Die Gestapo Düsseldorf berichtet
Die Gestapo Düsseldorf berichtete über den Monat Februar 1935:
„In jüdischen Kreisen, insbesondere der jüdischen Jugend, wurde im Berichtsmonat wieder eine rege Tätigkeit beobachtet.
Mitte Februar wurde in Oberhausen der Bund der Deutschen Jüdischen Jugend neu gründet. Die Ortsgruppe ist dem Landesverband Essen, Vorsitzender Georg Orgler, unterstellt. Die Arbeit des Bundes besteht in der Pflege der jüdischen Geschichte, der Regelung der Frage der Berufsumbildung und Schulung der jüdischen Jugend.
Am 7.2.1935 fand im jüdischen Gemeindehaus in Mülheim (Ruhr) und am 8.2.1935 in Oberhausen je eine Versammlung des Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens statt. In beiden Versammlungen sprach der Geschäftsführer des Landesverbandes, Essen, Dr. Steinberg, über das Thema: „Deutsches Judentum. Unser Schicksal als Aufgabe“. Der Redner machte für ein Verbleiben der Juden im Inland Propaganda.
Die Synagogengemeinde Neuß hatte eine Versammlung einberufen, in der ebenfalls Dr. Steinberg über das gleiche Thema sprach.
Der Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens, Ortsgruppe Duisburg-Hamborn, hielt am 10.2.1935 eine Versammlung ab, in der der Rabbiner Dr. Swarsenski aus Berlin über das Thema „Deutscher Jude, wohin?“ sprach. Die Ausführungen des Redners gipfelten darin, die deutschen Juden von der Auswanderung zurückzuhalten.
Eine von der Sportgruppe der Ortsgruppe M.Gladbach-Rheydt des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten abgehaltene Versammlung war von 150 Personen besucht. Dr. Salomon aus Köln begann den Vortrag mit der Bekanntgabe des Hinscheidens des Malers Max Liebermann. Er führte aus, daß Liebermann in seinem Schaffen und Denken den wahren Juden verkörpert habe. Er sei aufrecht und stolz seinen Weg als Jude gegangen. Der Redner sprach dann weiter über den Sozialismus.
Bemerkenswert ist die Tatsache, daß die Ortsgruppen M.Gladbach und Düsseldorf des „Reichsbund jüdischer Frontsoldaten“ dazu übergegangen sind, innerhalb ihrer Sportgruppen besondere Motorsport-Gruppen zu bilden. Das rege Interesse jüdischer Kreise an dieser Neugründung läßt darauf schließen, daß es sich um eine neue Organisation mit überwiegend gesellschaftlichen Aufgaben und Zielen handelt.
In einer Versammlung der zionistischen Ortsgruppe Düsseldorf sprach der Rabbiner Dr. Broch aus Berlin über das Thema: „Alte und neue Assimilation“.
Die zunehmende Mißstimmung gegen die Juden führte am 23.2.1935 zu einer Ansammlung von ca. 300 Personen vor dem jüdischen Damenkonfektionsgeschäft Bellerstein in M.Gladbach. Ein gewisser Teil, hauptsächlich Angehörige der SA., PO und HJ., nahm eine drohende Haltung gegen den Firmeninhaber ein. Die Erregung war darauf zurückzuführen, daß der Firmeninhaber den Hausburschen, der gleichzeitig Betriebsobmann war, fristlos entlassen hatte, weil dieser einen in Uniform befindlichen SA.-Mann, der in dem Geschäft einkaufte, zur Rede gestellt hatte. Die Lage wurde besonders dadurch verschärft, daß ein SA.-Mann, der in der Nähe des jüdischen Geschäftes einen Zeitungsverkaufsstand hat, sich vor den Eingang des Geschäftes stellte und mit lauter Stimme den „Stürmer“ mit den Worten anbot: „Die Juden sind unser Unglück. Wer beim Juden kauft, ist ein Volksverräter.“ Bemerkenswert ist, daß trotzdem eine Anzahl Leute das Geschäft betraten, allem Anschein nach, um hiermit zu dokumentieren, daß sie mit diesem Vorgehen nicht einverstanden seien. Die Menschenmenge konnte von Schutzpolizeibeamten und Beamten der Staatspolizei zerstreut werden. Die Wiedereinstellung des Hausdieners ist zu erwarten.
Der Erlaß des Geheimen Staatspolizeiamtes vom 12.2.1935, betr. Hissen der Reichsflaggen durch Juden, hat in den jüdischen Kreisen große Bestürzung hervorgerufen. Man kann in diesen Kreisen nicht verstehen, daß den jüdischen Kriegsteilnehmern, Offizieren usw. sogar das Hissen der schwarz-weiß-roten Fahne verboten werde.
Ein bedauerlicher Vorfall ereignete sich am 2.2.1935 auf dem jüdischen Friedhof in Orsoy. In den frühen Morgenstunden wurden dort von uniformierten SA.-Männern 15 Grabdenkmäler umgeworfen und mutwillig zerstört. Die Täter wurden dem Amtsgericht Rheinberg zugeführt.“