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Chronik und Quellen
1942
Mai 1942

Brief von Frieda Stiefel aus Hildburghausen an Robert, Lieselotte und Esti Bach in Jerusalem (24.3.1942 bis 8.5.1942)

Frieda Stiefel schildert im Frühjahr 1942 der Familie ihrer nach Jerusalem ausgewanderten Tochter, wie beunruhigt sie über die Deportationen ist:

Meine geliebten Kinder!

Es ist früh 6 Uhr, und ich will Euch ein p. Gedanken niederlegen. Vielleicht ist es der letzte Brief, den ich an Euch schreibe. Ich weiß es nicht. Gott mag es wissen.

Ihr werdet wohl über die Ereignisse hier, durch Zeitungen, Radio u.s.w. im Bilde sein und wissen, daß viele Juden schon von hier nach Polen abtransportiert wurden. Onkel Max und Frau mußten schon im November von Köln aus mit einem Transport nach Lotz, bis z. 18. Dez. bekamen wir verschiedene Karten, seitdem nichts mehr. Diese Woche bekamen wir Quittungen über Geld, was wir ihm sandten, mit seiner eigenhändigen Unterschrift. Wenigstens ein Lebenszeichen. Gestern wurde Nürnb. frei gemacht. Nur Leute über 65 Jahre durften bleiben. Aber was aus ihnen wird, ist auch die Frage. Am Mittwoch, also morgen, den 25.3. kommt Eisenach daran. Da ist es wohl natürlich, daß auch wir daran denken, da man nun nicht weiß, was alles noch kommen kann, so werde ich Frau Gerau diesen Brief geben, den sie Euch nach Beendigung des Krieges senden soll. Ihr müßt euch nicht aufregen, wenn es anders kommt, als wir es uns gewünscht haben. Gegen [das] Schicksal kann man nicht an. Ich habe immer Mut, was auch kommen mag. Auch den Stern habe ich mit der nötigen Würde und Mut getragen.

Das schwerste Problem ist für uns Tante Emmi, die leider sehr hilflos ist und die man nicht allein zurücklassen kann und [die] noch unmöglicher mit kann. Wenn es so weit kommen sollte, werden wir versuchen, daß Erna bei ihr hierbleiben darf. Ob es gelingt, weiß ich nicht. Seit einigen Wochen gehe [ich] mit Bella Blumenkron und Anneliese nach Veilsdorf arbeiten. Wir haben uns gut eingefügt, und die Arbeit ist leicht.

Auch das Essen ist gut. Vielleicht schützt uns auch die Arbeit vor Polen. Die Vorgesetzten sind nett zu uns, und wir haben keine Klage. Herr Mendel hat sich gleich nach dir, l. Liesel erkundigt. So, nun für heute Schluß, ich muß zur Bahn. 7 [... ] geht mein Zug.

Heute Mittwoch d. 25. März, schreibe ich weiter. Eisenach wurde heute evakuiert. In Veilsdorf wird man uns reklamieren und alles tun, um uns zu helfen, wenn es dazu kommen sollte. Wir kommen natürlich nicht zur Ruhe, dafür ist gesorgt. Ich bin so froh, daß ihr in Sicherheit seid und ich diese Sorgen nicht habe. Denn wenn ich denke, daß Rehbocks mit dem kleinen Peter fortmußten, [packt] mich das Grauen. Noch sind auch Tante Flora und Onkel Adolf in Köln. Hoffentlich noch länger.

Wertheims aus Düren sind mit vielen anderen für Polen aufgefordert. Wir haben schon vor einem halben Jahr die Vorbereitungen dazu getroffen. Man weiß ja am Abend nicht, was der nächste Tag bringt, und ob man diese Zeit überleben wird. In Veilsdorf ist auch Heinz, Frau Julius Mühlfelder und Else Mühlfelder, von Sali M. die Frau, Frau Moosbacher, Lotte Walter, Rut Stein u. noch viele andere. Aus Wien 20 Frauen. Wir wünschen uns, bis Ende des Krieges bleiben zu können

D. 29. März, Fortsetzung. Eben jetzt wurden unsere Kennkarten abgeholt. Was weiter wird, muß man sehen. Schreiben wollte ich euch noch, daß unsere Koffer und 1 Kiste in Basel bei Sped. Danzas liegt. Jenny Bloch hat das Lagergeld ausgelegt. Es ist leider nicht getrennt gepackt. Die Kölner und [...]

Es ist ein rotes Kleid für dich, l. Liesel. Eines f. Esti und zwei geblümte, 1 für Esti und 1 für Dani. Eine graue Hose, lb. Robert, und 1 blauer Filzhut und Panamahut f. dich lieber Robert. Ein Florentiner ungarniert für dich, meine gel. Liesel. Für Esti ist noch eine Puppe dabei. Das schwarze Kleid mit den Seideneckchen [?] ist mein und eines mit weißen [?] Rüschchen und sonst noch vieles. An sich sind dies ja keine Wichtigkeiten Die Hauptsache ist, daß alles gesund bleibt und wir uns vielleicht doch nochmal sehen Morgen, d. 30.3., fahren wieder früh nach Veilsdorf.

So, meine geliebten Kinder, nun sind wieder einige Tage vergangen, heute ist der 5. April. Die Pessachtage können wir in keiner Weise halten. Mazze gibt es gar keine. Doch auch das wird vorübergehen. Ich will euch noch mitteilen, daß Onkel Emil, Fanny und Ruth schon im Nov. nach Polen mußten. Nachricht habe ich bis heute keine erhalten überhaupt hat keiner, der bei diesem Transport Angehörige hat, eine Zeile erhalten. Ich bedauere es sehr. Ich schrieb euch nichts [davon], da Tante Fanny mich extra bat, daß Lilli es nicht erfährt. Heute ist der 1. Osterfeiertag. Wir haben von Sonnabend bis Dienstag frei. So ist es hier still. Ich will noch bemerken, daß in der Kiste ein schwarzer Kleiderkoffer, nicht so groß, ist, der hat eine Tasche in dem ein Hermelinpelzchen für dich, l. Liesel, ist. Einige Umschlagtücher und Kopfkissen für Esti. Ich ließ auch die Puppenwiege mitgehen für Esti.

Heute ist der 18. April. Inzwischen sind wieder Tage dahingegangen, und es hat sich nichts Wesentliches ereignet. Gestern bekam ich Euren Brief v. 1./3., natürlich hatte ich eine große Freude. Man hat ja nur einen Wunsch, der Krieg möge zu Ende sein.

Blatt II d 8. Mai 1942

So nun sind wir soweit, mit nach Polen zu müssen. Erna ist reklamiert, bei Tante Emmi zu bleiben, da sie nicht allein sein kann. Es ist eine Beruhigung für mich. Rehbocks sind auch verschont, da Rehbock das Verwundeten-Abz. aus dem Weltkrieg hat. Bella, Inge Blumenkron, die Themarerer, Anna und Max Friedmann aus Römhild, Meiningen und Eisenach, wir gehen zusammen. Unser ganzes Arbeitskollegium Veilsdorf. Es ist gut, daß Rehbocks nicht mit brauchen, schon des Kindes wegen. Wenn ich schreiben kann von dort, tue ich es. Lebt wohl, meine geliebten Kinder, und seid viel tausend Mal geküsst.

Eure Mutter

Ich mache mir es nicht so schwer. Sorgt Euch nicht und macht Euch keine Gedanken. Wie es das Schicksal will. Vielleicht kommen [wir] schon bald wieder.

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