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Chronik und Quellen
1938
Dezember 1938

Dezember 1938

Am 21. Dezember sicherte sich die NSDAP endgültig den alleinigen Einfluss im Sportbereich. An diesem Tag wurde der Deutsche Reichsbund für Leibesübungen (DRL) durch Führererlass in Nationalsozialistischer Reichsbund für Leibesübungen (NSRL) umbenannt und der Reichsleitung der NSDAP unterstellt. Zur Begründung hieß es: „Die Erziehung der Millionen deutscher Turner und Sportler im Geiste des Nationalsozialismus und darüber hinaus der Einsatz des NSRL zur politischen Formung des Volkes ist (…) Aufgabe der Partei.“

Hinsichtlich von Verfolgung und Überwachung brachte der Dezember noch zwei wichtige Neuerungen: Am 13. Dezember wurden die ersten 100 Häftlinge aus dem Konzentrationslager Sachsenhausen in das neu eingerichtete Außenlager Neuengamme bei Hamburg überführt. Solche Neugründungen wurden notwendig, weil die bestehenden KZs massiv überbelegt waren. Das führte selbst in den Augen von SS-Funktionären zu untragbaren Zuständen. Einen Tag später wurde dann der NS-Überwachungsapparat effektiviert, als durch einen Erlass des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß der Sicherheitsdienst (SD) der SS, der bereits am 11. November des Jahres zu einer im staatlichen Auftrag tätigen Institution erklärt worden war, zum alleinigen politischen Nachrichten- und Abwehrdienst der NSDAP aufstieg, der sich künftig nicht mehr um innerparteiliche Dinge zu kümmern habe.

Ansonsten endete das Jahr mit eher symbolischen Akten: Am 1. Dezember tätigte Rudolf Heß in Eger den ersten Spatenstich für eine Reichsautobahn im Sudetenland, und am 16. des Monats wurde auf Anweisung Hitlers „als sichtbares Zeichen des Dankes des Deutschen Volkes an kinderreiche Mütter“ das „Ehrenkreuz der deutschen Mutter“ gestiftet. „Das Kind adelt die Mutter“ heiß es auf der Rückseite der Auszeichnung, die in den Stufen bronze (3-5 Kinder), silber (6-7 Kinder) und gold (ab 8 Kindern) jährlich zum Muttertag verliehen wurde.

Als schmerzlich dürften es viele treue Leser empfunden haben, dass die deutsche Presselandschaft zum Jahresende noch monotoner wurde: Die deutsche katholische Tageszeitung „Germania“ stellte zum 31. Dezember ihr Erscheinen ein.

Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung

Auch im Dezember kehrte keine Ruhe ein. Allein am 3. Dezember sah sich die jüdische Bevölkerung gleich mit mehreren Verordnungen und Anweisungen konfrontiert, die sie im Alltagsleben erheblich einschränkten, sie völlig aus der Gesellschaft ausschlossen und zugleich noch extremer wirtschaftlich ausbeuteten. So erließ Heinrich Himmler an diesem Tag eine Polizeiverordnung, nach der die Führerscheine von Juden für ungültig erklärt und die Zulassung von deren Autos entzogen wurden, was natürlich gravierende Auswirkungen auf deren Mobilität hatte. Führerscheine und KfZ-Papiere mussten bis spätestens zum 31. Dezember zurückgegeben sein.

Bereits am 29. November hatte ebenfalls Himmler für den 3. Dezember, der zum Auftakt der Sammlungen zum Winterhilfswerk als „Tag der Nationalen Solidarität“ galt, gegen Juden eine totale Ausgangssperre zwischen 12 und 20 Uhr verhängt. In dieser Zeit durften sie ihre Wohnungen nicht verlassen, um die an diesem Tag auf Straßen und Plätzen sammelnden NS-Führer nicht durch ihre Anwesenheit zu stören. Das empfanden zahlreiche Juden sicherlich als weitere Kränkung, andere – wie der Schriftsteller Walter Tausk – aber auch als „nicht weiter schlimm, solange man nur in Ruhe gelassen wird“.

Das tat das NS-Regime natürlich nicht, denn ebenfalls auf den 3. Dezember datierte die „Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens“, die die ohnehin bereits umfassende wirtschaftliche Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung weiter perfektionierte und vervollständigte. Sie ermächtigte die höheren Verwaltungsbehörden nämlich, Juden zum Verkauf oder zur Schließung ihrer Geschäfte und Betriebes sowie zur Veräußerung ihres Grundbesitzes und sonstigen Vermögens oder von Wertgegenständen zu zwingen. Zugleich unterlag nun jeder Grundstücksverkauf durch Juden einer allgemeinen Genehmigungspflicht. Für Wertpapiere wurde ein Depotzwang eingeführt, was bedeutete, sämtliche Wertpapiere innerhalb einer Woche in ein Depot bei einer Devisenbank eingeliefert werden mussten, womit die staatliche Kontrolle hierüber perfektioniert wurde. Künftig war es Juden gesetzlich verboten, Gold, Platin, Silber, Edelsteine und Perlen zu erwerben oder frei zu veräußern. Hierzu waren nur noch besondere amtliche Ankaufstellen berechtigt, die zudem auch die (Niedrigst-) Preise festsetzten. Das galt auch für Schmuck und Kunstgegenstände, soweit im Einzelfall der Wert von 1.000 RM überschritten wurde.

Die Ausbeutung ging mit unvermindertem Tempo weiter. Durch die „3. Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ vom 5. Dezember verloren Juden alle Ansprüche auf Renten, Pensionen und Versicherungen. Mit Jahresbeginn 1939 wurden die Ruhegehälter der ausgeschiedenen jüdischen Beamten gekürzt. Wie groß das Ausmaß der Ausplünderungen im Jahr 1938 war, geht allein schon daraus hervor, dass mindestens neun Prozent der Reichseinnahmen des Haushaltsjahres 1938/39 aus solchen „Arisierungserlösen“ stammten.

Auch das Verdrängen der jüdischen Bevölkerung aus dem öffentlichen Straßenbild wurde ungehemmt fortgeführt. Hierbei tat sich auch Berlin unter seinem Gauleiter Joseph Goebbels besonders hervor, wo – wohl auf der Grundlage der „Polizeiverordnung über das Auftreten der Juden in der Öffentlichkeit“ vom 28. November 1938 – ab dem 6. Dezember vom Polizeipräsidenten ein „Judenbann“ verhängt wurde. Eine Reihe von Straßen, Plätzen, Anlagen und Gebäuden durften von Juden nun künftig nicht mehr betreten oder befahren werden. Diejenigen von ihnen, die zu diesem Zeitpunkt noch innerhalb eines „Banngebiets“ wohnten, benötigten einen Erlaubnisschein. Zugleich wurde angekündigt, dass solche Passierscheine ab Mitte 1939 nicht mehr erteilt würden, was nichts anderes bedeutete, dass die hier wohnenden Jüdinnen und Juden ihre Häuser und Wohnungen zu verlassen hatten. Wie tief der Berliner „Judenbann“ in das Leben der zahlreichen noch in der Reichshauptstadt lebenden Juden eingriff, belegt allein schon die Tatsache, dass von ihm unter anderem sämtliche Theater, Kinos, Kabaretts, Konzert- und Vortragsräume, die Ausstellungshallen am Kurfürstendamm und das Ausstellungsgelände am Funkturm, die Deutschlandhalle, der Sportpalast, öffentliche und private Badeanstalten, Hallenbäder und Freibäder sowie einige Straßen betroffen waren.

Auch die Auswanderung wurde immer weiter erschwert. So bestimmte das „Gesetz über Devisenbewirtschaftung“ vom 12. Dezember, dass jüdische Auslandsreisende (auch fremder Staatsangehörigkeit) nur noch zum persönlichen Gebrauch unbedingt erforderliche Gegenstände mitnehmen durften. Für alle anderen war ab sofort eine Genehmigung einzuholen, wobei die stark einschränkenden Vorschriften zur Ausfuhr von Geld, Wertpapieren und Schmuck eine Emigration wegen der extremen Reduzierung der finanziellen Ressourcen oft unmöglich machten.

Am 20. Dezember ordnete der Präsidenten der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung für die zahlreichen durch das Pogrom und die folgenden Maßnahmen arbeitslos gewordenen Juden den sogenannten „Geschlossenen Arbeitseinsatz“ an. In dessen Rahmen wurden die – oft bereits älteren - Betroffenen zumeist in Kolonnen und streng von „deutschblütigen“ Arbeitskräften getrennt, zu schwerer körperlicher Arbeit gezwungen.

Nach Weihnachten hielt Hermann Göring am 28. Dezember nach einem Vortrag vor Hitler dessen Entscheidungen fest. Demnach lehnte er es zwar ab, den Mieterschutz für Juden gänzlich aufzuheben, wünschte aber, dass Juden möglichst „in einem Haus zusammengelegt“ würden, „soweit die Mietverhältnisse dies gestatten“. Damit war der erste Schritt in Richtung der damals so genannten „Judenhäusern“ getan. Um das zu gewährleisten sollte die „Arisierung“ jüdischen Hausbesitzes auch erst ganz am Ende des gesamten Enteignungsprozesses erfolgen.

Hitler stimmte bei gleicher Gelegenheit zwar zu, Juden die Benutzung von Schlaf- und Speisewagen zu untersagen, lehnte jedoch ein Verbot für die Benutzung von Eisenbahnen, Straßenbahnen, Vorort-, Stadt- und Untergrundbahnen, Omnibussen und Schiffen vorerst noch ab. Seine allgemeine Zustimmung fand der „Judenbann“, der zunächst aber nur für bestimmte öffentlich zugängliche Einrichtungen auszusprechen sei. „Dazu gehören solche Hotels und Gaststätten, in denen vor allem die Parteigenossenschaft verkehrt.“ Außerdem konnte er nun reichsweit „für Badeanstalten, gewisse öffentliche Plätze, Badeorte usw. ausgesprochen werden“. Er habe, so betonte Göring, die Meinung Hitlers zu diesen Punkten eingeholt, u so eine klare, nicht zu diskutierende Richtlinie für das Verfahren vorzugeben. „Alle Reichs- und Landesbehörden haben sich strikte an diese Willensmeinung zu halten.“

Nach den Zeitungen und Zeitschriften nahm man der jüdischen Bevölkerung zum Ausklang des Jahres 1938 auch noch die Bücher. Laut einer am 30. Dezember 1938 im „Jüdischen Nachrichtenblatt“ veröffentlichten Anordnung des Propagandaministeriums waren jüdische Verlage und Buchhandlungen bis zum 31. Dezember 1938 zu schließen und aufzulösen.

1. Dezember 1938: Übernahme der Schulkosten?

1. Dezember 1938: Anordnung zur Neuerhebung jüdischen Grundbesitzes

1. Dezember 1938: Anordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem Wirtschaftsleben

1. Dezember 1938: Richtlinien für den Unterricht

Anfang Dezember 1938: Bericht aus dem Rheinland

2. Dezember 1938: Anordnung zur Rückgabe sichergestellter Gegenstände

Dezember 1938: Bericht aus Frankfurt und KZs

3. Dezember 1938: Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens

3. Dezember 1938: Ausgehverbot für Juden

3. Dezember 1938: Entziehung der Führerscheine und Zulassungspapiere

4. Dezember 1938: Aufforderung, Selbstmorde zu melden

5. Dezember 1938: Angst vor „Judenhaus“

5. Dezember 1938: Bericht aus Minden

6. Dezember 1938: Anweisung des Düsseldorfer Oberfinanzpräsidenten

6. Dezember 1938: Emigration nach Palästina

7. Dezember 1938: Vorschläge für den Papst

9. Dezember 1938: Tagebucheintrag von Cornelius Freiherr von Berenberg-Gossler

11. Dezember 1938: Tagebucheintrag von Ruth Maier

12. Dezember 1938: Ablehnung in der Bevölkerung?

13. Dezember 1938: Erlass zum Verkauf von Grundstücken

14. Dezember 1938: Ausschaltung der Juden aus dem Wirtschaftsleben

14. Dezember 1938: Bericht aus Koblenz

15. Dezember 1938: Bericht aus Bad Reichenhall

16. Dezember 1938: Grundstücksverkäufe von Juden

16. Dezember 1938: Vorladung zur Gestapo

16. Dezember 1938: Lage der Juden in Zbaszyn

17. Dezember 1938: Bericht aus Berlin

20. Dezember 1938: Arbeitseinsatz der Juden

20. Dezember 1938: Bericht aus Kleve

20. Dezember 1938: Auswanderung und Vermögenstransfer

21. Dezember 1938: Keine Unterstützung für Juden

22. Dezember 1938: Keine Rückgabe von Kultgegenständen

22. Dezember 1938: Überfälle auf Juden

22. Dezember 1938: Bericht aus Trier

Weihnachten 1938: Rückkehr aus Dachau

1938: Antisemitismus im Kinderbuch

25. Dezember 1938: Kindertransport nach Großbritannien

27. Dezember 1938: Reaktionen aus Arbeiterklasse und Bürgertum

28. Dezember 1938: Unterbringung der Juden

Dezember 1938: Pogrom aus Sich der „NS-Frauenwarte“

Dezember 1938: Schwierige Auswanderung

Ende 1938: Reichszentrale für jüdische Auswanderung

Ende 1938: Alltag in der Auswanderungsstelle Wien

30. Dezember 1938: Bericht aus Alzenau

30. Dezember 1938: Schließung von Einzelhandelsgeschäften und Handwerksbetrieben

30. Dezember 1938: Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben

Ende 1938: Haft in Sachsenhausen

31. Dezember 1938: Bericht aus Regensburg

31. Dezember 1938: Bericht aus München

31. Dezember 1938: Bericht aus Ansbach

31. Dezember 1938: Zweimonatsbericht des NSDAP-Hauptschulungsamtes

31. Dezember 1938: Bericht aus Irmelshausen

31. Dezember 1938: Bericht aus Berlin

31. Dezember 1938: Bericht aus Gotha

31. Dezember 1938: „Jahreslagebericht“ des SD

31. Dezember 1938: SD-Bericht aus Chemnitz

31. Dezember 1938: SD-Bericht aus Stettin

31. Dezember 1938: SD-Bericht aus Methethen

31. Dezember 1938: SD-Bericht aus Hannover

31. Dezember 1938: SD-Bericht aus Berlin

31. Dezember 1938: SD-Bericht aus München

31. Dezember 1938: SD-Bericht aus Breslau

21. Dezember 1938: SD-Bericht aus Stuttgart

31. Dezember 1938: SD-Bericht aus Düsseldorf

Ende 1938: Bericht über Pogrom in Berlin und Nürnberg

31. Dezember 1938: Himmler erleichtert Auswanderung jüdischer Kinder

Ende Dezember 1938: Fazit zum Pogrom

31. Dezember 1938: Bericht aus Speyer

Ende 1938: Bericht über Pogrom und Emigration

Ende 1938: Beobachtungen in Berlin

Ende Dezember 1938: Bericht aus Duisburg-Hamborn

Ende 1938: Lagebericht der SD-Abteilung II/112 für das Jahr 1938

31. Dezember 1938: Geltendmachung eines Eigentumsanspruchs

Ende Dezember 1938: Die Sopade berichtet

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