Menü
Chronik und Quellen
1935
August 1935

Vermerk zur steuerlichen Diskriminierung der Juden

Das Referat Kühne im Reichsfinanzministerium erörtert am 22. August 1935 Vorschläge zur steuerlichen Diskriminierung der Juden:

Betrifft: Steuerliche Behandlung der Nichtarier.

A. Vermögensteuer

1. Öffentlich-rechtliche Körperschaften unterliegen nicht der Vermögensteuer (einzige Ausnahme: Kreditanstalten des öffentlichen Rechts). Die jüdischen Religionsgesellschaften, die nach Landesrecht wohl überall Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, können hiernach also zur Vermögensteuer nicht herangezogen werden. Ihre Heranziehung zur Vermögensteuer kann auf zwei Wegen erreicht werden:

a) Änderung des Vermögensteuergesetzes in dem Sinn, dass die jüdischen Religionsgesellschaften besonders als steuerpflichtig bezeichnet werden; eine solche Ausnahme für einen Steuerpflichtigen wäre ein Schönheitsfehler;

b) Entziehung der Eigenschaft als öffentlich-rechtliche Körperschaft durch eine Massnahme des Reichsinnenministeriums. Eine derartige Massnahme würde wohl ohnehin zeitgemäss sein. Sie würde die Vermögensteuerpflicht der Religionsgesellschaft ohne weiteres zur Folge haben.

2. Unternehmungen, die ausschliesslich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen, unterliegen nicht der Vermögensteuer. Die Begriffe „gemeinnützig“, „mildtätig“ und „kirchlich“ sind in den §§ 17 und 19 StAnpG näher erläutert. Danach ist die Frage, ob ein Zweck gemeinnützig ist, nach den Anschauungen der Volksgesamtheit zu beurteilen. Kirchlich sind nur solche Zwecke, durch deren Erfüllung eine christliche Religionsgesellschaft des öffentlichen Rechts gefördert wird. Hiernach ist die Befreiung von Unternehmungen, die ausschliesslich der jüdischen Rasse zugute kommen, unter dem Gesichtspunkt der gemeinnützigen oder kirchlichen Zwecke nicht zu besorgen. Zweifelhaft ist die Frage jedoch hinsichtlich der mildtätigen Zwecke. Diese sind nach § 18 StAnpG solche, die darauf gerichtet sind, „bedürftige im Inland befindliche Personen oder bedürftige deutsche Volksgenossen im Ausland‘ zu unterstützen. Der Wortlaut dieser Vorschrift spricht dafür, dass auch die rein jüdischen sog. „milden Stiftungen“ (z. B. jüdische Blindenanstalten) darunterfallen. Man könnte dies nur im Hinblick auf § i StAnpG, wonach die Steuergesetze nach nationalsozialistischer Weltanschauung auszulegen sind, bestreiten. - Das gleiche gilt für die Körperschaftsteuer.

3. Wohnungs- und Siedlungsunternehmen, die besonders anerkannt sind, sind nach § 4 VStDB von der Vermögensteuer befreit. Kann die Befreiung an die Voraussetzung geknüpft werden, dass keine Juden die Wohnungen der geförderten Unternehmen bewohnen? - Das gleiche gilt für die Körperschaftsteuer.

4. Nach §§ 5 bis 7 VStDB sind rechtsfähige Pensions- und Unterstützungskassen bestimmter Art von der Vermögensteuer befreit. Kann diese Befreiung für die Fälle aufgehoben werden, in denen es sich um eine Kasse eines nichtarischen Betriebes handelt oder in dem sich unter den Personen, denen die Leistungen der Kasse zugute kommen sollen, auch Nichtarier befinden? - Dasselbe gilt für die Körperschaftsteuer.

5. Nach §§ 62,74 RBewG sind die Schulden vom Vermögen abzuziehen. Hierzu gehören auch Steuerschulden. Auch wenn den jüdischen Religionsgesellschaften der öffentlich-rechtliche Charakter genommen und sie private Vereine werden, würden ohne eine besondere Vorschrift die rückständigen Vereinsbeiträge abzugsfähig sein.

6. Soll das Schachtelprivileg Kapitalgesellschaften, die sich in jüdischen Händen befinden, versagt werden? - Dasselbe gilt für die Körperschaftsteuer.

7. Von der Vermögensteuer sind Versicherungen befreit, deren Wert 5 000 RM nicht übersteigt, oder die mit Rücksicht auf ein Arbeits- oder Dienstverhältnis abgeschlossen sind. Man könnte daran denken, diese Vergünstigung nur Ariern zu geben oder aber sie auf die Fälle zu beschränken, in denen das Versicherungsunternehmen rein arisch ist.

8. Personenkraftwagen, Motoryachten und Segelyachten sind ohne Rücksicht auf ihren Wert von der Vermögensteuer befreit, wenn sie im Inland hergestellt sind. Man könnte daran denken, diese Gegenstände in Händen von Nichtariern stets für steuerpflichtig zu erklären oder aber die Steuerfreiheit davon abhängig zu machen, dass sie nicht nur im Inland, sondern auch von arischen Unternehmungen hergestellt sind.

B. Erbschaft- (Schenkung-)steuer

1. Ehegatten unterliegen nicht der Erbschaftsteuer, wenn im Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld Kinder aus der Ehe oder ihnen gleichgestellte Personen leben. Man könnte daran denken, den Anfall an den nichtarischen Ehegatten entsprechend dem § 17 a Absatz 3 ErbStG 1934 zu behandeln. Nach dieser Vorschrift tritt die Steuerfreiheit für den Ehegatten nicht ein in den Fällen, in denen nur beschränkte Steuerpflicht gegeben ist.

2. Soweit für den Erwerb des Ehegatten völlige Steuerfreiheit nicht eintritt, genießt er einen Freibetrag von 30 000 RM. Den gleichen Freibetrag genießt der Erwerb der Kinder und ihnen gleichgestellter Personen. Den Enkeln und weiteren Abkömmlingen steht ein Freibetrag von 10 000 RM zu. Diese Vergünstigungen entfallen, und es kommt nur eine Besteuerungsgrenze von 500 RM in Frage in den Fällen, in denen nur die beschränkte Steuerpflicht Platz greift. Man könnte daran denken, die nichtarischen Ehegatten, Kinder und Enkel allgemein entsprechend dieser Einschränkung zu behandeln. Es wäre nachzuprüfen, inwieweit die Anwendung einzelner der zahlreichen Steuerbefreiungen des § 18 ErbStG für nichtarische Erwerber auszuschließen wäre. Insbesondere kommen hier die Befreiungen für Zuwendungen an inländische Kirchen, kirchliche, mildtätige und gemeinnützige Stiftungen und andere Zweckvermögen und an Pensions- und Unterstützungskassen (§18 Nrn. 15,18,19 ErbStG) in Betracht. Hierzu wird auf die Ausführungen unter A Ziffern 2 und 4 verwiesen.

C. Grundsteuer

1. Die jüdischen Gotteshäuser sind nach dem Grundsteuerrahmengesetz von der Grundsteuer befreit. Das Grundsteuerrahmengesetz ist nur in Mecklenburg eingeführt worden. Die gleiche Rechtslage wird jedoch nach den Vorschriften fast aller Länder bestehen. Man könnte daran denken, die Grundsteuerbefreiung der Synagogen aufzuheben. Die Bewertung derartiger Häuser würde jedoch gewisse Schwierigkeiten machen.

2. Nach dem Grundsteuerrahmengesetz sind die öffentlichen Bestattungsplätze von der Grundsteuer befreit. Das gleiche dürfte nach der Grundsteuerregelung wohl aller Länder gelten. Man könnte daran denken, die jüdischen Bestattungsplätze auszunehmen.

Zu 1. und 2. Das Land Hessen hat in diesem Jahr zur Grundsteuer ein Gesetz erlassen, das bereits einen Vorgang auf diesem Gebiet darstellt.

D. Neuerrichtete Wohngebäude.

Nach dem Zweiten Gesetz zur Verminderung der Arbeitslosigkeit sind Kleinwohnungen und Eigenheime, die nach dem 31. März 1934 errichtet werden, unter bestimmten Voraussetzungen von der Vermögensteuer, der Einkommensteuer, der Landesgrundsteuer und der Hälfte der Gemeindegrundsteuer befreit. Fragen:

a) Kleinwohnungen: Soll die Befreiung der Kleinwohnungen dann versagt werden, wenn entweder der Eigentümer Nichtarier ist oder die Mieter Nichtarier sind?

b) Eigenheime: Soll die Befreiung der Eigenheime dann versagt werden, wenn der Eigentümer Nichtarier ist?

Vermerk zu A bis D:

Es muss darauf aufmerksam gemacht werden, dass jede Massnahme, nach der für steuerliche Zwecke die Ariereigenschaft von Personen nachzuprüfen ist, eine Komplikation des Steuerrechts darstellt. Dieses ist umso bedenklicher, je zahlreicher die Fälle werden, in denen eine solche Nachprüfung anzustellen wäre. Im übrigen würde zu entscheiden sein, wie weit die Nachprüfung anzustellen ist, ob insbesondere von jeder in Betracht kommenden Person die Taufzeugnisse bis zu den Grosseltern verlangt werden sollen.

Baum wird geladen...