Schnellbrief der Preußischen Geheimen Staatspolizei an das Auswärtige Amt
Die Geheime Staatspolizei informiert das Auswärtige Amt am 8. August 1935 über die öffentliche Demütigung einer Frau in Beuthen:
Zum Schreiben vom 30.7.1935 -P 5725 -Betr.: Vorgänge in Beuthen O/S.
Am 21.7.1935 wurde von zwei unverantwortlichen Personen die Friseuse Lotte Teichgräber, deren Verhältnis mit einem Juden in der Bevölkerung grösste Erregung hervorgerufen hatte, aus ihrer Arbeitsstätte gebeten und auf der Strasse, nachdem ihr die Haare teilweise abgeschnitten worden waren, mit Teer beschmiert. Es wurde ihr ein Plakat umgehängt mit der Aufschrift „Ich bin die Rasseschänderin Teichgräber“ Die sich inzwischen angesammelte Menschenmenge beabsichtigte, die Teichgräber durch die Stadt zu führen. Durch das Eingreifen der örtlichen Polizeiorgane wurde dieses Vorhaben dadurch verhindert, dass die Teichgräber nach wenigen Minuten zu ihrem eigenen Schutze in Haft [genommen] und zur Säuberung dem Krankenhause in Gleiwitz zugeführt wurde.
Die festgestellten Haupttäter wurden sofort in Schutzhaft genommen und werden einem Konzentrationslager zugeführt werden.
Die Teichgräber ist deutsche Staatsangehörige und hat sich zu keiner Zeit in Polen aufgehalten. Insoweit trifft daher die Meldung des „Daily Herald“ nicht zu. Ich habe den mir unterstellten Behörden die peinlichste Beachtung des Genfer Abkommens nochmals zur besonderen Pflicht gemacht und sie angewiesen, jede Person, ohne Rücksicht auf ihr Ansehen, mit den schärfsten Mitteln zur Rechenschaft zu ziehen, die den Bestimmungen des Genfer Abkommens zuwiderhandeln sollte. Da eine gleiche Anweisung auch an die Führer der örtlichen Gliederungen der Partei ergangen ist, ist somit Vorsorge getroffen, dass sich ähnliche Vorfälle in Zukunft nicht mehr ereignen werden.