Rundschreiben des Inspekteurs der Gestapo an alle Staatspolizeistellen
Die Geheime Staatspolizei verbietet am 2. August 1934 den Mitgliedern jüdischer Jugendverbände das Tragen von Uniformen und wehrsportliche Übungen:
Arbeitsrichtlinie 5
betreffend Jüdische Jugendverbände, unter Bezugnahme auf den Erlass II 1 16426 vom 29.5.1934.
Aus Berichten zahlreicher Staatspolizeistellen habe ich entnommen, dass in letzter Zeit durch das geschlossene Auftreten jüdischer Jugendverbände in einheitlicher Uniform erhebliche Unruhe in Kreisen der Partei-Organisationen und der Bevölkerung im allgemeinen entstanden ist, die teilweise sogar zu Zusammenstössen geführt hat.
Im Hinblick darauf, dass die jüdischen Jugendverbände zum weitaus grössten Teil gleichzeitig der sportlichen Betätigung dienen, von dem deutschen Olympia-Ausschuss den jüdischen Sportverbänden jedoch die Gleichberechtigung der Teilnahme an der deutschen Olympiade zugestanden ist, will ich zur Zeit von einem generellen Verbot der jüdischen Jugendorganisationen absehen. Aus staatspolitischen Erwägungen halte ich es auch für unzweckmässig, die zersplitterten jüdischen Jugendorganisationen in einer Dachorganisation zusammenzufassen, weil hierdurch allzuleicht die Zersplitterung der Jugendverbände durch staatlichen Zwang beseitigt werden könnte.
Um jedoch weiteren Zusammenstössen zwischen jüdischen Jugendverbänden und Parteiorganisationen vorzubeugen, ersuche ich im Einvernehmen mit der Reichsjugendführung, durch staatspolizeiliche Anordnung auf Grund des § 1 der Verordnung des Herrn Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28.2.1933 (RGBl. I S. 83) sowie auf Grund der §§ 14 und 58 des Polizeiverwaltungsgesetzes vom 1.6.1931 (Ges.-Sammlung S. 77) den jüdischen Jugendverbänden das öffentliche Tragen von einheitlicher Kleidung (Kluft, Uniform usw.) zu untersagen. Unter diese Verbotsordnung fällt auch das Tragen von Bundestracht oder zur Kluft gehörender Kleidungsstücke und Abzeichen unter der Verdeckung durch zivile Kleidungsstücke (z. B. Mantel) sowie jede sonstige einheitliche Bekleidung, die als Ersatz für die bisherige Bundestracht anzusehen ist.
Ferner ersuche ich das Mitführen oder Zeigen von Fahnen, Bannern oder Wimpeln in der Oeffentlichkeit zu untersagen.
Zu verbieten sind auch Gelände- oder wehrsportliche Uebungen jeder Art sowie gemeinsame Auf- und Ausmärsche, insbesondere Ausmärsche in feldmarschmässiger Ausrüstung. Nicht unter dieses Verbot fallen dagegen die sportliche oder volkssportliche Betätigung sowie zwanglose Spaziergänge und Ausflüge bezw. Wanderungen in kleinerem Rahmen, sofern ihnen jeder demonstrative Charakter fehlt. Geschlossenes Marschieren ist dagegen unzulässig.
Endlich ist der Verkauf und Vertrieb von Presseerzeugnissen jeder Art, insbesondere von Flugblättern zu untersagen.
Für den Fall der Nichtbefolgung dieser Anordnung ist ein Zwangsgeld, im Falle der Nicht-beitreibbarkeit die Festsetzung einer Zwangshaft anzudrohen. Eine Strafverfolgung nach den einschlägigen Strafvorschriften wird durch die staatspolizeiliche Anordnung nicht berührt. In der Anordnung ist ferner darauf hinzuweisen, dass Zuwiderhandelnde in Schutzhaft genommen und unerlaubt getragene Kluft oder Abzeichen, unerlaubt geführte Fahnen, Banner oder Wimpel sowie unerlaubt zur Verteilung gelangende Presseerzeugnisse und Flugblätter beschlagnahmt werden können.
Ueber das Veranlasste sehe ich bis zum 25.8.1934 einem Bericht entgegen. Abschrift der erlassenen Anordnung ist beizufügen.