Bericht der SD-Außenstelle Schwabach
Die SD-Außenstelle Schwabach berichtet am 23. Dezember 1942, dass in der ländlichen Bevölkerung die Angst vor Racheaktionen der Juden umgehe:
Betr.: SD-Lagebericht.
Nachstehend erhalten Sie zur Kenntnisnahme einen Auszug aus dem hier im Laufe des Monats Dezember angefallenen Lagebericht zur dortigen Kenntnisnahme:
Allgemeine Stimmungslage
Am Anfang des Monats Dezember herrschte im hiesigen Bereich allgemein eine gedrückte Stimmung unter der Bevölkerung, die vor allem durch Erzählungen von Frontsoldaten hervorgerufen wurde. Innerhalb der Landbevölkerung wurde die Offensive der Sowjets als sich für uns ungünstig besprochen. Es wurden Äußerungen von Rückzügen laut, die noch einen schlimmen Verlauf nehmen würden.
Gegen Ende des Monats ergaben einzelne Feststellungen, daß z.B. in Kreisen von „Schwarzsehern“ und „Meckerern“, die nicht einem stärkeren konfessionellen Einfluß unterliegen, die Lage auf den einzelnen Kriegsschauplätzen etwas besser beurteilt wird als zu Anfang des Monats. Dagegen ist die Stimmung in den, den konfessionellen Einflüssen besonders stark zugänglichen Gegenden, besonders bei der Landbevölkerung unter katholischem Einfluß, nach wie vor sehr schlecht. In diesen Gegenden wird offen zum Ausdruck gebracht, daß wir den Krieg nicht gewinnen. Hierzu wird berichtet: „Den meisten Urlaubern fällt es auf, daß sehr viele Volksgenossen in der Heimat nicht mehr an den deutschen Sieg glauben wollen und diese ihre dummen Ansichten offen gegenüber Fronturlaubern aussprechen. Ein Unteroffizier sagte mir, er könne jedem ins Gesicht schlagen, der ihm solches Geschwätz vorbringt, da dies Mißtrauen dem deutschen Soldaten gegenüber bedeutet.“
Ein anderer Fall hebt ebenfalls besonders die Stimmung der Landbevölkerung hervor: „Der Bauer Michael Körner von Meckenhausen4 schrieb in einem Brief an seinen Sohn Michael, der an der Ostfront stand, „daß in Deutschland bald alles drunter und drüber gehe usw.“ Diesen Brief legte K. einem Paket an seinen Sohn bei. Unterdessen ist nun der Sohn verwundet worden, das Paket wurde deshalb an der Front unter den Kameraden des K. junior verteilt, die den Brief lasen und an ihren Kompanieführer abgaben. Dieser gab nun den Brief weiter an die Partei mit einem Hinweis, daß solche Briefe geeignet sind, den Geist der Truppe an der Front zu verderben.“
In Hilpoltstein wird davon gesprochen, daß die z. Zt. an der Front eintreffenden jungen Burschen weinen und wieder nach Hause wollen; teilweise würden viele dieser jungen Menschen zu den Bolschewisten überlaufen.
Eine der stärksten Beunruhigungen in den kirchlich gebundenen Kreisen und in der Landbevölkerung bilden z. Zt. Nachrichten aus Rußland, in denen von Erschießung und Ausrottung der Juden die Rede ist. Diese Mitteilung hinterläßt in den genannten Bevölkerungskreisen vielfach große Angst, Kummer und Sorgen. Nach Ansicht weiter Kreise der Landbevölkerung steht es heute noch nicht fest, daß wir den Krieg gewinnen und daß dann einmal, wenn die Juden wieder nach Deutschland kommen, [sie] fürchterliche Rache an uns nehmen.
Im Gegensatz zu dieser Stimmungsbeeinflussung der ländlichen Bevölkerung steht die allgemeine Stimmung der städtischen Bevölkerung, in der die kirchliche Beeinflussung nicht so stark hervortritt wie auf dem Lande. Jedoch gibt es auch hier verschiedene Momente, die eine schlechte Stimmung hervorrufen. Einer der wichtigsten Punkte für die Stimmungsbeeinflussung besonders der Arbeiterbevölkerung bildet immer wieder die Behandlung und Betreuung von Kriegsgefangenen und Zivilarbeitern. So wird z. B. derzeit viel geschimpft, daß den im Lager an der Bahnhofstraße in Schwabach untergebrachten polnischen Kriegsgefangenen dauernd amerikanische Liebesgabenpakete durch das Rote Kreuz übergeben werden, die beste Lebensmittel, Wurst, Schokolade usw. enthalten. Erst vor einigen Tagen sei wieder eine solche Sendung mit über 600 kg eingetroffen. In den Schwabacher Betrieben spricht die Arbeiterschaft, daß es den Kriegsgefangenen bessergehe als ihnen und daß diese mehr Lebensmittel erhalten als der deutsche Arbeiter. Ein weiterer Beunruhigungspunkt unter der Arbeiterschaft bildet der Verkehr der ausländischen Zivilarbeiter auf der Reichsbahn. Es ist nicht angängig, daß polnische, sowjetrussische oder andere ausländische Zivilarbeiter in den gleichen Wagen fahren wie der deutsche Arbeiter und daß dann noch dazu die Ausländer Sitzplätze haben und der deutsche Arbeiter stehen muß. […]
Wie aus verschiedenen Meldungen hervorgeht, kann in letzter Zeit vielfach beobachtet werden, daß die Kleiderkarten, die an polnische Zivilarbeiter ausgegeben wurden, nicht immer richtig angewandt werden. So kaufen die Polen vielfach nicht die etwa notwendige Arbeitskleidung, sondern fertige Sonntagsanzüge oder Stoffe zur Anfertigung solcher Anzüge und Kleider. Die Arbeitskleidung lassen sie sich dann von ihren Arbeitgebern geben. Weiter besteht auch der dringende Verdacht, daß die Polen einen schwunghaften Handel mit ihren Kleiderkarten betreiben. So konnte z. B. in Thalmässing in einem Falle bereits ein Pole festgestellt werden, der mit Kleiderkarten anderer Polen Einkäufe für sich machte. Der Pole wurde zur Anzeige gebracht. Viel Schuld an diesen Umständen bat auch das Verhalten der deutschen Geschäftsleute, die ihre Waren auch an Polen verkaufen, obwohl sie Anweisung haben, was sie an Polen abgeben dürfen.
Aus Greding wird berichtet: „In der Gastwirtschaft Kraus in Mettendorf geben sich meist sonntags vormittags französische Kriegsgefangene ein Stelldichein und hören ausländische Sender ab. Wenn es sich auch vorwiegend um französische Sender handeln dürfte, so kann ein solches Treiben doch nicht weiter geduldet werden. Der Sonntagvormittag eignet sich dort für die Franzosen besonders gut, da die Einwohnerschaft von Mettendorffast vollständig in der Kirche ist und deshalb die Gefangenen, zu denen sich auch solche aus anderen Orten gesellen, ungestört sind. Verantwortlich für das Abhören der ausländischen Sender durch die Franzosen ist zweifellos die Wirtin Walburga Kraus, die den Franzosen ohne weiteres gestattet, das Rundfunkgerät selbst zu bedienen.“
Die katholische Schuljugend in Greding bekommt schon seit längerer Zeit außer dem Unterricht, der im Schulsaal stattfindet, weiteren Religionsunterricht im sogenannten Schutzengelhaus. Der Grund soll der sein, daß die Unterrichtsstunden, die in der Schule stattfinden, als zu wenig angesehen werden. Besonders aktiv in dieser Beziehung ist ein Kurator, der noch gar nicht so lange in Greding ist und von dem gesprochen wird, daß er Jesuit wäre. Es wird erzählt, daß im Unterricht im Schutzengelhaus die Kinder bei geringen Vergehen sich auf ein Holzscheit knien müssen und daß viele mit dem Stock geschlagen werden.
Es ist sehr schade, daß in solchen Gegenden die HJ so wenig in Erscheinung tritt. Aber am schlimmsten wirkt sich das beim Jungvolk und den Jungmädeln aus. Der Bann Schwabach sollte sich bestimmt mehr um die Landeinheiten kümmern und nicht so viel vom grünen Tisch aus arbeiten.
Wie aus dem Landkreis Hilpoltstein berichtet wird, wurden dort in den letzten Tagen die Kirchensteuerzettel des ev. luth. Kirchensteueramtes Nürnberg an die Kirchensteuerpflichtigen zugestellt. Allgemein aufgefallen sind in diesem Bevölkerungskreis, der nicht gerade klein ist, die hohen Beträge der Kirchensteuer. Wenn sich auch bis jetzt nur wenige Volksgenossen über die Höhe der Kirchensteuer ausgelassen haben, so hört man doch bereits da und dort Andeutungen über die geringe Tätigkeit der Pfarrer, die doch eigentlich nicht mit den hohen Steuern vereinbar ist. Die meisten Volksgenossen halten mit ihren Äußerungen nur deswegen zurück, weil geschäftliche Bindungen im Zusammenhang stehen, jedoch ist eine „innere Gärung“ sehr deutlich wahrnehmbar und verschiedentlich konnten schon leise Andeutungen über einen evtl. Austritt aus der Kirche gehört werden.