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Chronik und Quellen
1936
Februar 1936

Schreiben Bernhard Eidmann (Berlin) an Firma Ludwig Bertram

Der Vertreter Eidmann beschwert sich bei Kaufmann Bertram am 13. Februar 1936 über den Verkauf von Waren jüdischer Firmen in arischen Geschäften:

Bei meinem Besuch am gestrigen Mittwoch haben Sie, Herr Bertram, Ihrer Gattin gegenüber eine Äusserung getan, von der ich Ihnen sagte, dass ich sie als schwere Beleidigung empfinden müsse. Trotzdem nahmen Sie keine Veranlassung, sich zu entschuldigen. Ich bin nicht in der Lage, diese Beleidigung auf mir sitzen zu lassen und fordere Sie hierdurch um eine entsprechende Erklärung auf.

Ich betrat Ihren Laden mit der Frage: „Bin ich hier in einem deutschen Geschäft?“ Die mich empfangende Dame, Ihre Gattin, antwortete darauf mit offenbarer Entrüstung „Aber selbstverständlich.“ Hierauf entgegnete ich, dass ich mir diese Frage nur erlaubt hätte, weil draussen noch das Eres-Transparent hängt, welches im Allgemeinen nur noch bei jüdischen Geschäften zu sehen sei. Ihre Gattin entgegnete darauf, dass das wohl nicht der Fall wäre. Auch andere und grössere Firmen führten noch Eres-Artikel, und die sollten erst einmal mit der Aufgabe der jüdischen Verbindungen vorausgehen, z. B. Hollenkamp. Meine Antwort hierauf, dass Hollenkamp wohl nicht mehr mit Eres arbeite, mindestens aber am Geschäftsäusseren keine Eres-Reklame mehr mache (in Erfurt hat man an Stelle des Wortes Eres die äussere Rundung im Transparent durch eine rote Scheibe ersetzt), überbrachte Ihre Gattin Ihnen, wodurch ich die Ehre hatte, mit Ihnen ins Gespräch zu kommen. Das erste, was Sie sagten, war, Sie könnten das Verhalten von Hollenkamp und auch das Ihres Freundes Zelle in Leipzig nur als feige bezeichnen. Sie sähen keine Veranlassung, die 36jährige Verbindung mit Rappolt aufzugeben, zumal Sie mit den Inhabern (oder einem Inhaber) persönlich gut befreundet wären. Zudem gäbe es keinen Ersatz für Rappolt. Seine Leistungen seien einzig. Hiergegen machte ich geltend, dass dies nicht mehr der Fall sei. Unter Beweis stellen könnte ich diese meine Behauptung jedoch nur durch Vorlage der Kollektion und Lieferung einwandfreier, erstklassiger Ware. Dazu bedürfe es aber erst Ihrer freundlichen Zustimmung, und ich bat Sie um diese Zustimmung. Auch das lehnten Sie ab mit der Bemerkung, dass Sie grundsätzlich sich ins Geschäft nicht hereinreden Hessen. Sie kauften ausschliesslich da, wo Sie es für richtig hielten. Sie Hessen die Politik aus dem Geschäft heraus. Demgegenüber erlaubte ich mir den höflichen Hinweis darauf, dass das Tragen des SS-Abzeichens nicht im Einklang mit dem öffentlichen Zeigen des ERES-Plakates stehe. Hiergegen machten Sie geltend, Sie seien seinerzeit aufgefordert worden, der SS als förderndes Mitglied beizutreten (wenn ich mich nicht irre, sagten Sie sogar, Sie seien gedrängt worden). Sie hätten dem nachgegeben und seien Mitglied geworden, um der Verbundenheit mit der neuen Bewegung Ausdruck zu verleihen. Das sei aber eine private Angelegenheit, mit dem Geschäft habe das nichts zu tun.

Bei der Zurückhaltung, der ich mich befleissigte, habe ich Ihnen, da Sie ein älterer Herr sind, etwa 10 bis 20 Jahre älter als ich, nicht die Vorhaltung gemacht, dass im Allgemeinen solche äusseren Abzeichen im Geschäft aus dem ganz bestimmten Grunde getragen werden, um damit diejenigen Kunden heranzuziehen oder zu behalten, die Wert darauf legen, in deutschen Geschäften deutsche Ware zu kaufen. Sie fühlten dabei offenbar selbst den Widerspruch gegen Ihre Äusserung, dass Sie die Politik aus dem Geschäft heraus halten wollen, und ich beschränkte mich darauf, Ihnen nahezulegen, mit solchen Äusserungen, wie Sie jetzt mehrere getan hätten, doch zurückhaltend zu sein, da sie der allgemeinen heutigen Auffassung nicht mehr entsprächen. Wenn ich z. B. meiner Firma die Unterredung wortgetreu berichten würde und diese würde diesen Bericht an die Adefa weitergeben, so würde wohl innerhalb weniger Tage entweder das SS-Abzeichen oder das Eres-Plakat verschwinden. Sie bestritten dies und sagten wörtlich: „Sie können meinetwegen Ihrer Firma dies alles berichten. Ich lasse mich keinesfalls belehren, und ich werde mir keinesfalls in meine geschäftlichen Massnahmen hereinreden lassen.“ Wörtlich sagten Sie noch: „Ich bin auch Antisemit. Ich lese auch ab und zu den Stürmer. Aber diese Politik hat alles mit dem Geschäft nichts zu tun. Mein Vater hat mir vor 40 Jahren schon den Rat gegeben, ,lass die Politik aus dem Geschäft’.“ Am wenigsten Hessen Sie es gelten, dass die Herren von der Adefa sich in Ihr Geschäft einmischten. Ich sagte darauf, dass das, was Sie Politik nennen, m. E. heute kaum noch vom Geschäft getrennt werden könnte. Auch wenn man nicht Antisemit sei, könne man als deutscher Kaufmann den Standpunkt vertreten, dass es eine wichtige Aufgabe ist, den bestehenden oder wenigstens bislang bestandenen Zustand des jüdischen Übergewichts in der Konfektionsbranche zu beseitigen. Das sei sowohl Auf gäbe der Adefa, als auch meine Aufgabe, und ich erlaubte mir der Meinung Ausdruck zu geben, dass es auch Ihre Aufgabe sei, insbesondere als Angehöriger einer P.O. Nach der Fortsetzung der Unterredung, die im Allgemeinen aus der Wiederholung des Vorstehenden bestand, wollte ich meinen Besuch enden und liess mir von Ihnen bestätigen, dass Sie mit dem Bericht an meine Firma einverstanden seien. Sie wiederholten Ihr Einverständnis, wandten sich dann aber doch inkonsequenterweise mit folgenden Worten an Ihre Gattin: „Da siehst Du wieder mal diese deutschen Vertreter, wie sie mit Erpressung Geschäfte machen wollen.“

Ich verbat mir diese in Gänsefüsschen ausgesprochenen Worte, diese deutschen Vertreter und das Wort von der Erpressung, und sagte Ihnen, dass ich mir diese Beleidigung nicht gefallen lassen könne. Trotzdem nahmen Sie keinen Anstand, sich zu entschuldigen, obwohl die Unterhaltung von mir aus in den konziliantesten Formen und höflichstem Ton gehalten war. Weder meine Firma noch ich haben es nötig, geschäftliche Erfolge durch Hervorkehrung unseres Deutschtums, geschweige durch Erpressung zu erzielen. Wir legen unsere Ehre darein, durch Leistungen ins Geschäft zu kommen. Umso mehr bin ich nicht in der Lage, die ausgesprochene Beleidigung auf mir sitzen zu lassen. Wie anfangs betont, fordere ich Sie nunmehr zu einer entsprechenden Erklärung auf.

Mit deutschem Gruss!

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