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Chronik und Quellen
1936
Juli 1936

Artikel der „Jüdischen Rundschau“ über Emigration

Die „Jüdische Rundschau“ berichtet am 24. Juli 1936 über die Zahlen und die Zielländer jüdischer Emigranten:

Ziffern, die sprechen - Die Auswanderung aus Deutschland 1933-36

Die Reichsvertretung der Juden in Deutschland teilt mit: Der Wanderungsausschuß der Reichsvertretung hat eine Untersuchung der bisher verfügbaren Materialien über die Statistik der Auswanderung von Juden in Deutschland gemeinsam mit dem Hilfsverein der Juden in Deutschland und dem Palästina-Amt durchgeführt. Diese Untersuchung soll dem Zweck dienen, für die Erörterung der Wanderungsfragen und der Wanderungsplanung eine einheitliche zahlenmäßige Grundlage festzustellen und damit etwaige Unklarheiten oder Differenzen in bisher erfolgten privaten Publikationen zu beseitigen. Das Ergebnis dieser Untersuchung stellt eine bei dem Fehlen völlig ausreichender exakter Unterlagen unter Berücksichtigung aller für die Wanderungsbewegung maßgebenden Faktoren vorgenommene Schätzung dar. Zugrunde gelegt wurden hierbei für die Palästina-Wanderung die statistischen Veröffentlichungen der Jewish Agency, für die Wanderung nach den übrigen Ländern die Zahl derjenigen Auswanderer, deren Wanderung mit Mitteln jüdischer Organisationen durchgeführt wurde. Dabei mußten die Zahlen derjenigen Auswanderer, die ohne Unterstützung der jüdischen Organisationen und daher auch ohne Registrierung ausgewandert sind, durch Schätzung ermittelt werden. Das Verhältnis der freien zur unterstützten Auswanderung wies in den letzten Jahren starke Schwankungen auf. Es kann angenommen werden, daß die freie Auswanderung mindestens ebenso groß wie die unterstützte Auswanderung gewesen ist, ja zeitweilig sogar das Doppelte der unterstützten Auswanderung erreicht hatte.

Im einzelnen ergibt sich für die Zeit vom 1. Februar 1933 bis 1. April 1936 nach der Richtung der Auswanderung in die verschiedenen Länder folgendes Gesamtbild:

Europa-Wanderung

Die 1933 nach Westeuropa Ausgewanderten sind auf 36 000 zu schätzen, davon sind zurückgewandert

nach östlichen Ländern                                                     3.000
weitergewandert nach Palästina                                         3.000
weitergewandert nach Übersee                                         8.000
                                                                                  14.0000

so daß insgesamt in westeuropäischen
Ländern verblieben sind                                                  22.0000

Diese 22.000 in Europa verbliebenen Auswanderer verteilen sich auf:

Westeuropa (Belgien, England, Frankreich, Holland)            15.600
Mittel- und Südosteuropa (Schweiz, Österreich,
Italien, Tschechoslowakei, Jugoslawien)                               3.000
Nordische Länder                                                             1.000
Südwesteuropa (Spanien, Portugal)                                    2.000
Sonstige europäische Länder                                                400

Rückwanderung (aus Deutschland)

von Juden ausländischer Staatsangehörigkeit
in ihre Heimatländer, besonders nach Osteuropa
(Polen, Randstaaten, Balkan)                                           18.000
Palästina- Wanderung                                                     31.000

Uebersee- Wanderung

Vereinigte Staaten v. Nordamerika                                      9.500
Brasilien                                                                           4.500
Argentinien                                                                       2.000
Chile                                                                                   600
übrige süd- und zentralamerikanische Länder                       2.000
Südafrika                                                                          3.000
Sonstige überseeische Länder                                                400
                                                                                      22.000
                                                                                       93.000

Die Zahl der Glaubensjuden in Deutschland betrug nach der Volkszählung vom 16. Juni 1933 499.682.

Die Zahl der Glaubensjuden in Deutschland am 1. April 1936 kann unter Berücksichtigung der gesamten Auswanderung seit dem 1. Februar 1933, die also teilweise schon vor dem Stichtag der Volkszählung erfolgt ist, und der natürlichen Bevölkerungsverminderung durch Sterbeüberschuß auf 409.000 geschätzt werden.

Die Ziffern entsprechen, wie unseren Lesern erinnerlich sein wird, den von Dr. Michael Traub in seinem Referat bei der letzten Landesvorstandssitzung der ZVfD ermittelten Angaben. Die genauere Behandlung und Kommentierung dieses auch der obigen Publikation zugrunde liegenden Materials erfolgt in einer Broschüre von Dr. Traub, die demnächst im Verlag der „Jüdischen Rundschau“ erscheinen wird.

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