Geheimer Schnellbrief des RSHA (Eichmann) an alle Staatspolizei(leit)stellen im „Altreich“
Adolf Eichmann erteilt der Gestapo am 31. Januar 1942 Richtlinien zur Deportation der Juden:
Betrifft: Evakuierung von Juden.
Bezug: Ohne.
Die in der letzten Zeit in einzelnen Gebieten durchgeführte Evakuierung von Juden nach dem Osten stellt den Beginn der Endlösung der Judenfrage im Altreich, [in] der Ostmark und im Protektorat Böhmen und Mähren dar.
Diese Evakuierungsmaßnahmen erstreckten sich zunächst auf besonders vordringliche Vorhaben, so daß nur ein Teil der Staatspolizei(leit) stellen bei den abgewickelten Teilaktionen angesichts der beschränkten Aufnahmemöglichkeiten im Osten und der Transportschwierigkeiten berücksichtigt werden konnte.
Zur Zeit werden neue Aufnahmemöglichkeiten bearbeitet mit dem Ziel, weitere Kontingente von Juden aus dem Altreich, der Ostmark und dem Protektorat Böhmen und Mähren abzuschieben. Die genaue Planung und Vorbereitung dieser weiteren Evakuierungsaktionen macht zunächst eine gewissenhafte Feststellung der noch im Reichsgebiet ansässigen Juden nach folgenden, den Richtlinien für die Evakuierung entsprechenden Gesichtspunkten erforderlich:
Erfaßt werden können im Zuge dieser Evakuierungsaktion alle Juden (§ 5 der 1. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14.11.1935, RGBl. I, S. 1333).3 abgesehen von folgenden Ausnahmen:
1) In deutsch-jüdischen Mischehen lebende Juden.
2) Juden ausländischer Staatsangehörigkeit (ausgenommen staatenlose Juden sowie Juden mit ehemals polnischer und luxemburgischer Staatsangehörigkeit).
3) Im geschlossenen kriegswichtigen Arbeitseinsatz befindliche Juden, für die eine Zustimmung zur Evakuierung seitens der zuständigen Rüstungskommandos (Rüstungsinspektionen) sowie der Landeswirtschaftsämter und Arbeitsämter aus wehrwirtschaftlichen Gründen z. Zt. nicht gegeben werden kann. (Die sich daraus ergebenden vorläufigen Zurückstellungen sind jedoch im Einvernehmen mit diesen Stellen auf ein tragbares Mindestmaß zu beschränken.)
4) Juden
a) im Alter von über 65 Jahren,
b) sowie Juden im Alter von 55-65 Jahren, die besonders gebrechlich und daher transportunfähig sind.
Bei jüdischen Ehen, in denen ein Eheteil unter 65 Jahre und der andere über 65 Jahre alt ist, können beide Teile dann evakuiert werden, wenn der in Frage kommende Eheteil nicht älter als 67 Jahre ist und ein amtsärztliches Zeugnis für die Arbeitsfähigkeit dieses Eheteils erbracht werden kann. Weitere Ausnahmen sind auf keinen Fall zulässig. (Für die auf Grund des Alters nicht zu evakuierenden Juden ist später gesonderte Regelung vorgesehen).
5) Jüdische Rechtskonsulenten sind in einem entsprechenden Verhältnis zur Zahl der zunächst verbleibenden Juden zu erfassen.
6) Ehetrennung sowie Trennung von Kindern bis zu 14 Jahren von den Eltern ist zu vermeiden.
Ich bitte, unverzüglich die erforderlichen Feststellungen innerhalb des dortigen Dienstbereiches zu treffen und bis spätestens 9.2.1942 (Anträge auf Terminverlängerung können nicht berücksichtigt werden) unter Beantwortung nachstehender Fragen zu berichten:
1) Zahl der Juden deutscher Staatsangehörigkeit (einschließlich der Staatenlosen wie Juden ehemals polnischer und luxemburgischer Staatsangehörigkeit) im Sinne h°" gesetzlichen Bestimmungen im dortigen Bezirk. (Gesamtzahl und Verteilung auf die einzelnen Orte.)
2) Zahl der in deutsch-jüdischen Mischehen lebenden Juden.
3) Zahl der Juden mit ausländischer Staatsangehörigkeit. (Ausgenommen staatenlose Juden sowie Juden mit ehemals polnischer und luxemburgischer Staatsangehörigkeit)
4) Zahl der Juden mit slowakischer, kroatischer und rumänischer Staatsangehörigkeit.
5) Zahl der im geschlossenen Arbeitseinsatz stehenden Juden, die mit Rücksicht auf wehrwirtschaftliche Belange z. Zt. zur Evakuierung nicht freigegeben werden können
6) Zahl der Juden über 65 Jahre.
7) Zahl der über 55 Jahre alten, besonders gebrechlichen und transportunfähigen Juden
8) Gesamtzahl der für eine Evakuierung in Betracht kommenden Juden nach Beachtung obenstehender Ausnahmen. (Verteilung auf die einzelnen Orte.)
Diese Gesamtzahl nach dem neuesten Stand ist maßgebend für die spätere Zuteilung von Transportzügen bzw. für die Zusammenstellung von Evakuierungstransporten. Fehlanzeige ist erforderlich.
Auf eine genaue und gewissenhafte Feststellung ist besonderer Wert zu legen, damit von vornherein Verschiebungen oder Änderungen im Transportprogramm vermieden werden.
Von weiteren, über diese Feststellungen hinausgehenden Maßnahmen ist bis zum Eingang weiterer Weisung abzusehen.