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Chronik und Quellen
1935
April 1935

Schreiben des CV-Landesverbands Mitteldeutschland an Oberbürgermeister Goerdeler

Der Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens protestiert bei Oberbürgermeister Goerdeler am 8. April 1935 gegen den Boykott jüdischer Ärzte in Leipzig:

Betrifft: Beschwerde über Herrn Bürgermeister Haake usw.

Nach uns zugegangenen Mitteilungen hat in einer Fachschafts-Sitzung, die am 18.3.35 in der Alberthalle stattgefunden hat, Herr Bürgermeister Haake ungefähr folgendes ausgeführt: „Bei der Durchsicht der Abrechnung der Städtischen Beamten-Krankenkasse ist mir aufgefallen, dass immer noch viele Beamte zu nichtarischen Ärzten gehen. Wir haben gegen diese Herren nichts einzuwenden, es ist aber unmoralisch, wenn ein Beamter zu einem jüdischen Arzt geht!“

Es ist fernerhin vorgekommen, dass eine Reihe von städtischen Beamten zu ihren Dienstvorgesetzten bestellt worden ist, und dass ihnen dort gesagt worden ist, dass jeder von ihnen, der zu einem jüdischen Arzt gehe, dem Personalamt gemeldet würde.

Ausserdem hat die Krankenkasse für die städtischen Beamten erklärt, dass diese nicht zu jüdischen Ärzten gehen sollen. Es handelt sich hierbei um einen durchaus ungesetzlichen Boykott, der in keiner Weise zulässig ist, da einmal die Juden ja auch im nationalsozialistischen Staat als Ärzte zugelassen sind und jeglicher Boykott an und für sich verboten ist und ein zweitesmal durch die Ärztezulassungsverordnung vom Jahr 1934 genau bestimmt ist, welcher Kreis von jüdischen Ärzten, also derjenige der Altärzte und Frontkämpfer, von Mitgliedern aller Krankenkassen, mithin auch der Beamtenkrankenkassen, aufgesucht werden darf.

Wir bitten den Herrn Oberbürgermeister ergebenst, dafür Sorge tragen zu wollen, dass der durch Herrn Bürgermeister Haake und die nachgeordneten Stellen sowie die Krankenkasse der Beamten ausgesprochene Boykott jüdischer Ärzte unverzüglich widerrufen wird.

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