Schreiben des CV (Brodnitz und Reichmann) an das Reichswirtschaftsministerium
Der Centralverein informiert das Reichswirtschaftsministerium am 12. November 1934 über die Behinderung jüdischer Händler auf städtischen Märkten:
Betr. Marktverkehr
Wir überreichen dem Ministerium
1) eine Anzahl Bescheide von Marktbehörden, insbesondere aus Hessen, die an jüdische ambulante Gewerbetreibende ergangen sind,
2) Stellungnahmen von angerufenen Ortsbehörden und Regierungsinstanzen zu diesen Bescheiden.
Der Inhalt sämtlicher Anlagen steht u. E. im Widerspruch zu den Verfügungen betr. Marktverkehr des Herrn Reichswirtschaftsministers vom 28.9.1933 unter H.G. 13046/33 und des Herrn Preussischen Ministers für Wirtschaft und Arbeit vom 13.10.1933 unter J.Nr. IIIA 4461 L., denn es werden jüdische Händler entgegen dem Grundsatz, dass in der Wirtschaft das Arierprinzip nicht angewandt werden soll, entweder überhaupt nicht oder nur unter erschwerenden Bedingungen zum Markt zugelassen.
Wir wären für Massnahmen zu Dank verpflichtet, die in den in Frage kommenden Orten und Bezirken eine den Richtlinien des Ministeriums entsprechende Behandlung der jüdischen Markthändler gewährleisten würden.
Brodnitz Reichmann
Vorsitzender Syndikus
Anlagen
Zu Anlage 1
Hess. Bürgermeisterei
Lauterbach, den 1.6.1934
Betr. Prämienmarkt am 6. Juni 1934.
Antwortlich Ihrer Anfrage vom 29. Mai ds. Jhs. teilen wir Ihnen hierdurch mit, dass jüdische Geschäfte zum Prämienmarkt am 6. ds. Mts. keinen Zutritt haben, gez. Unterschrift
Gross-Gerau/Hessen
Der Herbstmarkt in Groß-Gerau findet vom 8.-10. September 1934 statt. Plätze für Fahrgeschäfte (nur beste Geschäfte), Schau- sowie Verkaufsbuden werden im Wege des schriftlichen Angebotes vergeben. Der Markt ist in der Zulassung von Geschäften ein beschränkter Markt. Nichtarier werden nicht zugelassen. - Angebote sind bis zum 8. August zu richten an
Bürgermeisterei Gross-Gerau
Hungen/Oberhessen
Hungen, den 8. Oktober 1934
Auf die gefl. Postkarte vom 3. September 1934 teilen wir Ihnen mit, dass Sie für den Allerheiligenmarkt (1. Nov. 1934) einen Stand in der gewünschten Grösse haben können unter der Voraussetzung, dass Sie arischer Abstammung sind.
Bürgermeisteramt Hungen
gez. Fend
Bürgermeisterei
Ortenberg/Hessen
Ortenberg, den 10. Okt. 1934
Aus Ihrer Anfrage vom 3.9. d. J. haben wir ersehen, dass Sie für den diesjährigen „Kalten Markt“, der vom 28. Oktober bis 1. November stattfindet, einen Platz für Ihren Verkaufsstand von Strumpfwaren zu erhalten wünschen.
Wenn Sie arischer Abstammung sind, können Sie mit der Zuweisung eines entsprechenden Platzes rechnen. Nur müssen Sie sich wegen dessen Zuteilung der Verlosung unterwerfen, die am Montag, den 29. Oktober vormittags 9-11 Uhr stattfindet. Wir bitten Sie, bei dieser Verlosung anwesend zu sein oder jemand mit Ihrer Vertretung zu beauftragen. Mit deutschem Gruss
Hess. Bürgermeisterei Ortenberg
gez. Unterschrift
Grünberg/Oberhessen
Hess. Bürgermeisterei Grünberg
Grünberg, den 11.10.1934
Auf Ihre Anfrage vom 10. ds. Mts. teile ich mit, dass der diesjährige Gallusmarkt ein judenfreier Markt ist. Ich bedaure daher, Sie nicht zum Markt zulassen zu können.
Sollten Sie keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, so bitte ich noch um entsprechende Mitteilung.
Hess. Bürgermeisterei Grünberg
gez. Unterschrift
Zu Anlage 1
Edenkoben/Pfalz
Bevor wir Ihnen eine Zusage zur Bestellung unseres Marktes erteilen, wollen Sie uns bitte mitteilen, ob Sie arischer Abstammung sind. Jüdische Unternehmungen werden bei uns nicht zugelassen.
Edenkoben, den 28. Juli 1934.
Stadt-Polizeiamt.
gez. Unterschrift
Pyritz, den 30.8.1934
Der Bürgermeister als Ortspolizeibehörde
Betr. Verkaufsstand zum Herbstmarkt am 12.9.1934.
Sie können einen Verkaufsstand erhalten, wenn Sie Arier sind.
Die Vergebung von Ständen an Nichtarier muss ich ablehnen, da durch Zulassung solcher Personen hier eine Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu befürchten steht. Sollte die in Absatz 1 genannte Voraussetzung für Sie nicht zutreffen, ersuche ich, um unnötige Ausgaben zu vermeiden, dem hiesigen Herbstmarkt am 12. September 1934 fernzubleiben,
gez. Floret
Angermünde, den 26.9.1934
Ein Platz wird Ihnen bei Ihrem Eintreffen angewiesen. Zugelassen werden Sie nur, wenn Sie arischer Abstammung sind. Platzverteilung ist am 17.10.34 nachm. 18.00 oder 18.10.34 morg. 7.00.
Heil Hitler!
gez. Unterschrift
Aus dem „Hakenkreuz-Banner“, Abend-Ausgabe vom 2. Okt. 1934
Deutsche Geschäftsleute, Geschirrhändler, Chinesen und Juden.
... Dies ist die Reihenfolge der Geschäfte auf der Verkaufsmesse, die am Samstag gleichzeitig mit der Schaumesse am Adolf-Hitler-Ufer eröffnet wird und für die man wieder die Bestimmung beibehalten hat, dass die Juden ihre Geschäfte nicht zwischen den arischen Händlern haben dürfen. Wie bei der Frühjahrsmesse werden am Anfang bei der Feuerwache zunächst die arischen Messleute kommen, an die sich dann die Geschirrhändler anschliessen. Erst am Ende zwischen den Geschirrhändlern und der Adolf-Hitlerbrücke werden die Juden ihre Buden aufschlagen. Zu ihnen werden sich jetzt zur Herbstmesse noch einige Chinesen gesellen, die ebenfalls Interesse für Plätze zeigten.
Anlage 2
Abschrift. Nr. II2225
Augsburg, den 14. Juni 1934.
Regierung von Schwaben u. Neuburg
Kammer des Innern
Anschrift. Augsburg 1, Postfach
Kassenamt. Konto Nr. 8713
P.Sch.A. München
Betreff: Jahresmesse in Nördlingen vom 2.-11.VI.1934.
Der Stadtrat Nördlingen hat es mit Beschlüssen vom April und Juni 1934 abgelehnt, für 1934 nichtarische Geschäfte zum Jahrmarkt 1934 zuzulassen. Begründet ist der Beschluss damit, dass für Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit keine Gewähr bei Zulassung nichtarischer Geschäfte übernommen werden könne, dann auch damit, dass weitere Zulassungen wegen Platzmangel nicht erfolgen könnten. Da der Jahrmarkt nunmehr vorbei ist, der Stadtrat auch die Zurücknahme des Beschlusses über den Ausschluss der nichtarischen Geschäfte für die kommenden Jahre in Aussicht gestellt hat, glauben wir, von Weiterungen absehen zu sollen.
I.V. gez. Dr. Schwaab
Der Oberbürgermeister
der Kreishauptstadt Konstanz
Betr. Konstanzer Messe
Ihr Antrag wurde in der Stadtratssitzung vom 27. August 1934 besprochen. Eine Regelung in dem von Ihnen gewünschten Sinne liess sich für die demnächst stattfindende September-Messe mit Rücksicht auf die vorgeschrittene Zeit nicht mehr durchführen, da die Plätze bereits vergeben sind. Eine Neuregelung wird daher aber für die Ende November stattfindende Konradimesse rechtzeitig erfolgen und Ihnen bekannt gegeben werden.
gez. Grüner
Stadtrat
Konstanz, den 8. Sept. 1934
Der Oberbürgermeister
der Kreishauptstadt Konstanz
Im Nachgang zu meinem Schreiben vom 28.8.34
Vorbehaltlich genügenden Platzes und rechtzeitiger Anmeldung bestehen gegen die Zulassung nicht arischer oder nicht rein arischer Händler, gegen die nichts politisch Belastendes vorliegt, keine Bedenken. Die Bereitstellung von Messbuden in der allgemeinen Verkaufsreihe an nicht arische oder nicht rein arische Unternehmer kann aber nur dann erfolgen, wenn solche Buden frei sind oder frei werden. Eine Haftung für die persönliche Sicherheit der Zugelassenen oder die Sicherheit ihrer Waren kann aber nicht übernommen werden. Der Stadtrat behält sich den Ausschluss in solchen Fällen vor, wo dies zur Vermeidung drohender Gefahren aus allgemein sicherheitspolizeilichen Gründen geboten erscheint.
Die Anmeldungen sind nach wie vor bei Herrn Messaufseher (Stadtrentamt) einzureichen. Der Messaufseher ist von hier aus entsprechend verständigt.
gez. C. Grüner
Stadtrat
Abschrift
München, den 10. September 1934
Regierung von Oberbayern
Kammer des Innern
München
Betreff: Ausschluss von Nichtariern von der Auer Dult
Zu den Schreiben vom 2.7. und 20.8.34 Beilage: 1 Fachschrift „Der Komet“.
Der Stadtrat München hat laut Bericht vom 29.7.34 Nr. 1527/III 34 nie einen Beschluss dahin gefasst, dass nichtarische Fieranten [Markthändler] vom Bezug der Münchner Dulten ausgeschlossen werden. Bei der Vergebung der Plätze werden jedoch arische Bewerber vor nichtarischen berücksichtigt. Bei der Inanspruchnahme sämtlicher Plätze durch arische Bewerber konnten nichtarische nicht zum Zuge kommen. Wenn Stadtrat Ruhrmann bei der Dulteröffnung sich dahin geäussert haben sollte, dass es den gesetzlichen Bestimmungen und dem Geist der Zeit entspreche, wenn heuer Nichtarier ausgeschlossen worden seien, so bleibt hierdurch die Tatsache unberührt, dass ein dahin lautender Stadtratsbeschluss überhaupt nicht vorliegt.
gez. Gareis