Aktennotiz der Reichsvereinigung der Juden zur Wohnungsfrage
Der Leiter der Synagogengemeinde Hannover erhält am 14. Mai 1942 vom Stadtinspektor Anweisungen zur Räumung mehrerer „Judenhäuser“:
Der Leiter der Synagogen-Gemeinde Hannover, Max Israel Schleisner, begab sich auf telefonische Verabredung vom 13. ds. Mts. in das Büro des Herrn Stadtkämmerers Weber. Dort wurde ihm erklärt, der Herr Stadtkämmerer sei dienstlich verhindert; die Angelegenheit sei aber mit Herrn Stadtinspektor Queisser besprochen, an den der Leiter der Synagogen-Gemeinde sich wenden solle.
Es fand darauf eine Besprechung mit Herrn Stadtinspektor Queisser von der Mob-Abteilung statt. Der Leiter der Synagogen-Gemeinde legte dar, daß ihn Herr Stadtoberinspektor Liebeknecht von der Grundstücksabteilung an Herrn Stadtkämmerer Weber als den zuständigen Dezernenten für die Weiterbelassung der Grundstücke Ohestraße 8 und 9 erwiesen habe. Durch das Büro des Herrn Stadtkämmerer Weber sei er zu Herrn Stadtinspektor Queisser geschickt.
Es wurde darauf hingewiesen, daß auf Grund des Rundschreibens vom 27.1.1942, 41/18/28, wir Räumungsverlangen erst nachkommen könnten, wenn über die Kosten der Räumung zuvor eine Entscheidung der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland Berlin, bezw. deren Aufsichtsbehörde herbeigeführt sei. Aus diesem Grunde habe auch die Synagogen-Gemeinde Hannover das dem Leiter der Abt. Fürsorge, Joachim Israel Schendel, am Freitag, dem 1. Mai ds. J. mündlich mitgeteilte Räumungsverlangen nach Berlin weiterberichten müssen.
Es wurden die Wohn- und Verpflegungsverhältnisse der Juden in Hannover durchgesprochen, wobei Herr Stadtinspektor Queisser sich auf den Standpunkt stellte, daß evtl. die Küche des Altersheims und Krankenhauses Ellernstraße 16 die Verpflegung der Ohestr. 8 und der sonst an der Küche aus anderen Häusern beteiligten Personen mitübernehmen müsse. Von der Synagogen-Gemeinde wurde auf die bestehenden Schwierigkeiten, wie Belastung der Küche des Krankenhauses, weite Entfernung von den übrigen Judenhäusern und der nicht zu lösenden Schwierigkeit des Transportes von der Ellernstraße zu den anderen Judenhäusern hingewiesen. Herr Stadtinspektor Queisser erklärte sodann, daß dann eine Küche im Keller des Hauses Ohestraße 8 eingerichtet werden könnte. Auf die Schwierigkeiten wegen Beschaffung eines Herdes, der Beschaffung der notwendigen Materialien und der Bereitstellung von Handwerkern sowie auf die Verlegung der Kleiderkammer von der Ohestraße 9 nach der Bergstraße 8, was alles eine längere Zeit erfordere, wurde hingewiesen. Herr Stadtinspektor Queisser erklärt, wir hätten von der Inanspruchnahme des Grundstücks Ohestr. 9 bereits nach der Rückspräche mit Joachim Israel Schendel Nachricht erhalten. Das Grundstück Ohestr. 9 werde benötigt und müsse geräumt werden. Der letzte Termin dazu sei der 20. ds Mts., eine Verlängerung darüber hinaus käme nicht in Frage. Es wurde nochmals auf die Schwierigkeit, die Räumung innerhalb einer solchen Frist durchzuführen, hingewiesen weiter darauf, daß vorher eine Genehmigung der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, Berlin, bezw. deren Aufsichtsbehörde für die entstehenden Kosten vorliegen müsse. Herr Queisser erklärte, daß Haus Ohestraße 9 sei beschlagnahmt (was bereits am Freitag, dem 1. Mai, unserer Abt. Fürsorge mitgeteilt worden ist). Es wurde auch von seiten der Synagogen-Gemeinde darauf hingewiesen, daß bislang Verfügungen nur mündlich von seiten der Mob-Abteilung gegeben seien und wir eine schriftliche Verfügung noch nicht erhalten hätten.
Seitens der Synagogen-Gemeinde wurde im Laufe des Gesprächs darauf aufmerksam gemacht, daß die Synagogen-Gemeinde den Auflagen zur Räumung von Grundstücken bislang pünktlich innerhalb der festgesetzten Frist nachgekommen sei und daß die Synagogen-Gemeinde selbstverständlich bestrebt sei, den Auflagen der Mob-Abteilung auch bezüglich des Hauses Ohestraße 9 nachzukommen, soweit es die Anordnungen der ihr Vorgesetzten Stelle, der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, Berlin, und der dieser Vorgesetzten Aufsichtsbehörde zuließen.
Herr Queisser verlangte, daß ihm Vorschläge bezüglich der Räumung des Hauses Ohe-Straße 9 umgehend gemacht würden. Es wurde ihm erklärt, daß die Gemeinde diese Vorschläge bereits vorbereitet habe. Die Kleiderkammer müsse notfalls aus dem Hause Ohestraße 9 nach der Bergstraße 8 verlegt werden, die Wohnungen Schendel, Abrahamson und Schleisner aus dem Hause Ohestraße 9 in den 1. Stock des Hauses Ohestraße 8. ebenso das Büro der Abt. Fürsorge von der Ohestraße 8 in die Bergstraße 8 in das Erdgeschoß, eine Anzahl von Leuten aus der Bergstr. 8 müßten in die Wunstorfer Str. 16 a verlegt werden, auch aus dem Hause Bergstr. 8 eine Anzahl von Leuten in die Wunstorfer Str. 16 a bezw. in das Altersheim Ellernstraße 16. Eine Küche für etwa 35 Leute ließe sich in der Wunstorfer Straße 16a schaffen. Herr Queisser erwiderte, daß er solche Vorschläge von uns nach Möglichkeit berücksichtigen werde, da es ihm einerlei sein könne, wie wir die Umlegung infolge Räumung des Hauses Ohestr. 9 durchführen wollten. Herr Queisser erklärte im Laufe der Besprechung, daß das Grundstück Ohestraße 8 voraussichtlich über den 1. Juli ds.J. hinaus uns belassen werden könne, auf wie lange Zeit ließe sich von vornherein aber nicht sagen. Am Ende der Besprechung fragte der Leiter der Synagogen-Gemeinde, ob er vorstehende Mitteilung an die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, Berlin, weitergeben könne, was Herr Queisser bestätigte.