Die Gestapo Koblenz berichtet
Die Gestapo Koblenz berichtete über den Monat Dezember 1934:
„Die von den Juden bisher nach aussen hin geübte Zurückhaltung hat in der letzten Zeit erheblich nachgelassen. Aus einigen Teilen des Bezirks wird berichtet, dass das Auftreten der Juden, insbesondere der jüdischen Viehhändler, sich wenig mehr von dem vor der Machtergreifung unterscheide und dass sich bei ihnen schon wieder eine gewisse Dreistigkeit und Aufdringlichkeit bemerkbar mache. Es hat den Anschein, dass die Juden die aus aussenpolitischen Gründen staatlicherseits zur Zeit noch geübte Rücksichtnahme als eine Schwäche der Regierung auslegen. Sie sind bestrebt, sich nach Möglichkeit in Organisationen zusammenzuschliessen. Die internen Versammlungen der jüdischen Vereine geben zu Beanstandungen keinen Anlass.
Der stille Boykott gegen die jüdischen Geschäfte durch die örtlichen Partei-Organe erhält in den geschlossenen Mitgliederversammlungen der NSDAP und ihren Neben- und Untergliederungen fortgesetzt dadurch neuen Auftrieb, dass die Pg. angehalten werden, jüdische Geschäfte zu meiden.
Die Juden finden sich hiermit ab. Dagegen nehmen die Beschwerden wegen offener Boykottmaßnahmen fortgesetzt zu. Sie werden fast ausnahmslos durch den Verband deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens vermittelt. In den meisten Fällen richten sie sich gegen das Anbringen von Aufschriften des Inhalts "Kauft nicht bei Juden" oder «Die Juden sind unser Unglück". Soweit die Beschwerden begründet waren, ist in allen Fällen im Benehmen mit der Gauleitung hier selbst Abhilfe geschaffen worden.
Von einzelnen Landräten wird berichtet, dass die Juden sich bei ihren Beschwerden vereinzelt auch durch den jüdischen Frontkämpferbund vertreten lassen, wohl in der Annahme. durch diesen mit ihren Beschwerden mehr Aussicht auf Erfolg zu haben.
Die Boykottmaßnahmen zeigten sich übrigens auch dadurch, dass Kauflustige auf der Strasse und in den Geschäften durch Mitglieder der NSDAP festgestellt wurden, und durch die Versendung von Zuschriften mit der Aufforderung zum Boykott.
An verschiedenen Stellen des Bezirks kam es im Laufe des Berichtsmonats zu Ausschreitungen. In mehreren Fällen wurden jüdischen Geschäftsleuten die Fensterscheiben eingeworfen. In Oberbieber (Kreis Neuwied) wurde einem jüdischen Viehhändler der Viehwagen in einen vorbeifliessenden Bach geworfen. Bedauerlicherweise sind durch diese Vorgänge, ebenso auch bei der Abstellung der oben erwähnten Beschwerden, in einigen Fällen zwischen der PO. und den Polizeibehörden bedauerliche Gegensätze entstanden, die vermieden würden, wenn in der Judenfrage von der Bewegung und den Staatsbehörden einheitlich vorgegangen würde
Trotz der zahlreichen von der Partei ergangenen Hinweise, nicht bei Juden zu kaufen, haben alle jüdischen Geschäfte in der letzten Zeit wieder einen verstärkten Zulauf. Aus fast allen Teilen des Bezirks wird übereinstimmend berichtet, dass die Juden im Stillen planmässig und mit sichtlichem Erfolg bemüht sind, die ihnen verloren gegangenen Wirtschaftsgebiete wieder zurückzuerobern. Insbesondere die Landbevölkerung zeigt für den Boykott des Judentums nach wie vor wenig Verständnis.
Trotz der Bemühungen von Partei und Reichsnährstand, den jüdischen Einfluss in dem Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen zu brechen, liegt der Viehhandel nach wie vor maßgeblich in den Händen der Juden. Die bäuerliche Bevölkerung erklärt, dass man auf die Vermittelung jüdischer Viehhändler mangels Vorhandensein genügender kapitalkräftiger arischer Viehhändler zur Zeit noch nicht verzichten könne.
Im Kreise Altenkirchen wurde in der letzten Zeit die Beobachtung gemacht, dass die Juden bemüht sind, sich ländlichen Grundbesitz aufzukaufen. In mehreren Fällen sollen sich Landwirte bereitgefunden haben, Land an Juden abzugeben. Endlich sei noch erwähnt, dass im Bezirk Koblenz 12 Fälle festgestellt sind, in denen deutsche Frauen und Mädchen intimen Verkehr mit Juden unterhalten.