Überfall auf die Besucher der Synagoge in Rhina
Die Gendarmerie in Wehrda unterrichtet den Landrat in Hünfeld am 23. März 1935 über einen Überfall auf die Besucher der Synagoge in Rhina:
Am 22. März 1935, um 19.20 Uhr, erhielten wir in der Wohnung die telefonische Nachricht, daß dortselbst ein Überfall auf die Synagoge stattgefunden habe. Gend. Hauptwachtm. Wolf und ich begaben uns sofort nach Rhina, wo wir feststellten, als gegen 18.45 Uhr, nach Beendigung des jüdischen Gottesdienstes, die ersten Personen die Synagoge durch die Haupttür, welche an der Straße liegt, verließen, drangen plötzlich etwa 15 bis 20 Personen, die, verkleidet und schwarz maskiert, mit Gummiknüppeln ausgerüstet waren, in die Synagoge und schlugen blindlings auf die männlichen Juden ein. Hierbei wurden folgende Personen: Nathan Nußbaum, Jakob Katzenstein, Sally Klebe, Isaak Katzenstein, Moses Blumenthal, Samuel Buxbaum, Hermann Wetterhahn, Jakob Klebe, Issak Oppenheim, Moses Bacharach u. Siegfried Oppenheim zum Teil leicht und schwer verletzt. Weiter wurde festgestellt, daß die in die Synagoge eingedrungenen Personen mit einem grauen Lastkraftwagen, der mit einer grauen geschlossenen Plane versehen war, um 18.30 Uhr aus Richtung Rothenkirchen kommend durch Rhina hindurchfuhren und in unmittelbarer Nähe der Synagoge, Fahrtrichtung Schletzenrod, Aufstellung nahmen. Ebenso waren an dem genannten Lastwagen beide Kennzeichen mit Papier überklebt, so daß keine Nummer zu erkennen war. Der Führer des Wagens hat sich neben dem Fahrzeug auf der Straße aufgehalten, während die verkleideten und maskierten Personen sich nicht früher sehen ließen, bis die ersten Juden aus der Synagoge herauskamen. Auf einen kurzen Pfiff sollen die verkleideten Personen vom Wagen gesprungen und in die inzwischen geöffnete Synagoge mit Gewalt eingedrungen sein. Dieser ganze Vorgang hat sich in der Synagoge in etwa 3 bis 4 Minuten abgespielt, woraufhin die maskierten Personen den in unmittelbarer Nähe bereitstehenden Lastwagen bestiegen und in Richtung Schletzenrod weitergefahren sind. Bei den bis jetzt getätigten Ermittlungen konnte über die Täter des Unfalls, weder des Wagens, irgendetwas ermittelt werden. Nach den allgemeinen Vermutungen der jüdischen Bevölkerung, welche aus Furcht vor weiteren Ausschreitungen und Mißhandlungen nichts aussagen wollen, sollen die vermutlichen Täter aus Rothenkirchen bezw. den angrenzenden Ortschaften des Kreises Hünfeld sein. Nachdem die Täter die Flucht ergriffen und die Gemeinde Rhina verlassen hatten, wurden noch an demselben Abend um 23 Uhr, bei folgenden Personen: Sally Klebe, Samuel Viktor II, Ww. Bella Nußbaum, Moritz Viktor I, mehrere Fensterscheiben eingeworfen. Die Täter, die die Fensterscheiben eingeworfen haben, dürften in der Gemeinde Rhina zu suchen sein. Unter anderem wurde von den Unterzeichneten [die] in allen bisher in Rhina ausgeführten Tätigkeiten bekannte[n] Nikolaus Hergert und Adam Manns, beide in Rhina wohnhaft, auf der Straße von uns angetroffen. In zwei Fällen wurde uns unter strengster Vertraulichkeit von dem Juden Max Blumenthal mitgeteilt, daß in der verflossenen Woche, der bei ihm z. Zt. in der Bäckerei beschäftigte Nikolaus Hergert gesagt habe, daß in der nächsten Zeit oder in den ersten Tagen der Woche, Personen, die schwarz seien, kommen würden, um den Max Nußbaum bezw. andere Juden zu schlagen. Blumenthal gab auch zu, daß er in dieser Hinsicht hin die anderen Juden auf den bevorstehenden Angriff orientiert habe. Weiter teilte uns der Sally Nußbaum vertraulich mit, daß er an dem fraglichen Abend (22.3.35) nach dem stattgefundenen Überfall auf seinem Hofe gestanden habe, und zu dem ihm gegenüber wohnenden Elektriker Philipp Will, welcher auch auf der Straße stand, gesagt habe, ob er der Ortsgruppenleiter oder so was ähnliches der Partei sei und was er zu diesem Vorgang sage, ob er die Tat billige, worauf Will geantwortet habe, „Nein!“. Diese von ihm mit Will stattgefundene Unterredung habe der mit einem Fahrrade auf der Straße stehende Nikolaus Hergert mit angehört, worauf jetzt der Hergert zu Will gerufen habe, warum gibst du dem Juden da noch eine Antwort, was will der hier, wenn du (Jude) nicht machst, daß du fortkommst, werde ich dir das Rad ins Gesicht werfen. Die Ermittlungen werden fortgesetzt.