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Chronik und Quellen
1937
November 1937

November 1937

Außenpolitisch bleibt das NS-Regime auch im November seinem Kurs von „Zuckerbrot und Peitsche“ treu. Während die Regierungen in Berlin und Warschau am 5. November eine gemeinsame Erklärung über den künftigen Schutz der deutschen bzw. polnischen Minderheiten in den beiden Ländern veröffentlichen, wurde am 25. des Monats beschlossen, dass im Lauf der nächsten Monate im Reichsgebiet rund 150 „Danzig-Kundgebungen“ stattfinden sollten, deren Sinn es nach Bekunden des NS-Regimes sein sollte, „im deutschen Volk das Wissen um den deutschen Freistaat Danzig und den östlichen Lebensraum zu vertiefen“. Zugleich wurde außenpolitische Vorsorge für etwaige deutsche Expansionsbestrebungen getroffen: Am 19. November erklärte der britische Lordpräsident Edward Wood Viscount Halifax bei einem Treffen mit Hitler, dass Großbritannien bereit sei, eine territoriale Erweiterung des Deutschen Reiches zu tolerieren, sofern sie mit friedlichen Mitteln erfolge.

Innenpolitisch wurde der Kampf gegen den Einfluss der Kirchen unvermindert fortgesetzt. So hatte sich die Zahl der im Reichsgebiet verhafteten evangelischen Geistlichen bis Mitte des Monats von 95 auf 115 erhöht, wobei sämtliche Betroffene im Zusammenhang mit dem Widerstand der Bekennenden Kirche gegen das NS-Regime festgenommen worden waren. Dennoch verwahrte sich Reichskirchenminister Hanns Kerrl am 23. November im Rahmen einer NSDAP-Kundgebung in Fulda gegen den Vorwurf, der NS-Staat oder die NSDAP seien antikirchlich eingestellt. Immerhin, so betonte der Minister scheinheilig, habe man den Kirchen bisher über eine Milliarde Reichsmark zukommen lassen. Eine Woche später sprach in Hagen über das Thema „Weltanschauung und Religion“, wobei er besonders betonte, dass gegen 955 katholische 0rdensleute angeblich wegen Sittlichkeitsvergehen vor Gericht stehen würden.

Auch der Kampf zur Einsparung von Lebensmitteln und Rohstoffen und damit an Devisen fand seine Fortsetzung. So wurden seitens des Reichsnährstandes am 3. November Verordnungen erlassen, nach denen der Beimischungszwang für Brotmehl verschärft wurde. Künftig musste Roggenbrotmehl ein bestimmter Anteil an Kartoffelmehl und dem Weizenbrotmehl Maismehl beigemischt werden, um so den Getreideimport zu reduzieren.

Als Adolf Hitler am 27. des Monats in Berlin den Grundstein zum Bau der Wehrtechnischen Fakultät der Technischen Hochschule legte, gab er sozusagen den offiziellen Startschuss für die großangelegten Baumaßnahmen in der Reichshauptstadt. Nach seinen Worten begann mit diesem Tag in der Stadt „eine Periode baulicher Neugestaltung“.

 

Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung

Am 1. November 1937 trafen sich 66 für die „Judenfrage“ zuständigen Abteilungsleiter, Referenten und Hilfskräfte des Sicherheitsdienstes der SS aus dessen Berliner Zentrale und den SD-Oberabschnitten waren, zu einer Tagung, in deren Verlauf ihnen zwölf thematisch einschlägige Kurzreferate zur Gehör gebracht wurden, an die sich anschließend noch eine dreistündige „Allgemeine Aussprache“ anschloss.

In einem dieser Referate erklärte Theodor Dannecker, einer der engsten Mitarbeiter von Adolf Eichmann, die „Methodik“, mit der die SD-Männer das Leben für die jüdische Bevölkerung möglichst unerträglich machen sollten: „Keine Minute Ruhe geben, stets die führenden Juden durch Vermahnungen in Atem halten, auf jede unseren Grundsätzen zuwiderlaufende Regung, auch die kleinste, sofort reagieren, kurz: völliges Eindringen in das jüdische und insbesondere das jüdisch-politische Eigenleben. Dadurch wird zwangsläufig der Auswanderungsgedanke genährt und die Idee von einem vielleicht doch noch möglichen Weiterverbleiben in Deutschland immer mehr untergraben.“

Am 5. November wurde die jüdische Bevölkerung durch das „Gesetz über erbrechtliche Beschränkungen wegen gemeinschaftswidrigen Verhaltens“ mit Blick auf „arische“ Erblasser sozusagen kollektiv enterbt. Da sie durch die „Nürnberger Gesetze“ unter anderem ihre Staatsangehörigkeit verloren hatten, durften sie künftig das Erbe eines deutschen Staatsangehörigen nicht mehr antreten. Auch Schenkungen waren an sie nunmehr verboten. Jenen Erben, die nach dem 16. September 1935 eine „Mischehe“ eingegangen waren, wurde zudem der ihnen zuvor zustehende Pflichtanteil ihres Erbes entzogen.

Am 8. November eröffnete Propagandaminister Joseph Goebbels in München die antisemitische Ausstellung „Der Ewige Jude“. Die groß und aufwändig aufgezogene Präsentation soll der deutschen Bevölkerung - wie ab 1940 dann auch der gleichnamige Film - die seitens des NS-Regimes betriebene Politik gegen die jüdische Bevölkerung plausibel und akzeptabel gemacht werden.

Am 16. November wurde auf Anweisung des Reichsinnenministeriums die Reisefreiheit der jüdischen Bevölkerung massiv eingeschränkt. Von diesem Tag an wurde ihnen - bis auf die Fälle einer endgültigen Auswanderung - keine im Ausland gültigen Reisepässe mehr ausgestellt.

Das Regime bleibt mit allen sich bietenden Mitteln bestrebt, die Distanz zwischen nichtjüdischer und jüdischer Bevölkerung kontinuierlich zu vergrößern. So wurde am 22. November seitens des Reichsjustizministeriums in einer vertraulichen Anweisung mitgeteilt, dass es erwünscht sei, wenn Kinder von Beamten, die ihre Berufsausbildung in jüdischen Geschäften oder Unternehmungen durchlaufen, diese dort umgehend unterbrechen würden. Eine gesetzliche Grundlage zur Durchsetzung dieser Forderung gab es zunächst nicht.

Am 30. November fasste Joseph Goebbels das Gespräch, das er während eines gemeinsamen Mittagessens mit Adolf Hitler geführt hatte, in seinem Tagebuch zusammen. „Lange über Judenfrage diskutiert. Mein neues Gesetz ist bald fertig. Aber das ist nicht das Ziel. Die Juden müssen aus Deutschland, ja aus ganz Europa heraus. Das dauert noch eine Weile, aber geschehen wird und muß das. Der Führer ist fest entschlossen dazu.“

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