Menü
Chronik und Quellen
1943
Mai 1943

Mai 1943

Im Mai trat ein, was sich bereits im April abgezeichnet hatte: die völlige Niederlage der Wehrmacht auf dem nordafrikanischen Kriegsschauplatz. Nachdem britische Truppen am 5. Mai in Tunesien einen Großangriff gegen die 5. deutsche Panzerarmee begonnen hatten, wurden bereits zwei Tage später die Städte Biserta und Tunis eingenommen. Das Ende war absehbar und kam schnell. Am 9. Mai ergab sich die Panzerarmee, am 11. legte der Großteil der deutschen und italienischen Truppen auf der Halbinsel Kap die Waffen nieder. Als dann am 13. Mai auch die Reste der Heeresgruppe Afrika kapituliert hatten, war der Afrikafeldzug der Achsenmächte Italien und Deutschland endgültig beendet. 252.000 Soldaten gerieten in alliierte Gefangenschaft, mehr als 100.000 Angehörige der deutschen, italienischen, britischen, französischen und US-amerikanischen Verbände hatten ihr Leben verloren.

An der Ostfront musste die Wehrmacht am 17. Mai den Frontbogen bei Krymskaja sowie die Stadt selbst räumen. Am 26. des Monats eröffnete die Rote Armee dann einen erneuten Angriff auf den Kuban-Brückenkopf, wobei sie zwar einen tiefen Einbruch erzielte, die Wehrmachtsverbände aber noch nicht endgültig zurückzudrängen vermochte.

Am 24. Mai brach Großadmiral Karl Dönitz aufgrund der hohen Verluste an deutschen U-Booten - allein im Mai gingen 43 von ihnen verloren - die Geleitzugbekämpfung im Nordatlantik ab. Das bedeutete einen gravierenden Rückschlag und eine entscheidende Wende für die gesamte deutsche Kriegsführung, die auf die Überlegenheit der alliierten Luftstreitkräfte, aber wohl auch auf die gelungene Entschlüsselung des deutschen Funkverkehrs zurückzuführen war.

Im Reichsgebiet selbst war die ungehemmte Eskalation des Bombenkrieges die dominierende Erscheinung. Fast täglich wurden schwere Bombardements gemeldet. In der Nacht zum 5. Mai wurde Dortmund angegriffen, acht Tage später Duisburg, wiederum einen Tag später Bochum. Die schweren Angriffe auf das Ruhrgebiet setzten sich am 23. neuerlich mit Dortmund, am 26. mit Düsseldorf und am 28. mit Essen fort. Außerhalb des Ruhrgebiets waren am 14. Mai Kiel, am 15. Emden, am 21. Wilhelmshaven und am 27. Jena Ziele der alliierten Bomberverbände.

Aus diesem ohnehin unbeschreiblichen Inferno ragten zwei Ereignisse noch einmal hinaus: In den frühen Morgenstunden des 17. Mai griffen britische Bomber Talsperren im Reichsgebiet an, wobei die Staudämme der Möhne- und der Edertalsperre brachen. Allein im Möhne- und dem anschließenden Ruhrtal kamen 1.284 Menschen durch die so ausgelöste Flutwelle ums Leben. Knapp zwei Wochen später wurde am 29. Mai Wuppertal getroffen. Allein dieser Bombenangriff forderte 2.450 Menschenleben und machte fast 120.000 Einwohner obdachlos.

Damit setzten die Westalliierten das in die Tat um, was der britische Außenminister Anthony Eden am 21. Mai als Überzeugung der Regierung in Worte fasste, nämlich „dass eines der wirksamsten Mittel, Deutschlands Willen, den Krieg fortzusetzen, zu brechen, darin besteht, das Dritte Reich unaufhörlich, Stunde um Stunde, Tag und Nacht aus der Luft zu bombardieren“. Drei Tage später warf die britische Luftwaffe nach eigenen Angaben bereits die 100.000. Bombe über dem Reichsgebiet ab. Dort waren zu diesem Zeitpunkt laut einer deutschen Zusammenstellung unter anderem bereits 1.100 Schulen, mehr als 300 Krankenhäuser und über 600 - kunstgeschichtlich oft bedeutende - Kirchen zerstört oder schwer beschädigt worden.

Demgegenüber fiel es kaum mehr ins Gewicht, dass 20 deutsche Kampfflugzeuge am 23. Mai die Städte Hastings und Bournemouth, eine Nacht später dann Sunderland und South Shields angriffen.

Im Reichsgebiet ging es um die Aktivierung der letzten Ressourcen. So kündigte Reichsstudentenführer Scheel in einer Rundfunkrede am 19. Mai eine allgemeine Überprüfung aller Studierenden im Reichsgebiet an, um so sicherzustellen, „ob sie nach Leistung und Haltung für ein Studium im Krieg würdig sind“.

Zugleich breitete sich ein Phänomen immer weiter aus: Die Mangelwirtschaft im Deutschen Reich förderte die Zunahme von Tauschgeschäften und die Entwicklung des „Schwarzmarkts“, obwohl beides schon im März des Jahres unter empfindliche Strafen gestellt worden war. Am 4. Mai wurden auch Hüte auf die Liste der nicht versorgungswichtigen Waren gesetzt, was bedeutete, dass künftig im Rahmen der Konzentration auf den Rüstungssektor keine neuen Kopfbedeckungen mehr produziert wurden. Es fehlte nicht nur an Lebensmitteln und Kleidung, sondern – nicht zuletzt wegen der ungeheuren Zerstörungen durch Luftangriffe – praktisch an allem. So berichtete der Sicherheitsdienst der SS am 17. Mai beispielsweise über einen empfindlichen Mangel an Weckern, weshalb viele ohnehin übermüdete Beschäftigte morgens verspätet an ihren Arbeitsstellen eintreffen würden. Und wegen Mangels an Briefumschlägen durften ab dem 19. Mai Briefbögen und Drucksachen im Deutschen Reich lediglich zusammengefaltet verschickt werden. Als dann am 23. des Monats eine bis zum 12. Juni dauernde Spinnstoff- und Schuhsammlung für Frontsoldaten und Zwangsarbeiter begann, dürften deren Ergebnisse angesichts des ausgeprägten allgemeinen Mangels eher gering ausgefallen sein. Zum Monatsende wurde dann schließlich auch noch die bereits sehr knapp bemessene wöchentliche Fleischration um weitere 100 Gramm pro Person gekürzt.

Ebenfalls zum Ende des Monats beobachtete der Sicherheitsdienst der SS angesichts der Ereignisse in Nordafrika und im Atlantik einen Stimmungswandel, der sich auch in ersten Zweifeln am „Endsieg“ artikulierte. Am 30. Mai hieß es in einem Lagebericht: „Allgemein wird beobachtet, dass sich die Masse der Volksgenossen aller Schichten seit der Aufgabe von Tunis mit dem Zeitungsinhalt und mit den politisch-militärischen Sendungen des Rundfunks noch weniger befasst als vorher.“ Als wesentliche Gründe für dieses Desinteresse würden angeführt: „Die allgemeine Kriegsentwicklung seit Stalingrad, insbesondere die Aufgabe Nordafrikas, hat dazu geführt, dass die Volksgenossen durchweg nur von einigen wenigen Hauptfragen bewegt werden, auf die sie nirgends eine sichere Antwort finden können: Wie lange dauert der Krieg? Wie lange halten wir ihn materiell in der Rüstung und psychisch aufgrund der Ernährungslage aus? Wie soll der Krieg zu Ende gehen? Wie sollen wir vor allem den Krieg gewinnen?“ Ansonsten, so berichtete der Sicherheitsdienst weiter, seien „die großen Massen des schwer arbeitenden Volkes bemüht, an die sich immer wieder aufdrängenden Grundfragen der Kriegssituation so wenig wie möglich zu denken“. Insbesondere Propagandaminister Goebbels dürfte durch die aktuelle Entwicklung beunruhigt worden sein, wurde doch von der „Ratlosigkeit“ der Bevölkerung berichtet und von deren „Gleichgültigkeit am Tagesgeschehen“, dass gepaart sei „mit einer allgemeinen Skepsis gegenüber allem, was früher in der Propaganda über den Krieg gesagt worden sei“.

 

Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung

Am 21. Mai 1943 ordnete Ernst Kaltenbrunner, der neue Chef des Reichssicherheitshauptamts, im Auftrag Himmlers an, dass alle noch im Reich verbliebenen Juden bis zum 30. Juni zu deportieren seien. Ausgenommen hiervon waren lediglich die in „Mischehe“ lebenden Jüdinnen und Juden sowie deren Kinder, die sogenannten „Mischlinge“. Während sich im April 1943 noch etwa 32.000 Juden im Altreich befunden hatten, von denen etwas mehr als die Hälfte in einer „Mischehe“ lebte, verringerte sich die Zahl der nicht geschützten Juden danach bis zum Juni 1943 drastisch.

Baum wird geladen...