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Chronik und Quellen
1936
November 1936

November 1936

Am 14. November erklärte die Reichsregierung einseitig die Wiederherstellung der deutschen Hoheit über die Flüsse Rhein, Elbe, Donau und Oder, die 1919 im Versailler Vertrag unter internationale Kontrolle gestellt worden waren. Auch das wiederum ein in der Bevölkerung mehrheitlich positiv aufgenommener selbstbewusster Akt zur Aushöhlung des Versailler Vertrags.

Am 5. November schloss die amtliche Strafrechtskommission, die sich unter der Leitung von Justizminister Gürtner und Staatssekretär Freisler seit 1933 mit einer „Ausgestaltung des neuen nationalsozialistischen Strafrechts“ befasst hatte, ihre Arbeiten ab und stellte deren Ergebnisse im Rahmen einer Pressekonferenz vor. Damit wurde das bereits am 28. Juni 1935 eingeführte „Analogierecht“ fest im deutschen Justizwesen verankert, so dass auch Taten bestraft werden konnten, die gesetzlich nicht verboten waren. Es kam künftig kurzerhand jenes Gesetz zur Anwendung, dessen „Grundgedanke“ die angebliche Straftat „am besten“ traf. Zur entscheidenden Richtlinie in solchen Fragen wurde das „gesunde Volksempfinden“ der urteilenden Richter. Damit war der Willkür bei der Ahndung und Bestrafung aller vorgeblich gegen das NS-Regime gerichteten Handlungen Tür und Tor geöffnet.

Der deutsche Alltag war nach wie vor von Versorgungsfragen geprägt. Seit dem 1. November wurden in Drogerien, Parfümerien und Seifengeschäfte reichsweit Sammelbehälter für Altmetalle aufgestellt, um so eine „restlose Ausnutzung von ansonsten zu importierender Rohstoffen“ zu gewährleisten. Und im Rahmen des „Internationalen Kongresses der Brotindustrie“ in Leipzig wurde am 5. November die Verminderung des Fleisch- und Fettkonsums zugunsten einer stärkeren Berücksichtigung von Brot als Nahrungsmittel gefordert. Dabei wurde ganz im Sinne der deutschen Autarkiebestrebungen betont, dass die deutsche Broterzeugung zu 100% aus eigener Ernte gedeckt werde.

Joseph Goebbels arbeitete weiter an der Perfektionierung seines Propagandaapparates. Am 13. November ordnete er an, dass künftig sämtliche Ausstellungsvorhaben den örtlichen Stellen des Ministeriums anzuzeigen seien. Das bedeutete eine weitgehend lückenlose Überwachung jeglicher lokaler öffentlichen Meinungsäußerung. Am 27. November verkündete Goebbels schließlich das Verbot jeglicher Kunstkritik, um so die öffentliche Meinungsbildung in kulturellen Fragen den NS-Vorstellungen anzupassen. Der Kunstbetrieb solle, so hieß es im entsprechenden Erlass, „weniger Wertung als vielmehr Würdigung sein“, um dem Publikum so die Möglichkeit zu geben, „aus seiner eigenen Einstellung und Empfindung sich über künstlerische Leistungen eine Meinung zu bilden“. Was vordergründig vielleicht wie eine Befreiung von selbsternannten „Kunstrichtern“ wirkte, bedeutete nichts anderes als die Abschaffung jeder freien Meinungsbildung im Kultursektor. Daran ließ auch der stellvertretende Pressechef der Reichsregierung zwei Tage später keinen Zweifel aufkommen: „Für die Beurteilung eines Kunstwerkes kann auch nur die nationalsozialistische Kulturauffassung maßgebend sein. Nur Partei und Staat sind in der Lage, aus dieser nationalsozialistischen Kunstauffassung heraus Werte zu bestimmen.“

In religiösen Dingen wurden seitens des Innenministeriums am 29. November per Erlass neue Begriffe eingeführt, die nicht unbedingt für Klarheit sorgten. Danach war nunmehr in allen öffentlichen Vordrucken und Urkunden zwischen Angehörigen einer Religionsgemeinschaft, „Gottesgläubigen“ und „Glaubenslosen“ zu unterscheiden. Der neue Begriff „gott(es)gläubig“ stand von diesem Zeitpunkt an für konfessionslose, gläubige Nationalsozialisten.

 

Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung

Am 14. November erteilte das Geheime Staatspolizeiamt die Anweisung, dass hilfsbedürftige Jüdinnen und Juden nicht mehr durch das „Winterhilfswerk des Deutschen Volkes“ betreut werden dürften. Deren Unterstützung liege künftig ausschließlich in Händen der Zentral-Wohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland und den ihr angeschlossenen Stellen.

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