Vermerk von Ministerpräsident Göring
Die Behörde des Beauftragten für den Vierjahresplan bilanziert am 3. Mai 1937 die Auswirkungen der „Arisierung“ des jüdischen Kunsthandels:
1.) Vermerk
Aus Einzeleingaben und einer Sammeleingabe des Rechtsanwalts und Notars Dr. Moral Ende v. J. ging hervor, daß sich auf dem Gebiet des deutschen Kunsthandels eine sowohl nach der ideellen wie wirtschaftlichen Seite gefährliche Entwicklung angebahnt hat. Da sich eine große Zahl auch der bedeutendsten Kunsthandlungen in jüdischem Besitz befindet, schaltete der Reichspropagandaminister (die Reichskulturkammer) im Laufe des Jahres 1936 diese Betriebe k. Hd. aus, indem er ihre Weiterführung untersagte. Dadurch, daß den jüdischen Vorbesitzern nicht einmal gestattet wurde, den arischen Erwerbern der Betriebe an die Hand zu gehen, insbesondere ihnen ihre Erfahrungen zu vermitteln und ihre internationalen Verbindungen zu übertragen, wurde die Übernahme durch arische Interessenten gleichzeitig erschwert, wenn nicht gar verhindert.
Zu den verschiedenen Eingaben wurde über den Kulturminister der Generaldirektor der staatlichen Museen gehört, der sich in seinem Gutachten vom 4. Januar 1937 ausführlich zu der Frage äußert und u. a. sagt:
„Der vor einigen Jahren noch blühende ... in Deutschland beheimatete Kunsthandel ist heute so gut wie zerschlagen.... Die großenteils durchgeführte Zerstörung des deutschen Kunsthandels ist das Werk der Reichskammer der bildenden Künste ... Werden die Geschäfte, weil sie jüdische sind, geschlossen oder von unerfahrenen Nichtjuden übernommen und damit ihres Rufes beraubt, so haben die Sammler keine Veranlassung mehr etwa Berlin oder München zu besuchen....
In Übereinstimmung mit den Direktoren Demmler, Schmidt, Winkler und Zimmermann empfehle ich daher, die Auflösung oder Arisierung derjenigen jüdischen Kunsthandlungen, gegen deren Geschäftsgebarung nur der Einwand zu erheben ist, daß ihre Inhaber Juden sind, mit größter Vorsicht vorzunehmen.“
Um an Hand eines Einzelfalls ein klareres Bild zu erhalten, hat der hiesige Sachbearbeiter - einem Wunsch von Professor Binder folgend - mit dem Kunsthistoriker Dr. phil. Grosse mündlich verhandelt und anschließend die beigefügte Notiz vom 3. Februar d. J. erbeten. Aus ihr geht hervor, daß die Tätigkeit der Reichskammer der bildenden Künste sich anscheinend nur negativ auswirkt. Sie verbietet jüdische Betriebe, genehmigt einen Vorschlag zur Arisierung nicht, enthält sich aber auch zweckmäßiger Gegenvorschläge. Interessant ist auch die Behauptung Dr. Grosses, daß seit dem Herbst v. J. mindestens 200 Kunsthandelsunternehmen ausgeschaltet [worden] sind. Ersatz für diese Geschäfte ist, soweit sie Spezialgeschäfte sind, kaum oder gar nicht vorhanden. Eine Überführung der Geschäfte in arische Hände sei nur denkbar, wenn den bisherigen Inhabern während einer gewissen Übergangszeit die Einarbeitung des neuen Besitzers gestattet werde.
Über die geschäftliche und persönliche Qualität einiger bedeutender jüdischer Kunsthändler liegt eine Reihe positiver Gutachten vor; so wird z. B. zu Lederer auf den Oberpräsidenten Philipp von Hessen, Gen. Oberst von Seeckt und den ebenfalls verstorbenen Staatsrat Wiegand, zu Cramer auf den Geheimrat Zimmermann, die Direktoren Luthmer und Schmidt usw. verwiesen.
Da der Herr Ministerpräsident der Kunst und dem Kunsthandel besonderes Interesse entgegenbringt und da er überdies als Beauftragter für den Vierjahresplan - wenn andere es nicht tun oder nicht tun können - darauf hinwirken muß, daß vermeidbare Schädigungen unseres Devisenaufkommens vermieden werden, empfiehlt es sich, den Herrn Propagandaminister um Stellungnahme zu bitten und ihn dadurch auf eine Angelegenheit aufmerksam zu machen, deren Auswirkungen ihm anscheinend nicht bekannt sind.