Schreiben des Gestapa an ihren Leiter SS-Gruppenführer Heydrich
Das Geheime Staatspolizeiamt berichtet Reinhard Heydrich am 31. Juli 1935 über neue Pläne zur Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung in Berlin:
Aus Anlaß der judenfeindlichen Kundgebungen auf dem Kurfürstendamm und in anderen Stadtteilen Berlins fand am 30.7. bei dem Vizepräsidenten Steeg im Berliner Rathaus eine Besprechung statt, an der außer dem Oberbürgermeister der Stadt Berlin Vertreter des Geheimen Staatspolizeiamtes, des Polizeipräsidiums, der Staatspolizeistelle Berlin, der Gauleitung sowie der SA-Truppe Berlin-Brandenburg teilgenommen haben. Zweck der Besprechung war, geeignete Mittel und Wege zu finden, um die Bekämpfung der Juden in Berlin ohne öffentliche Demonstrationen und Einzelaktionen wirksam durchzuführen. Im Gesamten hatte die Besprechung folgendes Ergebnis:
1.) Jüdische Geschäfte.
Die Neugründung von jüdischen Geschäften soll in Zukunft dadurch verhindert werden, daß die Bedarfsfrage vom Stadtverwaltungsgericht einer strengen Prüfung unterzogen wird. Die Stadtverwaltung Berlin will hierzu noch Richtlinien herausgeben, nach denen die Erteilung der Konzession an Juden grundsätzlich zu verweigern ist.
Bei bestehenden jüdischen Geschäften soll das Gesetz zum Schutz des Einzelhandels eng ausgelegt werden, insbesondere soll hierdurch verhindert werden, daß Juden ihre Geschäftsräume vergrößern. Schwierigkeiten sollen dabei auch durch die Baupolizei in Form von entsprechenden Auflagen bereitet werden.
Von außerordentlicher Wichtigkeit ist es, daß die bestehenden jüdischen Geschäfte von dem kaufenden Publikum in Zukunft als solche sofort erkannt werden. Die endgültige Regelung soll durch die NS.-Hago im Verein mit der Reichsregierung herbeigeführt werden. Vorgeschlagen wurde, die arischen - nichtjüdischen - Geschäfte durch ein entsprechendes Schild zu kennzeichnen. Die Feststellung, ob es sich um ein arisches Geschäft handelt, soll durch enge Zusammenarbeit der NS.-Hago mit den einzelnen NS.-Gliederungen getroffen werden. Im übrigen wurde vereinbart, die geistige Schulung innerhalb und außerhalb der NS.-Gliederungen in erhöhtem Maße fortzusetzen, um dadurch die Bevölkerung von dem Einkauf in jüd. Geschäften abzuhalten.
Als Maßnahme gegen jüd. Eisdielen, die besonders Gegenstand der judenfeindlichen Demonstrationen gewesen sind, ist bereits angeordnet, daß jede Eisdiele in Zukunft eine Toiletten-Einrichtung haben muß. Durch entsprechende scharfe Anwendung dieser Verordnung auf jüd. Eisdielen hofft man, die Schließung derselben herbeizuführen, zumal auch in vielen Fällen aus räumlichen Gründen der Anordnung nicht entsprochen werden kann.
2.) Jüdische Haus- und Grundstücksverwaltungen.
Häuser und Grundstücke von Juden sollen in Zukunft einer genauen Prüfung unterzogen werden, um festzustellen, ob baupolizeiliche Auflagen (Reparaturen und dergl.) gemacht werden können. Auch soll durch den Gau Berlin durch entsprechende Überwachung dafür Sorge getragen werden, soweit im Verhältnis zwischen arischen und nichtarischen Mietern von den arischen Mietern zu hohe Mieten verlangt werden, eine Regelung zugunsten der arischen Mieter herbeizuführen.
3.) Baden von Juden in städtischen Strandbädern.
Mit Rücksicht auf die Olympiade 1936 soll z. Zt. noch davon abgesehen werden, in den städtischen Freibädern Schilder anzubringen, durch die Juden der Besuch der städtischen Freibäder verboten wird. Der Badebetrieb wird aber in Zukunft von Streifen überwacht, die - mit besonderen Ausweisen versehen - berechtigt sind, bei ordnungswidrigem Verhalten Juden sofort aus dem Freibad hinauszuweisen. Bei städtischen Hallenbädern sollen dagegen Juden schon an der Kasse zurückgewiesen werden.
4.) Verträge mit Juden.
Es soll eingehend geprüft werden, ob und von welcher Stelle aus noch öffentliche Aufträge an jüdische Firmen vergeben worden sind.
5.) Eheschließung zwischen Ariern und Juden.
Die Berliner Standesbeamten sind bereits angewiesen worden, eine derartige Eheschließung nicht mehr vorzunehmen.
Weitere Besprechungen über die Bekämpfung des Judentums in Berlin sollen demnächst stattfinden.