Menü
Chronik und Quellen
1937
Dezember 1937

Umbau der SD-Abteilung II/1

SD-Mann Hagen berichtet am 7. Dezember 1937 über den Umbau der SD-Abteilung II/1:

I. II112 vor dem 1.4.37

Die eigentliche Bearbeitung des Gegners Judentum durch die Abteilung II 112 begann etwa Ende 1935. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die vorbereitenden Arbeiten soweit fortgeschritten, daß an eine organisatorische Erfassung der Juden in Deutschland herangegangen werden konnte. Diese Arbeit, die sich über ein Jahr hinzog, hätte im wesentlichen bereits in einigen Monaten abgeschlossen sein können, wenn die Arbeitsverteilung innerhalb der Abteilung von Anfang an besser gewesen wäre. Die Folge der damals getroffenen Verteilung der Arbeit war, daß einige Männer der Abteilung mit laufenden Arbeiten überlastet waren, weil es den übrigen an einer umfassenden Sachkenntnis mangelte.

Eine praktische Fühlungsnahme mit den Juden in Deutschland war infolge der ungeschickten Taktik der Abteilungsleitung um diese Zeit fast ausgeschlossen. Man hielt sich bei der Gesamtbearbeitung lediglich an die Staatspolizeileitstelle Berlin, die selbstverständlich lediglich über die örtlichen Gegnerformen unterrichtet war. Bei den wenigen Verhandlungen, die auf der Stapoleitstelle geführt wurden, haben die Männer der Abteilung II 112 keine Gelegenheit gehabt, sich praktisch zu betätigen. Die Verhöre wurden lediglich von den Stapobeamten geführt. Die politische Ausrichtung der in Deutschland ansässigen jüdischen Organisationen nach staatspolizeilichen Gesichtspunkten war unter diesen Umständen natürlich nicht möglich, zudem bestand nicht einmal eine Kontrolle über die Tätigkeit der leitenden jüdischen politischen Funktionäre. Dieser Zustand dauerte bis etwa März/April 1937 (Bericht von SS-Untersturmführer Eichmann).

II. Die Abteilung II112 seit dem 1.4.37

Nach dem Wechsel in der Leitung der Zentralabteilung II 1 und der Leitung der Abteilung II 112 wurde sofort von der theoretischen Bearbeitung des Judentums abgegangen und die praktische Arbeit aufgenommen. Dabei wurde insbesondere Wert darauf gelegt, nicht nur über das zuständige Referat im Geheimen Staatspolizeiamt über die Lage im Judentum unterrichtet zu werden, sondern es wurde direkte Fühlung mit den leitenden Funktionären auf dem Wege von Vorladungen im Gestapa aufgenommen. Außerdem beschränkte sich die Arbeit nicht nur auf das in Deutschland ansässige Judentum, sie wurde vielmehr auch auf die Erfassung und Bearbeitung des Judentums im Ausland ausgedehnt.

Einen grundsätzlichen Wandel in der Arbeit der Abteilung II 112 führte der Funktionsbefehl des Reichsführers vom 1.7.37 herbei, demzufolge (2c) die Abteilung II 112 alle allgemeinen und grundsätzlichen Fragen, in denen staatspolizeiliche Vollzugsmaßnahmen nicht in Betracht kommen, zur Bearbeitung überlassen wurden. Von diesem Zeitpunkt an werden sämtliche zu treffende Entscheidungen im engstem Einvernehmen mit dem Referat II B 4 auf dem Gebiet des Judentums gefällt. Durch regelmäßige Vorladungen der leitenden Funktionäre der jüdischen Organisationen wird versucht, die gesamte Judenpolitik so auszurichten, daß die Auswanderung besonders unbemittelter Juden laufend gefördert und verstärkt wird.

Durch den Besuch der Zentralen der jüdischen Organisationen wurde Einblick genommen in die Arbeitsweise der Juden; dabei konnten gleichzeitig erhebliche Mißstände entdeckt werden (wie u. a. die Beschäftigung zahlreicher Juden ausländischer Staatsangehörigkeit in leitenden Funktionärsstellen), die abgestellt worden sind bzw. abgestellt werden. Darüber hinaus wurde angefangen, durch die Verbindungsaufnahme mit den zuständigen Stellen im Innenministerium und im Auswärtigen Amt, direkten Einfluß auf die praktische Durchführung der Auswanderung zu bekommen. Das Endziel, wie das noch näher in einem in Arbeit befindlichen Bericht an C dargelegt werden soll, ist die Zentralisierung der gesamten Bearbeitung der Judenfrage in Deutschland bei SD und Gestapa.

Darüber hinaus wurde mit der systematischen Erfassung des Weltjudentums begonnen (zum Teil durch direkte Fühlungsnahme), weil die Entscheidungen über die weitere Lösung der Judenfrage in Deutschland eine genaue Kenntnis der leitenden jüdischen Weltorganisationen voraussetzen. Auch auf diesem Gebiet konnten bereits praktische Ergebnisse erzielt werden. So wird durch eine beständige Ermahnung der mit dem Ausland in Verbindung stehenden leitenden jüdischen Funktionäre in Deutschland ein teilweises Zurückgehen der Hetze des Auslandsjudentums herbeigeführt (insbesondere darf hier auf die Meldung über Prinz hingewiesen werden).

Organisatorisch wurde die Abteilung insofern erneuert, als jedem Referenten eine Hilfskraft zur Verfügung gestellt wurde, die für die zu leistende Arbeit voll verantwortlich ist. Damit ist erreicht worden, daß die Referenten entlastet wurden und daß die bisher nur mit technischen Arbeiten beschäftigten Hilfskräfte in die Sacharbeit eingeführt wurden und eventuell später als Sachkenner in die Referate der O.A. eingesetzt werden können.

Baum wird geladen...