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Chronik und Quellen
1937
November 1937

Bericht über „Die derzeitige Erfassung der Juden in Deutschland“

Am 1. November 1937 berichtet SD-Mann Hagelmann im Rahmen einer Tagung des Sicherheitshauptamtes über „Die derzeitige Erfassung der Juden in Deutschland durch die verschiedenen Behörden, Institute und Ämter und ihre Auswertungsmöglichkeit bei der endgültigen Aufstellung der Judenkarteien“:

Für eine erfolgreiche innerpolitische Bekämpfung des Judentums ist die karteimäßige Erfassung sämtlicher z. Zt. in Deutschland lebenden Juden und Judenstämmlinge notwendig. Der Zweck dieser karteimäßigen Erfassung ist:

1. die zahlenmäßige Feststellung der im Reich lebenden Juden und Judenstämmlinge im Sinne der Nürnberger Gesetze,

2. die Feststellung des direkten Einflusses bzw. des jüdischen Einflusses über seine Verbindungen auf das kulturelle Leben, Gemeinschaftsleben und das materielle Leben des deutschen Volkes.

Das hierbei anfallende Material wird die Grundlage für die Bekämpfung des Gegners im A-Falle, die Beobachtungsmöglichkeit der Auswirkungen der Ariergesetzgebungen, die endgültige Durchführung der Reichsbürgergesetze und die weitere Zurückdrängung der Juden aus den Gebieten des deutschen Lebens sein.

Es sind bis heute von vielen Behörden und Instituten Judenkarteien aufgestellt worden, die aber alle nicht vollständig und vom SD-mäßigen Standpunkt aus nicht aufschlußreich genug sind. Dem SD ist daher die Aufgabe gestellt worden, eine nach seinen Gesichtspunkten maßgebliche Reichsjudenkartei aufzubauen, mit der aber erst nach der im nächsten Jahr stattfindenden Volkszählung, die sich nicht nur auf die Religionszugehörigkeit, sondern auch auf die blutsmäßige Abstammung erstrecken wird, begonnen werden kann. Bis zum Abschluß der Volkszählung können die Ober- und Unterabschnitte schon mit den notwendigen Erörterungen der organisierten Juden beginnen. Das hierfür bei den Ober- und Unterabschnitten fehlende Material wird dann zweckmäßig durch Fühlungsnahme und Zusammenarbeit mit den Behörden, Instituten und Ämtern beschafft, die sich mit der Judenfrage befassen und Judenkarteien aufgebaut haben. Es kommen dafür folgende Dienststellen in Frage:

1. Rassenpolitisches Amt der NSDAP

Durch die Gauamtsleitungen des Rassenpolitischen Amts wurde in den einzelnen Gauen bereits mit der Erfassung des Gegners vom rassenpolitischen Standpunkt aus begonnen.

2. NS-Lehrerbund

Durch die dem NS-Lehrerbund angeschlossenen Lehrer ist im besonderen das schwierige Material bezügl. der jüdischen Mischlinge zu beschaffen; wobei die Lehrer speziell in den kleineren Provinzorten durchweg in der Lage sind, neben dem bereits erwähnten Material auch solche über sämtliche in ihrem Schulbereich wohnenden Juden zu erbringen.

3. Einwohner-Meldeämter

Hier kann durch Fühlungsnahme mit den zuständigen Beamten das in den Wahlkarteien vorhandene Material verwertet werden.

4. Deutsche Arbeitsfront

Hier kann u. a. insbesondere das Material über den Einfluß der Juden auf das materielle Leben beschafft werden.

5. Statistische Ämter

6. Staatspolizeileitstellen und Staatspolizeistellen

Über diese Dienststellen kann Material von den jüdischen Gemeinden selbst angefordert werden, wobei zu bemerken ist, daß das auf diesem Weg anfallende Material sich hauptsächlich nur auf Konfessionsjuden bezieht.

7. Alle sonstigen Dienststellen in den einzelnen Oberabschnittsbereichen, die sich bereits mit der karteimäßigen Erfassung der Juden beschäftigten, selbstverständlich auch die örtlichen Parteidienststellen.

Die „Judenkartei“ wird dann nach folgenden Richtlinien aufgebaut: Wie schon erwähnt, wird zunächst bis zur Abwicklung der Volkszählung mit der Erörterung der in den jüdischen Organisationen organisierten Juden begonnen. Den Oberabschnitten werden vom SD-Hauptamt sämtliche Mitgliederverzeichnisse der jüdischen Organisationen gegeben, deren personelle Veränderungen laufend vierteljährlich von den Staatspolizeileitstellen an die SD-Oberabschnitte nachgereicht werden. Die Listen werden zweckmäßig auf den Ober- und Unterabschnitten nach Organisationen geordnet, damit sie nach der Volkszählung sofort griffbereit sind. Als Hilfsmittel für die Erfassung der Juden wird ein vom SD-Hauptamt entworfener Personenerörterungsbogen, der sämtliche für den SD wichtigen Fragen enthält, benutzt und an die Außenstellen usw. zur Ausfüllung ausgegeben. Dabei wird das bei den verschiedenen Behörden und Dienstellen, die sich mit der Judenfrage befassen, vorhandene Material sehr von Nutzen sein. Nach Beendigung der Volkszählung bekommt der SD von den örtlichen Polizeistellen Doppel aller Karteikarten, auf denen Volljuden und jüdische Mischlinge bearbeitet wurden. Bei Erhalt dieser Karten werden vom SD in der geleisteten Vorarbeit gesammelten Erörterungen auf den neuen Karteikarten mitberücksichtigt.

Die eigentliche Kartei wird im Interesse der Aktuellerhaltung auf den SD-Unterabschnitten geführt, während die oberabschnittswichtigen Juden gleichzeitig auf den Ober abschnitten und die reichswichtigen Juden gleichzeitig im Sicherheitshauptamt geführt werden. Auf dem Unterabschnitt sind daher bei einem reichswichtigen Juden 3, bei einem oberabschnittswichtigen Juden 2 und bei einem unterabschnittswichtigen Juden 1 Karteikarte zu schreiben. Die Begriffe „reichswichtig“, „oberabschnittswichtig“ und „unterabschnittswichtig“ wurden folgendermaßen definiert:

1. Reichwichtig sind:

a) alle jene Juden, die auf das jüdisch-politische Leben durch Sitz und Stimme bedeutenden Einfluß ausüben, z. B. ein im UA-Bereich wohnhafter Jude, der Mitglied eines der jüdischen Reichsverbände ist, erscheint reichswichtig;

b) alle jene Juden, die durch direkten Einfluß oder durch ihre Verbindungen bedeutende Einwirkung auf das kulturelle Leben, Gemeinschaftsleben und materielle Leben des deutschen Volkes nehmen, z.B. alle jene Juden, die an der Herstellung, Weiterverarbeitung oder Verteilung besonders lebenswichtiger Erzeugnisse arbeiten und in solchen Betrieben an exponierten Stellen stehen, erscheinen reichswichtig;

c) alle jene Juden, die unter dem Verdacht einer nachrichtendienstlichen Tätigkeit stehen;

d) Juden, die sich der Vortragung des Angriffes gegen das n. s. Deutschland, konfessioneller Gegner oder der Linksbewegung bedienen.

2. Oberabschnittswichtig sind:

a) alle jene Juden, die auf das jüdisch-politische Leben durch Sitz oder Stimme Einfluß auf jüdische Landesverbände nehmen;

b) alle jene Juden, welche auf die Lebensgebiete des deutschen Volkes nicht gerade reichswichtigen Einfluß nehmen, trotzdem aber in der Lage sind, den Lebensnerv des deutschen Volkes in empfindlicher Weise zu stören, z. B. Juden, welche an Heereslieferungen (Leder, Stoffe, Futter, Vieh usw.) beteiligt sind.

3. Unterabschnittswichtig sind:

alle im Unterabschnittsbereich wohnhaften Juden.

Bis zur endgültigen Aufstellung der Judenkartei werden den SD-Ober- und Unterabschnitten noch genaue Weisungen gegeben. Es bleibt als Aufgabe zunächst nur die zu leistende Vorarbeit, wobei nochmals betont werden muß, daß die Ober- und Unterabschnitte mit den vorgenannten Dienststellen Fühlung nehmen müssen. Die Kartei kann nur dann von Wert sein und wird nur dann aktuell sein, wenn sie nach dem hier vorgezeigten Weg aufgebaut und laufend vervollständigt wird.

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