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Chronik und Quellen
1943
Februar 1943

Februar 1943

Mit der Kapitulation die Nordgruppe der 6. deutschen Armee endete am 2. Februar endgültig die Schlacht um Stalingrad, die fast 150.000 deutsche und rund 47.000 sowjetischen Soldaten das Leben kostete.

Im Verlauf des Monats schienen dann immer größere Teile der Ostfront in Auflösung begriffen: Bereits am 1. Februar hatte Hitler die Genehmigung zur Räumung des Frontbogens von Demjansk südlich des Ilmensees erteilt. Eine Woche später eroberte die Rote Armee am 8. zunächst die mittelrussische Stadt Kursk, am 9. Belgorod und am 14. Rostow und Woroschilowgrad zurück. Wiederum zwei Tage darauf drangen sowjetische Panzerverbände in Charkow ein. Angesichts dieser Vorstöße hatte Hitler am 14. Februar den Befehl erteilt, beim Rückzug „verbrannte Erde“ zu hinterlassen – also sämtlicher Anlagen, Einrichtungen und Gebäude, die dem Gegner nützen könnten, zu zerstören, um den Vormarsch der Roten Armee zu verlangsamen.

Erst zum Monatsende hin gelang es der Wehrmacht wieder aktiv zu reagieren. Am 22. Februar trat die Heeresgruppe Süd zwischen Dnjepr und Donez ihrerseits zu einer Offensive an, wobei noch am gleichen Tag Pawlograd zurückerobert wurde, das erst vier Tage zuvor in russische Hand gefallen war. Erste Erfolge bei den schweren Kämpfen um Charkow und Stalino ließen beim Oberkommando der Wehrmacht wieder vorsichtige Zuversicht wachsen.

In Afrika gab die Lage keinerlei Anlass zu Optimismus. Nachdem am 23. Februar die deutschen und italienischen Truppen in Tunesien unter seiner Leitung zur Heeresgruppe Afrika zusammengefasst worden waren, musste Generalfeldmarschall Erwin Rommel die am 14. Februar begonnene Offensive bereits einen Tag später erfolglos abbrechen.

Die Luftangriffe auf deutsche Städte und Regionen fanden im Februar ihre Fortsetzung. In der Nacht zum 4. Februar wurde Hamburg bombardiert, am 11. und 19. des Monats folgte zweimal Wilhelmshaven. Am 25. Februar wurde eine Bombenlast von 749 Tonnen auf Nürnberg abgeworfen, tags darauf gar 1.014 Tonnen auf Köln.

Am 3. Februar ordnete Propagandaminister Goebbels angesichts der Niederlage der deutschen Truppen in Stalingrad eine viertägige Schließung aller Theater, Filmtheater, Varietés und anderer Vergnügungsstätten an. Einen Tag darauf hielt der Sicherheitsdienst der SS hielt in einem Lagebericht die Reaktionen der deutschen Bevölkerung auf die Niederlage von Stalingrad fest. Die Meldung habe „eine tiefe Erschütterung ausgelöst“, wobei zunächst „die Höhe der Blutopfer“ im Zentrum gestanden habe. „Man rechnet damit, dass der größte Teil der Kämpfer in Stalingrad gefallen ist.“ Zugleich wurden aber auch bereits die Folgen der Niederlage diskutiert: „Allgemein ist die Überzeugung vorhanden, dass Stalingrad einen Wendepunkt des Krieges bedeute.“ Zur Monatsmitte hatte dann aber offenbar zumindest ein Teil der öffentlichen Meinung zum (Zweck-) Optimismus zurückgefunden. Unter dem 15. Februar wurde nunmehr von der „weitverbreiteten“ Meinung berichtet, „dass, wenn es nicht gelinge, im Sommer mit den Russen fertig zu werden, man nicht wisse, wie der Krieg noch gewonnen werden könne“. – Es blieb also die Hoffnung auf den Sommer.

Ansonsten behielt das Kriegsgeschehen auch die „Heimatfront“ fest im Griff. Auf Anweisung von Wirtschaftsminister Walther Funk wurden am 4. Februar alle nicht kriegswichtigen Handels- und Handwerksbetriebe sowie Gaststätten geschlossen. Einen Tag später begann in Berlin eine zweitägige Konferenz der Reichsleiter, Gauleiter und Verbändeführer der NSDAP, in deren Rahmen unter dem Eindruck von Stalingrad über Maßnahmen zur totalen Kriegsmobilisierung beraten wurde.

Als eines der ersten Ergebnisse wurden am 7. Februar – einem Sonntag - im Bergbau und in der Rüstungsindustrie des Reichsgebiets erstmals besondere „Panzerschichten“ gefahren, die auch an den folgenden Sonntagen wiederholt werden sollten. Den Lohn hierfür erhielten nicht etwa die Arbeiter, sondern er wurde an das Winterhilfswerk „gespendet“. Während die Presse auftragsgemäß die Freiwilligkeit dieser Sonderschichten betonte, beklagten die ohnehin stark belasteten Arbeiter den Verlust ihres letzten freien Tages im Wochenverlauf.

Am 18. Februar hielt Propagandaminister Joseph Goebbels im Berliner Sportpalast vor geladenem und entsprechend ausgewähltem Publikum eine Rede, mit der er die Bevölkerung - nach dem Hinweis auf „Stalingrad“ als „großem Alarmruf“ - zum bedingungslosen Einsatz auf- und zugleich den „totalen Krieg“ ausrief. In der wirkungsvoll aufgebauten Rede stellte Goebbels zehn suggestive Fragen, deren Beantwortung die Zuhörer aufpeitschte und die Bejahung neuer Anstrengungen nach sich zog. Auf seine Frage „Wollt ihr den totalen Krieg“ antwortete die derart fanatisierte Masse mit einem stürmischen „Ja!“. Die Nation, so Goebbels anschließend, sei „zu allem bereit“. „Der Führer hat befohlen, wir werden ihm folgen.“ Mit dem nötigen Willen sei der Krieg zu gewinnen. „Und darum lautet die Parole: Nun Volk steh auf, und Sturm brich los!“ Der am Ende der Rede aufbrausende Beifall wurde vom Rundfunk noch eine halbe Stunde lang reichsweit übertragen! Goebbels selbst war von seinem Coup in einem Maße angetan, wie er sich zugleich von der Einfältigkeit seines Publikums abgestoßen zeigte. In seinem Tagebuch notierte er: „Diese Stunde der Idiotie! Hätte ich gesagt, sie sollen aus dem dritten Stock des Columbus-Hauses springen, sie hätten es auch getan!“

Am 24. Februar erließ Hitler einen Befehl zur Disziplinargewalt in der Wehrmacht, der einen weiteren Schritt auf dem Weg zur völligen Brutalisierung des militärischen und öffentlichen Lebens darstellte und zentrale Rechte per Federstrich außer Kraft setzte. Darin ordnete er an, dass ein militärischer Vorgesetzter „die Durchführung seiner Befehle und die Aufrechterhaltung von Disziplin und Ordnung nötigenfalls mit Waffengewalt zu erzwingen habe und Ungehorsame auf der Stelle erschießen“ könne.

Allerorten versuchte man durch verschiedene Maßnahmen Einsatzbereitschaft und Durchhaltewillen zu stärken. Bei der Zuteilung von Wohnungen im Deutschen Reich etwa wurden seit dem 27. Februar solche Personen bevorzugt, die sich zuvor im Krieg ausgezeichnet hatten. Außerdem wurden alle Wohnungsinhaber nachdrücklich verpflichtet, freien Wohnraum unaufgefordert und umgehend zu melden.

Jegliches öffentliche Leben hatte dagegen hinter die aktuellen Erfordernisse des Krieges zurückzutreten. Am 19. Februar befahl Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten auch die Einordnung des Sports unter die Aufgaben des „totalen Krieges“. Länderkämpfe oder reichsweite Meisterschaften waren künftig verboten, während Veranstaltungen bis zur Gauebene erlaubt blieben. Zugleich wurde die große Bedeutung des Sports gerade für den Krieg betont, weshalb er weiterhin unbedingt zu fördern sei. „Um Arbeitskräfte für Aufgaben der Reichsverteidigung freizumachen“, wurden sechs Tage später außerdem alle deutschen Galopp- und Trabrenntage gestrichen.

Die, die es wagten gegen das NS-Regime aufzubegehren, wurden weiterhin – und das mit brutaler Härte – unnachgiebig verfolgt. Am 18. Februar verhaftete die Münchener Gestapo die Geschwister Hans und Sophie Scholl, die der 1942 gegründeten Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ angehörten. Sie hatten Flugblätter in den Lichthof der örtlichen Universität geworfen hatten, in denen sie zum „Kampf gegen die Partei“ aufriefen. Bereits vier Tage später wurden die Geschwister und deren Freund Christoph Probst vom Volksgerichtshof unter dem Vorsitz von Roland Freisler zum Tode verurteilt und umgehend hingerichtet. Im Verlauf des Prozesses hatte Sophie Scholl ihm die Frage gestellt: „Sie wissen so gut wie ich, dass der Krieg verloren ist. Warum sind sie so feige, das nicht zugeben zu wollen.“

 

Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung

Nach weiteren Transporten im Januar und Februar 1943 holte die Gestapo am 27. Februar im Rahmen der sogenannten „Fabrik-Aktion“ zum letzten Schlag gegen die noch im „Altreich“ - und hier vor allem in Berlin - in den privaten und öffentlichen Betrieben verbliebenen jüdischen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus. Soweit greifbar, wurden in den folgenden Tagen sämtliche „ungeschützten“ Jüdinnen und Juden verhaftet, interniert und anschließend deportiert.

Am frühen Morgen des 27. Februar führte die Berliner Gestapo mit Unterstützung der Waffen-SS eine großangelegte Razzia in mehr als 100 Betrieben durch, in deren Verlauf jüdische Arbeiterinnen und Arbeiter verhaftet und in einem Sammellager interniert wurden, ohne dass sie die Möglichkeit erhielten, Familienmitglieder oder Freunde zu benachrichtigen oder gar Gepäck mitzunehmen. Andere wurden in ihren Häusern abgeholt, wobei Angehörige die Möglichkeit eingeräumt wurde, sich ebenfalls „freiwillig“ deportieren lassen.

Etwa 11.000 Personen wurden allein in Berlin verhaftet, weitere nahm die Gestapo in Rüstungs- und anderen kriegswichtigen Betrieben fest - u. a. in München, Düsseldorf, Duisburg, Essen, Kassel oder Wiesbaden sowie in Zwangsarbeitslagern etwa in Paderborn und Dresden. Bei dieser Gelegenheit erhielten in manchen Orten auch die letzten dort noch lebenden jüdischen Einwohner die Aufforderung zur Deportation.

In Berlin wurde auch das Haus der Jüdischen Gemeinde in der Rosenstraße 2-4 als Internierungslager genutzt, in dem die Gestapo rund 2.000 Betroffene - unter ihnen etwa 100 Frauen, die mit nichtjüdischen Partnern verheiratet waren - unterbrachte. Daraufhin versammelten sich vor dem Gebäude tagelang deren nichtjüdische Angehörige, überwiegend Ehefrauen der Inhaftierten, deren Protest später als mutige Demonstration gegen das NS-Regime bewertet worden ist. Wenn die Zurückhaltung der Sicherheitsbehörden sicherlich günstigen Umständen - wie etwa einer Popularitätseinbuße des NS-Regimes nach der Niederlage von Stalingrad - geschuldet war, wirft sie aber auch ein Schlaglicht darauf, welche Möglichkeiten der nichtjüdische Teil der Bevölkerung hätte haben können, um gegen die Deportationen zu protestieren. Tatsächlich wurden am 6. März 1.700 bis 2.000 in „Mischehe“ lebenden jüdischen Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter bis auf 25 Männer wieder freigelassen, 7.031 am gleichen Tag nach Auschwitz deportiert. Ob tatsächlich der Protest in der Rosenstraße die „Mischehen“-Partner vor der Deportation gerettet hat, ist bis heute umstritten, denn selbst die 25 Deportierten konnten zwei Wochen später aus Auschwitz nach Berlin zurückkehren.

Alle übrigen wurden allerdings nach Auschwitz deportiert und die meisten dort kurz nach der Ankunft ermordet.

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