Runderlass des Gestapa an alle Staatspolizeileitstellen
Das Geheime Staatspolizeiamt informiert die Gestapostellen am 14. November 1936 über die Vorschriften für die Jüdische Winterhilfe 1936/37:
Betrifft: Betreuung der Juden im Winterhilfswerk 1936/37 und die Beteiligung der Juden am Spendenaufkommen.
Der Reichsbeauftragte für das Winterhilfswerk des Deutschen Volkes 1936/37 hat nachstehende Richtlinien für die Betreuung der Juden im Rahmen des Winterhilfswerks und für die Beteiligung der Juden am Spendenaufkommen erlassen.
„I. Betreuung.
1.) Hilfsbedürftige Juden werden durch das Winterhilfswerk des Deutschen Volkes nicht betreut. Ihre Unterstützung obliegt ausschliesslich der Zentral-Wohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland und den ihr angeschlossenen Stellen.
Sie erfolgt unter meiner Aufsicht nach den von mir genehmigten Richtlinien.
2.) Jüdische Mischlinge werden durch das Winterhilfswerk des Deutschen Volkes unterstützt.
3.) Familien aus Mischehen zwischen Deutschblütigen und Juden werden betreut:
a) vom Winterhilfswerk des Deutschen Volkes, wenn der Haushaltungsvorstand Deutschblütiger ist.
b) von der Zentral-Wohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland, wenn der Haushaltungsvorstand Jude ist.
II. Beteiligung am Spendenaufkommen.
1.) Bei Juden darf für das Winterhilfswerk des Deutschen Volkes weder gesammelt noch dürfen von ihnen Spenden für das Winterhilfswerk des Deutschen Volkes entgegengenommen werden.
2.) Jüdische Mischlinge werden durch das Winterhilfswerk des Deutschen Volkes zu Spenden herangezogen.
3.) Familien aus Mischehen zwischen Deutschblütigen und Juden werden zu Spenden herangezogen.
a) durch das Winterhilfswerk des Deutschen Volkes, wenn der Haushaltungsvorstand Deutschblütiger ist.
b) durch die Zentral-Wohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland, wenn der Haushaltungsvorstand Jude ist.
4.) Die jüdische Spendenwerbung ist auf den Kreis der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland beschränkt. Demnach ist eine Spendenwerbung der jüdischen Winterhilfe bei Firmen, deren Inhaber nicht jüdisch sind, unzulässig, da sie über den Kreis der jüdischen Gemeinschaft hinausgeht und eine auf Grund des Sammelgesetzes vom 5. November 1934 verbotene öffentliche Sammlung ist. Eine Werbung bei Kapitalgesellschaften (namentlich Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung) durch die jüdische Winterhilfe erfolgt nicht.
III. Begriffsbestimmung.
Die Entscheidung, ob eine Person Deutschblütiger, Jude oder jüdischer Mischling ist, erfolgt auf Grund des Reichsbürgergesetzes vom 15. Sept. 1935 und seiner ersten Durchführungsverordnung vom 14. Nov. 1935 (s. Anlage). Konfessionelle Gesichtspunkte finden keine Berücksichtigung.
IV. Hilfsbedürftige Ausländer.
Im deutschen Reich lebende hilfsbedürftige Ausländer werden ohne Berücksichtigung ihrer rassischen Zugehörigkeit durch das Winterhilfswerk des Deutschen Volkes betreut, wenn sie sich durch ihre Haltung und Einstellung gegenüber dem Deutschen Reich dieser Unterstützung würdig erweisen.“
Sofern in Versammlungen der jüdischen Organisationen oder des „Paulus Bundes“ gegenteilige Behauptungen aufgestellt werden sollten, ersuche ich das Erforderliche in eigener Zuständigkeit zu veranlassen und mir zu berichten.
Der Erlass ist zur Bekanntgabe an die Orts- und Polizeibehörden bestimmt.