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Chronik und Quellen
1935
August 1935

Die Gestapo Düsseldorf berichtet

Die Gestapo Düsseldorf berichtete über den Monat August 1935:

„Die jüdische Vereinstätigkeit hat infolge des Versammlungsverbotes fast gänzlich aufgehört. In Mülheim/Ruhr hielt die zionistische Ortsgruppe eine Versammlung ab, die von etwa 50 Personen besucht war. Der Vorsitzende, Dr. Falkenstein, hielt an Hand des Informationsbriefes der Zionistischen Vereinigung einen Vortrag über den bevorstehenden XIX. Zionistischen Kongreß, der inzwischen in der Zeit vom 20.-28.8.1935 in Luzern stattfand. Es wurde bekannt gemacht, daß die Revisionisten (neue zionistische Organisation) am 7.9.1935 einen Kongreß in Wien abhalten wollen. Im weiteren Verlauf der Veranstaltung erklärte der Redner, die Situation in Deutschland mache es den Zionisten zur Pflicht, mehr denn je für eine Erweiterung der Aufnahmemöglichkeit in Palästina zu wirken. Der Drang des Judentums nach Palästina sei stärker als früher. Dies beweise der starke Besuch im Palästina-Amt in Berlin.

Der Bund jüdischer Frontsoldaten hielt in Wuppertal-Elberfeld eine Versammlung zwecks Gründung eines Sportbundes ab, zu der etwa 250 Personen erschienen waren. Der Einberufer, Dr. Hoffmann, teilte mit, daß in vielen Städten bereits dem Bund jüdischer Frontsoldaten ein jüdischer Sportbund angegliedert sei. Aus Kreisen der jüdischen Gemeinde sei die Anregung ergangen, einen Sportbund ins Leben zu rufen, um auch in Wuppertal der jüdischen Jugend Gelegenheit zur sportlichen Betätigung zu geben. Die Anregung fand großen Beifall. Die Gründung des Sportbundes wurde anschließend vorgenommen.

In Duisburg ist der jüdische Kulturbund mit einigen Veranstaltungen hervorgetreten. Besonderer Aufmerksamkeit bedarf m.E. der Bund deutsch-jüdischer Jugend, dessen Bundesleitung nach dem bei der Postkontrolle erfaßten Material sich nach dem Führerprinzip umgestellt hat. Nach dem in diesem Material bekannt gegebenen Programm beabsichtigt der Bund, intensive Arbeit für ein Verbleiben der Jugend in Deutschland zu leisten.

Die allgemein beobachtete stärkere Zurückhaltung in den jüdischen Kreisen ist wohl in der Hauptsache auf die starke Propaganda gegen die Juden und auf die täglich sich wiederholenden Veröffentlichungen in den Tageszeitungen und im „Stürmer“ zurückzuführen. In Essen wurden mehrere Ermittlungsverfahren gegen jüdische Rasseschänder in die Wege geleitet. Im Verlauf dieser Verfahren wurden bereits einige Personen, darunter auch Frauen, festgenommen. Die Ermittlungen haben ergeben, daß ein Teil der Juden seit Jahren in einer kaum wiederzugebenden Weise mit deutschen Mädchen verkehrte. Das traurigste Kapitel bildet der Fall Mendel, der geständig ist, seit über 10 Jahren mit seiner früheren Kassiererin Geschlechtsverkehr gepflogen zu haben, wofür er diese seit 10 Jahren unentgeldlich mit Fleisch gelieferte. Mendel ist als Rasseschänder übelster Art anzusprechen. Es gab kaum eine Verkäuferin oder ein Lehrmädchen in seinem Laden, dem der Jude sich nicht in unsittlicher Weise zu nähern versucht hätte. Diejenigen, die sich für seine Gelüste nicht willfährig zeigten, hatten mit Drangsalierungen und fristloser Entlassung zu rechnen. Selbst vor Notzuchtverbrechen ist Mendel nicht zurückgeschreckt. In der Bevölkerung ist über das Verhalten dieses Juden starke Erregung eingetreten.

In Düsseldorf kam es zu Zusammenrottungen vor einem jüdischen Kaufhaus, in dem ein Mädchen beschäftigt war, das mit einem Juden ein intimes Verhältnis unterhalten hatte. Das Mädchen wurde mit einem Schild mit der Aufschrift „Ich suche einen neuen Juden“ durch die Straßen geführt. Das hinzugerufene Überfallkommando mußte das Mädchen zu seinem eigenen Schutz in Haft nehmen.

In Cleve fanden Propagandazüge der Bevölkerung gegen den christlichen Verteidiger des jüdischen Sittlichkeitsverbrechers Mannheimer statt. Trotz der großen Erregung, die die Handlungsweise des christlichen Rechtsanwalts in der Bevölkerung hervorgerufen hatte, ist es dank der Disziplin der Teilnehmer zu Ausschreitungen nicht gekommen.

In Radevormwald mußten 2 Juden und 2 arische Mädchen in Schutzhaft genommen werden, die in einem Wochenendhäuschen in der schamlosesten Weise Geschlechtsverkehr unterhalten hatten.

In Auswirkung der in dieser Form bisher noch nicht beobachteten überaus starken Propaganda gegen Juden kam es in meinem Bezirk zu zahlreichen Ausschreitungen und Boykottmaßnahmen. So z.B. wurden in zahlreichen kleineren Städten die Käufer bei Juden fotografiert und die Bilder dem „Stürmer“ eingesandt oder in den Stürmerkästen zum Aushang gebracht. In Opladen wurden in der Nacht die Schaufenster mehrerer Judengeschäfte mit Kalkmilch beschmiert. Die Täter konnten nicht ermittelt werden. Nachdem infolge Unkenntnis der örtlichen Verhältnisse auswärtige SA.- und HJ.-Angehörige in Uniform in einem Judengeschäft gekauft hatten, hat die Parteileitung, um eine Wiederholung dieser Vorkommnisse zu vermeiden, kleine Hinweisschilder mit der Aufschrift „Achtung, Judenladen“ vor den jüdischen Geschäften anbringen lassen. Die Juden sind auf Beschluß des örtlichen Einzelhandels aus dem Rabattsparverein ausgeschlossen worden. Weiter haben in Opladen die Inhaber der Gaststätten an deutlich sichtbarer Stelle teilweise am Eingang und an den Fenstern neben dem Eingang Schilder angebracht mit der Aufschrift „Juden nicht erwünscht“.

In Sterkrade wurden die Schaufenster mehrerer jüdischer Geschäfte mit folgenden Aufschriften versehen: „Wer beim Juden kauft, ist ein Volksverräter“, „Auf nach Palästina“. An dem Metzgergeschäft Servos in Oberhausen, dessen Inhaber wegen Sittlichkeitsverbrechens zu 4 Jahren Zuchthaus verurteilt worden ist, wurden Plakate mit folgendem Text angeklebt: „Unser Liebling ist von uns gegangen, ein Rasseschänder weniger“. Unter dem Text befand sich die Karikatur eines Juden hinter Gitter. Das Plakat war mit einem Trauerflor versehen.

In Hilden wurde bei einem jüdischen Kaufmann die Schaufensterscheibe durch Steinwürfe zertrümmert. Der Sachschaden in Höhe von 500 RM muß von der Gesamtheit der Hildener Kaufleute, die unter sich eine Kollektivversicherung abgeschlossen haben, getragen werden.

In Düsseldorf sammelten sich vor einer jüdischen Metzgerei an mehreren Tagen etwa 200 Menschen an, die ihren Unwillen über die noch bei dem Juden kaufende Bevölkerung zum Ausdruck brachten. Die Ansammlungen konnten erst restlos zerstreut werden, als das Geschäft vorübergehend geschlossen wurde.

In Geldern wurde von unbekannten Tätern der Bürgersteig vor der Synode mit roter Ölfarbe wie folgt beschrieben: „Rassenschänder verrecket!“ Weiter wurde das Schloß am Toreingang und am Synagogeneingang mit Zement zugeschmiert.

In Rheinhausen zertrümmerten unbekannte Täter eine Schaufensterscheibe eines jüdischen Geschäftes. Gegen den SS.-Mann Wilhelm Grossi aus Moers, der an drei jüdischen Geschäften die Fensterscheibe beschädigt hatte, wurde Schutzhaft verhängt. Auch in RumeIn wurden die Schaufensterscheiben eines jüdischen Geschäfts von unbekannten Tätern eingeworfen.

In Krefeld kam es, nachdem die Kundschaft der jüdischen Geschäfte fotografiert wurde und wiederholt einzelne Beschmierungen der Schaufenster vorgekommen waren, in der Nacht zum 16.8.1935 zu erheblicheren Ausschreitungen. An 3 jüdischen Geschäften wurden insgesamt 8 Schaufensterscheiben zertrümmert. Die Ausschreitungen nahmen schließlich einen derartigen Umfang an, daß die gesamte Polizei eingesetzt werden mußte. Besprechungen mit der Gauleitung, der Kreisleitung und dem zuständigen Brigadeführer führten dazu, daß vollständige Ruhe eintrat. Zwei Haupträdelsführer wurden festgenommen.

Allgemein ist zu sagen, daß die Verhinderung von äußerlich erkennbaren Boykottmaßnahmen und sogar von strafbaren Ausschreitungen gegen einzelne Juden oder deren Geschäfte solange sehr erschwert wird, als die maßgebende NS.-Presse derartige Äußerungen des Volkszorns lobend hervorhebt. Es erscheint dringend geboten, hier eine Übereinstimmung zwischen den Auffassungen der Reichsregierung und der Presse herbeizuführen.“

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