das hatte seinen Grund wohl in den Problemen, die aus der Unterbringung der Deportierten im Generalgouvernement erwuchsen. „Die Leute mußten bis zu 8 Tagen in verschlossenen Eisenbahnwagen sitzen, ohne ihre Notdurft verrichten zu können. Außerdem sind bei einem Transport während der großen Kälte 100 Erfrierungen vorgekommen.“

Als am 12. Januar die Gespräche über die seit dem 17. Dezember ruhenden Deportationen mit den zuständigen Referenten im Reichsverkehrsministerium wirder aufgenommen, schlug der Höhere SS- und Polizeiführer in Posen vor, täglich zwei Züge „mit je 1.000 Personen und zwar Polen aus Posen und Juden aus Lodz“ einzusetzen, „um Platz für anrückende Balten- u. Wolhyniendeutsche zu erhalten“.

Am 30. Januar aktualisierte Reinhard Heydrich im Rahmen einer im Reichssicherheitshauptamt stattfindenden Besprechung die Deportationsabsichten, wonach „im Interesse der Baltendeutschen“ noch 40.000 Polen und Juden ins Generalgouvernement abgeschoben werden sollten, den anschließend weitere 120.000 Polen „im Interesse der Wolhyniendeutschen“ folgen sollten. Unmittelbar nach Durchführung dieser „Räumung“ sollte nach dem Willen Heydrichs „die Abschiebung von sämtlichen Juden der neuen Ostgaue und 30.000 Zigeunern aus dem Reichsgebiet in das Generalgouvernement erfolgen“, die noch um die Deportation von 1.000 - reichsdeutscher - Juden aus Stettin ergänzt werden sollte.

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