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Chronik und Quellen
1935
August 1935

Die Gestapo Koblenz berichtet

Die Gestapo Koblenz berichtete über den Monat August 1935:

„Die Versammlungstätigkeit der jüdischen Organisationen hatte während der Berichtszeit auffallend nachgelassen.

Neu gegründet wurde im Bezirk Koblenz der jüdische Kulturbund. Die Mitgliederzahl der zionistischen Vereinigungen hat sich weiterhin vergrößert.

Während im letzten Lagebericht gemeldet werden konnte, daß sich die Juden im allgemeinen zurückhaltend verhielten, mußte im Berichtsmonat eine ganze Reihe Juden in Schutzhaft genommen werden, weil sie Gerüchte verbreiteten oder sich abfällig über Einrichtungen des Staates äußerten. Ich nehme dieserhalb Bezug auf die Tagesberichte vom 9., 13., 19. und 24. d.Mts.

Eine Folge davon war, daß vereinzelt jüdische Geschäfte mit Inschriften versehen wurden. So in Boppard, vergl. Tagesbericht vom 16.8. d.Js., in Bad Bertrich, Tagesbericht vom 8.8. 1935 und in Bad Kreuznach. Über die hier entstandenen besonderen Schwierigkeiten habe ich unter dem 13.8.1935 Sonderbericht erstattet. Über die dabei aufgetretenen Fragen ist nunmehr durch den Erlaß des Reichsministers des Innern vom 20.8.1935 – III P 3710/59 – eindeutig entschieden worden.

Leider trifft man in der Judenfrage besonders in den ländlichen Bezirken auf wenig Verständnis. So ist man z.B. in Bendorf-Sayn, Kreis Koblenz-Land, geneigt, der Judenfrage deshalb Konzessionen zu machen, weil die dort befindliche jüdische Irrenanstalt für Sayn von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung ist. Außerdem verstehen es die beiden Inhaber dieser Anstalt durch Zuwendung an bedürftige Volksgenossen, durch Hergabe von Darlehen usw., sich die Sympathie der Bürgerschaft zu verschaffen und zu erhalten. In diesem Zusammenhange sei erwähnt, daß die jüdische Irrenanstalt fortdauernd bestrebt ist, in Sayn Grund und Boden zu erwerben, mit der Begründung, daß dieses Land für die eigene Landwirtschaft der Anstalt gebraucht werde. Ebenso versucht ein jüdischer Viehhändler in Vallendar bei Koblenz größere Flächen Land an sich zu ziehen. Leider bieten die gesetzlichen Bestimmungen keine Handhabe, die Übereignung der Grundstücke zu verhindern.

Durch die Anordnung, betr. Festsetzung der Fleischpreise des Oberpräsidenten der Rheinprovinz vom 23.5.1935, sind die jüdischen Metzger gezwungen, das Rindfleisch für 50 Rpf das Pfund zu verkaufen, während der Verkaufspreis in fast allen anderen Metzgereien 70 Rpf beträgt. Wenn die Preisfestsetzung auch allgemein zu begrüßen ist, so wirkt sie sich für einzelne Amtsbezirke derart aus, daß die jüdischen Metzger dadurch viele Kunden gewinnen.“

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