Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung
Der Prozess der wirtschaftlichen Zurückdrängung der jüdischen Bevölkerung wurde gleich zu Monatsbeginn massiv verstärkt, indem das Reichswirtschaftsministerium in einem geheimen Erlass zum 1. März endgültig die Vergabe öffentlicher Aufträge an jüdische Firmen untersagte. Damit wurde ihnen der Zugang zu eigentlich unverzichtbaren Auftraggebern dauerhaft verschlossen.
Auch in einzelnen Branchen sahen sich jüdisch geführte Unternehmen mehr und mehr vom totalen Ausschluss bedroht. So verbot das am 18. März erlassene neue Waffengesetz, dass Angehörigen der NSDAP und ihrer Verbände den Waffenbesitz massiv erleichterte, zugleich Juden oder jüdisch geführten Betrieben die Herstellung, Bearbeitung oder Instandsetzung von Schusswaffen oder Munition sowie den Handel mit Waffen.
Auch von Ehrungen und Würdigungen wurde der jüdische Teil der Bevölkerung offiziell ausgeschlossen. Am 22. März erließ der Reichserziehungsminister Richtlinien, in denen vorgeschrieben wurde, dass vor jeder Verleihung der Würde eines Ehrendoktors, akademischen Ehrensenators, Ehrenbürgers oder Ehrenmitgliedes sorgfältig zu prüfen sei, „ob der Kandidat und sein Ehegatte rein arischen Blutes“ seien.
Zwei Tage später untersagte der Reichsinnenminister Juden die Benutzung staatlicher Archive, die sie künftig ausschließlich zu „familiengeschichtlichen Zwecken und zur Erforschung des jüdischen Volkstums“ aufsuchen durften. In solchen Ausnahmefällen war genau darauf zu achten, dass „dem jüdischen Archivbenutzer“ ausschließlich jenes Material vorgelegt wurde, das für den „Feststellungs- oder Forschungszweck“ als unentbehrlich galt. Damit wurde zahlreichen jüdischen Forscher*innen ein wesentlicher Teil ihrer Arbeitsgrundlage entzogen.
Auch jüdische Verbände blieben vor neuen empfindlichen Schlägen nicht verschont. Per „Durchführungsverordnung zum Grundsteuergesetz“ wurde ihnen am 29. März rückwirkend ab 1. Januar 1938 die Befreiung von der Grundsteuer entzogen.
Im März wirkten sich auch außenpolitische Ereignisse direkt und indirekt auf die jüdische Bevölkerung im Reichsgebiet aus. Der mit großem propagandistischem Aufwand gefeierte „Anschluss“ Österreichs hatte unter anderem zur Folge, dass mit dem 13. März rund 190.000 weitere Jüdinnen und Juden unter unmittelbare NS- Herrschaft gerieten. Das beeinflusste deren Perspektiven massiv und veranlasste viele von ihnen zu Fluchtversuchen v.a. über die deutsche Westgrenze.
Am 31. März 1938 erließ die polnische Regierung das allgemein formulierte, faktisch jedoch gegen Juden gerichtete „Gesetz über den Entzug der Staatsbürgerschaft“, das es ermöglichen sollte, Staatsangehörige, die seit mehr als fünf Jahre im Ausland lebten, auszubürgern. Zu diesem Zeitpunkt werden wohl eher wenige der im Reichsgebiet lebenden „Ostjuden“ mit polnischer Staatsbürgerschaft geahnt haben, was für fatale Folgen dieses Gesetz im Herbst des Jahres für sie haben würde.