Tagebucheintrag von Willy Cohn
Der Historiker Willy Cohn (1888-1941) berichtet am 16. September 1934 über einen Besuch in einem zionistischen Hachschara-Lager:
Silsterwitz, d. 16./IX.34
Haus Proskauer. Bei den Chaluzim. Gestern abend die Trauerloge war sehr kurz und die Rede von Posner nur sehr mäßig. - Der einzelnen verstorbenen Brüder wurde nur namentlich gedacht. Neben den anderen mit einem Trauerflor geschmückten Bildern hing auch das von Franz. - Es war mir sehr wehmütig im Sinn. -
Heute früh um 6 Uhr aufgestanden, zur Post gegangen mit Trudi und Ruth, von dort mit der 14 zur Bahn; um 7.48 abgefahren mit einem Zug, der bis Zobten gar keinen Aufenthalt nimmt, dann im Autobus bis Klein Silsterwitz.
Hier fühlen wir uns wieder bei den Chawerim sehr wohl. - Augenblicklich ist der Kibbuz mit zwölf Leuten besetzt: 10 Jungen, 2 Mädel; aber die Mädel und einige Jungen sind heute nicht da! Mit ihnen über die Probleme ihres Daseins gesprochen: Hachscharah, sexuelle Frage; auch über das Verhältnis zur hiesigen Umwelt: Es sind ihnen neulich die Scheiben eingeschlagen worden, und es wurde auch hineingeschossen. - Ärger mit der S.A.-Schule. - Man spricht nur von der Judenfarm. - Aber mit der Mehrzahl der Dorfbewohner stehen sie gut, sie setzen auch einen Teil der Produkte im Dorf ab! - Der doppelte Umfang [an] Boden ist dies Jahr unter Kultur! - Eine der Chawerim vom vorigen Jahr ist in Erez an Kinderlähmung gestorben! - Im ganzen prächtige Menschen hier, mit dem ernsthaften Wollen zu einem neuen Leben! - Unsere Hoffnung auf Erneuerung des Judentums!