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Chronik und Quellen
1938
November 1938

Erinnerungen an das Pogrom in Köln

Der 1917 geborene Joseph Jaeger berichtete 1978 in einem Interview:

Ich kann mich an den 9. November in der Weise erinnern, - selbst war ich in der Partei und bekam durch den 9. November erst die Erkenntnis, daß die Sache der Nazis nicht das Ideale war (…).

Ich wollte zu einem italienischen Cafe gehen, und plötzlich brüllte einer: „Vorsicht!", ich stoppte, und vor mir raste aus dem zweiten Stock ein Riesenbüffet runter auf die Straße und zerbrach in tausend Stücke. Ich fragte einen, der da stand: „Was ist das denn?" - "Ja" sagte der, „die räumen bei de Jüdde op." - "Wieso? Die wollen doch die Juden, nicht die Sachen!" - "Nä, diesmol mache mer Kleenholz", war die Antwort. -Rücksichtslos, noch nicht mal geguckt, wenn sie die Sachen runterschmissen, ob nicht unten ein Passant ging, der unter Umständen davon hätte erschlagen werden können. Ich ging dann ziemlich fasziniert weiter, und da sah ich, wie man einfach einen Pflasterstein aus der Straße riss und in ein Schaufenster warf. Ich konnte mir denken: Das konnte nur ein Judengeschäft sein. - Dann revidierte ich mich später und sagte: Mein Gott, sie haben zwar in ihrem Programm stehen, dass sie gegen die Juden etwas unternehmen wollen, aber dass das so ausarten würde, hatte ich nicht geglaubt. - Von dem Moment an fasste ich den Entschluss, mit denen nicht mehr mitzumachen . . .

Ich habe natürlich niemand sagen dürfen, dass ich mit der Sache nicht mehr einverstanden war. Es wäre praktisch mein Todesurteil gewesen, denn sie waren da sehr rigoros und rücksichtslos . . .

Am 10. November bin ich dann mal durch die Stadt gegangen und habe mir das angesehen ... So etwas habe ich in meinem ganzen Leben nicht mehr gesehen . . . Das gab mir den Rest. Von da ab war für mich die Partei nicht mehr das, was sie ursprünglich für mich war. Ich war nämlich früh mit den Nationalsozialisten verbunden und musste nachher sagen: Was du gemacht hast, war verloren.“

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