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Chronik und Quellen
1936
Juli 1936

Brief Martin Gumpert (New York) an seine Schwester Minni Steinhardt (Jerusalem)

Martin Gumpert beschreibt seiner Schwester in Palästina am 31. Juli 1936 die Probleme des Geld- und Besitztransfers bei der Emigration in die USA:

Liebe Minni,

ich erhielt soeben einen Brief von meiner Schwiegermutter aus [dem] Hotel Penegal auf der Mendel, wo sie mit Nina zur Zeit ist. Sie schreibt, sie hätte einen verzweifelten Brief von Dir erhalten, dass ich Deine Briefe nicht beantworte. Ich kann mich nicht entsinnen, einen Deiner Briefe nicht beantwortet zu haben, soweit ich sie erhalten habe.

Sie schreibt, Du möchtest Jaks Bilder, „Ahnenbilder“, Bücher und Geschenke für Josefa. Ich habe meine Wohnung bis 1. Oktober in Berlin möbliert vermietet, dann wird sie aufgelöst. Ich kann nur einen Teil der Sachen hierherkommen lassen, weil ihr Wert im Vergleich zu den Transportkosten viel zu gering ist.

Jaks Bilder, 2, eines hattet Ihr mir zur Hochzeit geschenkt, stehen dann zu Eurer Verfügung. Meine Bücher will ich, soweit es irgend geht, hierherkommen lassen, aber ich schreibe meiner Schwiegermutter, dass sie Euch nach Auflösung der Wohnung einige Bücher überlässt.

Was Du für „Ahnenbilder“ willst, weiss ich nicht recht, es sind ein paar alte Familienbilder da. Unter Geschenken für Josefa meinst Du wahrscheinlich einige Goldstücke. Es waren 30 M[ark] in Gold und 20 oder 25 $ in Gold, die ich von Tante Martha vor 3 Jahren zur Aufbewahrung erhielt. Die Golddollar musste ich nach einem Gesetz gegen Landesverrat bei der Reichsbank anmelden. Auf den unberechtigten Besitz stehen 10 Jahre Zuchthaus und, da in unserem Haus oft Haussuchungen stattfanden, konnte ich dieses Risiko nicht auf mich nehmen. Ich schrieb der Reichsbank, dass es sich um mir zur Aufbewahrung übergebenes Geld handelt und die Reichsbank schrieb zurück, dass ich es sofort abzuliefern hätte. Also erhielt ich dafür 42,- oder 64,- [RM] (4,20 = 1 $). Das Geld ist in meinem verschlossenen Schrank aufbewahrt. Wie man es Dir übermitteln kann, weiss ich nicht. Ich selbst bin mit M. 10,- ausgewandert und lebe von geborgtem Geld. Es ist vielleicht das Beste, zu versuchen, es mit meinem Umzugsgeld unerkannt hierherzubringen. Aber, bitte, schreibe meiner Schwiegermutter nichts von Geld oder Gold, denn sie hat eine pathologische, wenn auch nicht unberechtigte Angst vor allen Geldtransfergeschichten. Das Gold jemandem mitzugeben, war und ist unmöglich. Diese Verantwortung könnt Ihr niemandem zumuten. Ihr habt anscheinend keine Ahnung, was es heisst, dafür sein Leben zu riskieren. Die Kosten für Gräberpflege habe ich in den letzten Jahren bezahlt und für 2 Jahre vorausbezahlt. Dann muss man das Geld späterhin einsenden.

Ich halte die Lage in Europa für äusserst beunruhigend und werde erst ruhiger sein, wenn ich Nina bei mir habe. Sofort nach meiner Rückkehr will ich ihre Einwanderung betreiben. Aber auch darüber schreibe bitte nichts nach Deutschland.

Im Übrigen schreibt meine Schwiegermutter, sie glaubt nicht, dass Liliens, deren Pläne noch ganz unsicher seien, Euch die Sachen in absehbarer Zeit mitbringen können. Sie wären nicht sehr freundlich.

Deinen Brief habe ich nicht erhalten.

Ich hoffe, bald einmal wirkliche Nachrichten von Euch zu erhalten, denn man kann sich schwer ein Bild machen, was in Palästina nun eigentlich los ist. Habt ihr Dr. Heinz Ludwig getroffen?

Herzliche Grüsse für Euch alle

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