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Chronik und Quellen
1938
November 1938

Bericht über das Pogrom in Köln

In einem undatierten Bericht über das Pogrom in Köln heißt es:

Und das ist, was sich in Köln am 10.11.1938 zugetragen hat:

1. Die alte Synagoge in der Glockengasse wurde ausgebrannt und später abgerissen. Der freie Platz diente einer Straßenverbreiterung. Die in einem Hause in der Bayards-gasse untergebrachte Mikwoh wurde ebensowohl wie der im gleichen Gebäude befindliche Betsaal eines ostjüdischen Vereins nicht beschädigt.

2. Die um 1900 erbaute, in der Roonstraße stehende Synagoge des liberalen Teils der Gemeinde wurde ganz ausgebrannt. Zu den 1/2 Million betragenden Baukosten hat die Stadt ihrerseits M 40.000 zugeschossen. Es wurde gesagt, daß der Bau später als Getreidespeicher Verwendung fand. In dem Anbau, in welchem die Gemeinde-Verwaltung und der Betsaal polnischer Juden untergebracht war, ist nichts geschehen. - Der Gottesdienst wurde bald danach in der früheren Rheinlandloge in der Cäcilienstraße aufgenommen.

3. Die Synagoge der Adass-Gemeinde stand in der Apernstraße und war im Jahre 1884 errichtet worden. - Donnerstag, gegen 4 Uhr morgens, drang die Gestapo in alle in Köln und den weiterhin aufgeführten Vororten befindlichen Synagogen und Gemeindebüros und entnahm daraus die Tora, das Torasilber, den Inhalt der Gemeindekassen (in der Apernstraße etwa M 3000), Schreibmaschinen u.a. Da die SA ihr Zerstörungswerk erst viel später am Tage vornahm, und die einzelnen Synagogen-Gemeinden nach etwa 4 Wochen die ihnen gehörigen Kultgegenstände zurückholen durften und ihnen auch das Geld bei Heller und Pfennig zurückerstattet wurde, hat man die Aktion der Polizei als eine Sicherstellung der Geräte und der Gelder angesehen. - Die Einrichtung der Synagoge Apernstraße wurde gegen 12 Uhr zerstört, das Dach beschädigt und die Bänke in der Frauen-Synagoge in den Hof geworfen. Die Synagogen-Eingänge und -Fenster mußten mit Brettern zugeschlagen werden. - Im Hofe der Synagoge war das Lehrerseminar und die Jawne-Schule. In diesen Gebäuden wurden die Schränke aufgebrochen und die Bücher in den Hof geworfen, von wo sie nach einigen Tagen wieder aufgelesen werden konnten. Der angerichtete Schaden hätte sich wohl vervielfacht, wenn nicht nach einer Stunde ein Offizier mit der Meldung gekommen wäre, daß die ganze Aktion abgeblasen sei. - Der christliche Synagogen-Diener holte während der Nacht die in den Synagogen-Ständen verbliebenen Ritualien heraus und händigte sie ihren Eigentümern ein. Nach etwa 4 Wochen durfte der Gottesdient im Seminar aufgenommen werden. Die 8-10 ostjüdischen Betsäle durften aber nicht mehr eröffnet werden. - Alle jüdischen Geschäfte wurden demoliert, die Waren auf die Straße geworfen und von dort teilweise gestohlen. So wurden bei Y goldene und silberne Gegenstände entwendet. Bei X wurden die Porzellan- und kunstgewerblichen Waren, die Kristallgefäße, Service, Spiegel und Schreibmaschinen zerschlagen, und der Inhaber mußte die Abführkosten bezahlten. Die Diebe wurden zum Teil verhaftet - der gefangen gesetzte Synagogen-Diener C war mit solchen in eine Zelle gekommen - aber bald wieder frei gelassen. Unter den wenigen, zur Demolierung vorgesehenen jüdischen Häusern waren es meistens die der Zahnärzte, deren Instrumentarien unbrauchbar gemacht wurden. Unter den etwa 500 Männern, die aus Köln und den umliegenden Gemeinden nach Dachau gebracht wurden, befand sich kein Rabbiner. Rabbiner V durfte die in der Besserungsanstalt Brauweiler untergebrachten Verhafteten mit Erlaubnis der Gestapo besuchen. S o 1 i n g e r ist in Dachau gestorben. - Dr. Sussmann, Syndikus des Central-Vereins für das Rheinland, wurde mit einer schweren Lungenentzündung entlassen und starb bald darauf.

Außer der oben erwähnten, schon 1820 gegründeten, in der Lützowstraße befindlichen Volksschule, die später als jüdische Volksschule auf den Etat der Stadt übernommen worden ist, hatte auch die „Adass" seit 1907 eine solche, die dem Lehrerseminar als Übungsschule angegliedert war. Als das Seminar im Jahr 1933 - aufgrund der neu erlassenen Bestimmungen über Ausbildung von Lehrern - nur noch Religionslehrer heranbilden konnte, wurde die Volksschule als eine solche der „Adass" weitergeführt. Die „Jawne", als Realgymnasium im Jahre 1919 gegründet, mußte 1939 aufgelöst werden und ihre Schüler in die Volksschule schicken. - Außer der reichhaltigen Bibliothek im Seminar (siehe oben!) war noch eine andere, im Anbau zur Synagoge Roonstraße befindliche, vorhanden. Sie war umsomehr beachtenswert, weil sie, nach dem Tode des an dieser Synagoge amtierenden Rabbiners Dr. Frank, durch dessen, besonders viel Hebraica enthaltende Bücherei, großen Zuwachs erhielt. - Teile dieser Bibliotheken sind von Auswanderern mitgenommen, andere von der Gestapo, die ziemlich wahllos zugriff, beschlagnahmt worden. -

Von den wichtigsten gemeindlichen Einrichtungen sind folgende zu nennen:

1. Das Asyl für Kranke, das sich zuerst in der Silvanstraße befand, war eine Stiftung der Brüder Eltzbacher. Auch kranke Christen wurden darin behandelt. Später wurde ein Altersheim angegliedert und ein Neubau in Köln-Ehrenfeld in der Ottostraße Nr. 85 errichtet. Das Heim war auch mit einer kleinen Synagoge ausgestattet. Das Gebäude blieb im November verschont und diente noch bis in den Krieg hinein seinen edlen Zwecken.

2. Auch das in der Lützowstraße befindliche, von Dr. Plato geleitete Israelitische Kinderheim entging der Vernichtung. Es trug die Hausnummern 34 - 37.

3. Das Israelitische Lehrlingsheim in der Utrechterstraße 6 bestand auch noch nach dem November.

4. Das Heim für die jüdische Jugend befand sich Mauritiussteinweg 11.

5. In dem der Rheinlandloge gehörigen Gebäude in der Cäcilienstraße befanden sich neben einem Restaurantbetrieb die Räume des Kulturbundes. Hier wurden im November Zerstörungen größeren Ausmaßes vorgenommen.

6. Weiterhin ist das Altersheim der Moriah-Loge zu nennen (Salierring).

7. In dem im Jahre 1930 erworbenen Haus in der Rubensstraße 33 befanden sich, um nur das Wichtigste zu nennen:

a) das Wohlfahrtsamt,
b) das Jugendamt,
c) die Volks- und Mittelstandsküche, und
d) die Wanderfürsorgestelle.

Diese Amtsstellen haben auch noch nach dem November ihre Arbeit weiterbetrieben. Auch jüdische Ärzte, die durch die Behörden zugelassen waren, haben hier ihre Praxis ausgeübt.

Die Synagogen in den Vorstädten

1. Die in Köln-Ehrenfeld im Jahre 1927 eingeweihte Synagoge Körnerstraße 93 verlangte einen Bauaufwand von 110 000 M. Sie ist das Werk des jüdischen Baumeisters R. Stern. Der Hauptbetraum bildete ein Achteck. Das Fenster in der Ostseite zeigte den brennenden Altar mit der Umschrift: „Beständiges Feuer brenne auf dem Altar und erlösche nicht!" Diese Synagoge wurde zusammen mit dem sich ihr anschließenden Gemeinde-Haus im November 1938 vollkommen niedergebrannt. Dem in diesem Haus wohnenden Beamten ist sein ganzer Besitz vernichtet worden. Ein jüdischer Friseur, der sich zur Wehr setzen wollte, als man sein Geschäft zerstörte, wurde mit einer Eisenstange erschlagen.

2. In Deutz, wo Juden seit 1336 nachweisbar sind, wurde das erste dort errichtete Gotteshaus, das nahe am Rhein stand, am 28. Februar 1784 durch Eisgang und Hochwasser weggerissen. Noch im selben Jahr wurde ein anderes auf der alten Stätte erbaut. Diese Synagoge bestand bis 1914 und mußte dann dem Bau der Hindenburg-brücke weichen. Die Stadt Köln erstellte dafür eine andere auf dem Reischplatz. Diese Synagoge, die im Sommer 1915 eingeweiht worden war, wurde am 10. 11. 1938 vollkommen demoliert. Das Gemeinde-Haus blieb unbeschädigt.

3. Das damals schon alte Gotteshaus in Mülheim, das auch am Rheinufer errichtet worden war, fiel am 27. 2. 1784 derselben Katastrophe zum Opfer wie das in Deutz. Auf dem Platze wurde eine Wirtschaft erbaut, die in ihrem Namen: „Zur Judenkirche" an dieses Unheil erinnerte. Dieses Gasthaus mußte später dem Bau einer Brücke weichen. Eine andere Synagoge wurde an der Mülheimer Freiheit 78 im Winter 1786 eingeweiht. Dieses über 150 Jahre alte Gotteshaus wurde im November 1938 demoliert; das Gemeinde-Haus blieb erhalten.

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